Groß Niendorf. Jana-Elena Clausen bietet in Groß Niendorf Wanderungen und Coachings an. Wie sie Jungen half, seine Stimme wiederzufinden.

Ihre Liebe zu Eseln hat Jana-Elena Clausen schon als junges Mädchen entdeckt. Früher war sie oft mit ihren Eltern im Urlaub in Spanien. Als sie vier Jahre alt war, ist sie auf einem Marktplatz zielsicher an allen Pferden vorbeigelaufen – weil sie in der hintersten Ecke einen Esel entdeckt hatte.

Wenn sie heute auf ihrer zwei Hektar großen Koppel in Groß Niendorf steht, umringt von ihren vier Eseln, dann fühlt sie sich angekommen. Hier in der Natur hat sie ihre eigene, kleine Ruheoase geschaffen. Ihren Rückzugsort. Im Frühjahr 2021 erfüllte sie sich ihren Lebenstraum. Die 30-Jährige pachtete die Wiese am Moorweg und gründete die „Zottelfell-Ranch“. „Ich bin jeden Tag glücklich und dankbar, dass ich diesen Schritt gegangen bin“, sagt sie.

Ausflugstipp: Mit Eseln wandern und kuscheln auf Zottelfell-Ranch in Groß Niendorf

Auf ihrer Ranch bietet die studierte Sozialarbeiterin seit Anfang des Jahres Wanderungen mit Eseln in der Feldmark, Erlebnisgruppen für Kinder, Kuschelzeiten, aber auch pädagogische Unterstützung für soziale und klinische Einrichtungen und Einzelcoachings an. „Ich habe immer darauf hingearbeitet, mit Tieren und Menschen zusammenzuarbeiten“, sagt Clausen. Davon träumte sie schon als Jugendliche.

Doch ihren eigenen Betrieb aufzubauen, erfordert viel harte Arbeit – und Geld. Um sich ihre Ranch zu finanzieren und irgendwann davon leben zu können, arbeitet sie weiterhin in Vollzeit in der ambulanten Eingliederungshilfe und unterstützt Erwachsene mit psychischen Problemen oder einer geistigen oder körperlichen Behinderung in ihrem Alltag.

Clausen lebt in zwei Welten: Gegen 5 Uhr morgens klingelt ihr Wecker. Sie geht mit ihrem weißen Schäferhund Elmo spazieren, dann besucht sie ihre Esel auf der Koppel. Tagsüber hat sie Termine mit Klienten. Nach dem Dienst verbringt sie ihren Feierabend wieder auf der Ranch. Dort kann sie abschalten. Durchatmen. „Ich freue mich immer, wenn ich zu meinen Tieren kann.“

Schicksalsschlag trifft Besitzerin kurz nach Gründung der Esel-Ranch

Die Tiefe Verbindung zu ihren Tieren ist in jeder Begegnung zu sehen. Wenn Clausen den Eseln liebevoll über den Kopf streichelt. Mit ihnen spricht, als wären sie ihre Freunde. „Ich liebe Esel, weil sie so ein sanftes Wesen haben“, sagt sie.

Jana-Elena Clausen mit ihrem zotteligen Poitou-Esel Komet: Er wohnt am längsten auf der Zottelfell-Ranch in Groß Niendorf.
Jana-Elena Clausen mit ihrem zotteligen Poitou-Esel Komet: Er wohnt am längsten auf der Zottelfell-Ranch in Groß Niendorf. © Annabell Behrmann

Wie sehr sie die Tiere wirklich liebt, beweist diese Geschichte: Vergangenes Jahr im April zogen die ersten beiden Esel auf der Zottelfell-Ranch ein – Komet und Marie. Doch ein Schicksalsschlag ließ nicht lange auf sich warten. Bei Marie bildete sich am Kopf ein inoperabler Tumor. Die Eseldame musste eingeschläfert werden. Komet blieb alleine zurück.

Tierliebe: Clausen übernachtete auf Koppel mit Hund und Esel

Clausen brach es das Herz, ihren zotteligen Poitou-Esel ohne Weggefährtin auf der großen Wiese zurückzulassen. Also harrte sie an seiner Seite aus. Eine Woche lang schlief sie mit Hund Elmo auf der Koppel. Die Tierfreundin legte eine Matratze in ihren Dacia Lodgy, parkte das Auto auf der Rasenfläche und öffnete die Klappe des Kofferraums. Komet suchte ihre Nähe und legte seinen zotteligen Kopf in Clausens Wagen ab. „Für mich war das selbstverständlich. Komet war davor noch nie alleine“, sagt sie.

Noch im selben Jahr zogen der katalanische Großesel Pepe und die beiden Zwergesel Pino und Alex auf der Zottelfell-Ranch ein.

