Norderstedt. Seit Jahren türmen sich meterhohe Abfallberge. Wichtigste Frage bleibt weiterhin offen: Wann rücken Bagger an und räumen den Müll?

Der Müllberg in Friedrichsgabe könnte bald Geschichte sein: Der Stadt Norderstedt wurde das vermüllte Grundstück neben dem Gelände des Autoverwerters Kiesow zugesprochen. Das bestätigte das Landgericht Kiel dem Abendblatt. Damit könnten Stadt und Land nun endlich den gemeinsamen Plan in die Tat umsetzen und die rund 15.000 Kubikmeter illegalen Müll abräumen.

Das Müllgrundstück beschäftigt Norderstedt schon seit Jahren. Der Besitzer der Gieschen Containerdienst GmbH hat auf der Fläche am Umspannwerk jahrelang ein illegales Abfallzwischenlager betrieben und immer mehr Müll angenommen, ohne ihn wie vorgeschrieben wieder abzutragen. Ein Müllungeheuer aus Asbest, Dämmwolle und anderen Schadstoffen ist entstanden. Dann verschwand die Familie Gieschen spurlos. Im Jahr 2017 riss der Kontakt zu den Behörden ab.

Müllberg: Stadt Norderstedt erhält Zuschlag für Gieschen-Gelände

Lange stritten Stadt und Land über die Zuständigkeit. Niemand wollte sich für den Schandfleck in Norderstedt verantwortlich fühlen. Dann einigten sich beide Parteien schließlich im Dezember 2021 auf ein gemeinsames Vorgehen: In einem Zwangsversteigerungsverfahren sollte die Stadt das Grundstück ersteigern und anschließend verkaufen. Mit dem Erlös sollte die teure Räumung des Grundstücks, die auf etwa 3,8 Millionen Euro geschätzt wird, zumindest teilweise finanziert werden. Die restlichen Kosten trägt das Land. So der Plan.

Bei der Zwangsversteigerung Mitte April hatte Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder 2384,18 Euro geboten – doch kurz vor dem Ende der Versteigerung, mit knapp 20 Minuten Verspätung, eilte ein unbekannter Mann in Saal C und gab mit 2400 Euro ein höheres Gebot ab.

Kampf ums Müllgrundstück: Landgericht weist Beschwerde zurück

Allerdings hatte Unternehmer Jagtar Singh, als den sich der Mann zu erkennen gab, seinen zwingend erforderlichen Personalausweis vergessen. Er konnte ihn auch nicht im Kofferraum seines Autos finden – letztendlich wurde sein Gebot zurückgewiesen und der Stadt das Grundstück zugesprochen.

Doch Singh legte Beschwerde gegen den Zuschlag ein. Zwei Wochen später kam er mit seinem Rechtsanwalt Carl-Wolf Coste noch einmal ins Norderstedter Amtsgericht und sprach vor. Seine Argumentation wurde erneut abgewiesen – wieder legte er Beschwerde ein, diesmal beim Landgericht Kiel.

Ursprünglich sollte Gelände noch in diesem Jahr geräumt werden

Dort wurde sein Antrag wochenlang geprüft. „Letztendlich ist die Beschwerde zurückgewiesen worden“, sagte Lea Otten, Sprecherin des Landgerichts. Eine erneute Beschwerde von Jagtar Singh sei nicht zugelassen worden. Damit ist die Stadt Norderstedt rechtmäßige neue Eigentümerin des Müllgrundstücks.

Etwa 15.000 Kubikmeter Müll rotten auf dem ehemaligen Gieschen-Areal in Friedrichsgabe seit Jahren vor sich hin.
Etwa 15.000 Kubikmeter Müll rotten auf dem ehemaligen Gieschen-Areal in Friedrichsgabe seit Jahren vor sich hin. © Thorsten Ahlf | Thorsten Ahlf

Mehr denn je stellt sich nun die entscheidende Frage: Wann rücken auf dem Gelände in Friedrichsgabe endlich die Bagger an? Wann wird der Müllberg abgeräumt? Die Stadt äußerte sich bisher nicht zu den aktuellen Entwicklungen. Das Land zeigte sich erfreut: „Die Entscheidung des Landgerichts Kiel über die Zurückweisung der Beschwerde ist sehr erfreulich“, sagte Klimaschutz-Staatssekretär Joschka Knuth.

Einen genauen Zeitplan nannte Knuth nicht, nur so viel: „Da nun Rechtssicherheit besteht, wird das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) nun mit dem Vergabeverfahren zur Räumung des Abfalllagers beginnen.“ Die Ausschreibung erfolgt laut Staatssekretär in zwei Schritten: Zunächst werden die Planung und Leitung der Räumungsarbeiten ausgeschrieben. Nach Abschluss dieses Vergabeverfahrens erfolgt die Ausschreibung der eigentlichen Räumungsarbeiten.

Der ursprüngliche Plan sah vor, noch in diesem Jahr mit der Räumung zu beginnen.

Müllberg: Familie Gieschen muss sich vor Gericht verantworten

Ein weiterer Knackpunkt: Der jahrelang als verschwunden geltende Ex-Besitzer des Müllgrundstücks ist wieder aufgetaucht. Er muss sich ebenso wie seine Tochter, die zwischenzeitlich die Geschäfte der Containerfirma übernommen hatte, im Oktober vor dem Amtsgericht Norderstedt verantworten. Der Familie Gieschen wird der unerlaubte Umgang mit Abfällen und das unerlaubte Betreiben von Anlagen jeweils in einem besonders schweren Fall vorgeworfen.

Ob die Familie auch finanziell zur Rechenschaft gezogen werden kann und möglicherweise für die Räumung des von ihnen vermüllten Grundstücks aufkommen muss, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar. Bis das letzte Kapitel der Gieschen-Saga geschrieben ist, wird es weiter dauern.