Clausen trägt Dreadlocks, die sie zu einem Dutt auf dem Kopf zusammengebunden hat. Sie lacht viel, wirkt in der Nähe der Tiere mit sich und der Welt zufrieden. Sie sagt über sich selbst, dass sie schon immer anders war als andere Kinder. Sie war laut. Schwamm gegen den Strom. Und hatte nie Angst vor dem Scheitern. Deswegen kostete es sie vielleicht nicht ganz so viel Überwindung wie andere, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. „Was ich sage, ziehe ich durch. Ich möchte mir später nicht vorwerfen, es nicht probiert zu haben.“

Tiergestützte Pädagogik: Hund Elmo brachte Jungen zum Sprechen

Die junge Frau ist davon überzeugt, dass tiergestützte Pädagogik viel schnellere Erfolge erzielen kann. Tiere können das Eis brechen. Zu Menschen auf eine ganz besondere Art und Weise durchdringen. Vor fünf Jahren hat Clausen in einem Jugendtreff in Bayern gearbeitet. Damals trat Elmo in ihr Leben. Sie nahm den Schäferhund jeden Tag mit zu den Jugendlichen. „Elmo war ein Ruhepol für sie.“

Ein Junge, der die Sonderschule besuchte, sprach nie ein Wort mit anderen. Eines Tages hörte die Pädagogin plötzlich seine Stimme. Er redete mit Elmo. „Tiere nehmen einen so wie man ist. Bei ihnen gibt es kein Schubladendenken“, sagt Clausen. Über Elmo begann sie mit dem Jungen zu kommunizieren. Der Hund schaffte es, die Sprachbarriere zu überwinden. „Das wäre mir alleine nicht so schnell gelungen. Ich kann über die Tiere besser agieren und einfacher Gespräche führen“, sagt sie.

Der Junge wechselte von der Sonderschule ans Gymnasium. Dort machte er sein Abitur. „Sein Großvater war sehr engagiert und sorgte dafür, dass ihn ein Hund in die Schule begleiten durfte“, berichtet Clausen.

Zottelfell-Ranch bietet Esel-Gruppen für Kinder an

Auf der Zottelfell-Ranch bietet sie zwei Kinder-Esel-Gruppen an – für Kinder ab fünf und zwölf Jahren. „Mir ist es wichtig, dass Kinder Kontakt zu Tieren haben und daran wachsen“, sagt die Sozialarbeiterin, die sich nebenbei auch im Bereich der Tierphysiotherapie und -osteopathie weitergebildet hat und dort tätig sein möchte.

Der siebenjährige Theo hat einen Parcours für die Esel aufgebaut und führt sie um die Hütchen – das bringt nicht nur Spaß, sondern stärkt auch das Selbstbewusstsein des Jungen.
Der siebenjährige Theo hat einen Parcours für die Esel aufgebaut und führt sie um die Hütchen – das bringt nicht nur Spaß, sondern stärkt auch das Selbstbewusstsein des Jungen. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Heute ist der sieben Jahre alte Theo für eine Schnupperstunde zu Besuch. Gemeinsam bürsten sie die Esel und bauen einen Parcours für sie auf. Mit einem Leckerli in der Hand führt der Erstklässler sie eigenständig um die Hütchen und über die Baumstämme. „Auf diese Weise wird unterbewusst sein Selbstbewusstsein gestärkt. Er leitet die Esel an und sie folgen ihm“, erklärt Clausen, die in der Nähe von Ahrensburg aufgewachsen ist.

Bleibt ein Tier stehen, drängt sie es nicht, weiterzugehen. „Ich möchte die Esel gerne so leben lassen, wie sie möchten“, sagt sie. Deswegen arbeitet sie auch in Vollzeit weiter. Sie möchte nicht unzählige Eselwanderungen am Tag anbieten, nur weil sie Geld braucht, um die Ranch zu finanzieren. „Ich will die Tiere nicht ausbeuten.“

Bei einer Schnupperstunde auf der Ranch hat Theo die Esel näher kennengelernt und gebürstet.
Bei einer Schnupperstunde auf der Ranch hat Theo die Esel näher kennengelernt und gebürstet. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Ausflugstipp Groß Niendorf: Esel steigern das Selbstwertgefühl

Auf ihrer kleinen Ruheoase sind alle Menschen herzlich willkommen. „Jeder kann mit seiner Lebensaufgabe zu mir kommen oder einfach nur Spaß haben“, sagt sie. „Aber selbst wenn man ohne Ziel hierherkommt, nimmt man mehr Selbstwertgefühl mit nach Hause.“

Mehr Infos unter www.zottelfell-ranch.de.