Norderstedt. Ausgelichtete Krone, krankes Aussehen: Stimmt es also doch nicht, dass eine deutsche Eiche so schnell nichts umwirft?

Wer beim Spazierengehen in der Garstedter Feldmark oder anderen Grünbereichen den Blick nach oben lenkt, der kann die derzeit prekäre Lage der Eichen in Norderstedt überall entdecken. Ausgedünnte Kronen, kaum Blätter – die Bäume wirken krank und angeschlagen. Schuld sind die sogenannte Eichenfraßgesellschaft – und der fortdauernde Klimastress. Dass die sprichwörtliche deutsche Eiche nichts umwirft, scheint dadurch infrage gestellt.

Im Norderstedter Umweltausschuss wurden die Eichen nun zum Thema. Die Grüne Stadtvertreterin Ingrid Betzner-Lunding hatte schon im Juni von ihren Beobachtungen aus dem Harthagen in Garstedt berichtet. Von den dort etwa 80 Eichen seien viele in einem schlechten Zustand. In der letzten Sitzung nun klärte Christoph Lorenzen, der Baumexperte der Norderstedter Stadtverwaltung, die Politik auf.

Eichenprozessionsspinner: Raupenfraß und Klimastress setzen Eichen zu

Klimastress und Raupenfraß: Die ausgelichtete Krone einer Eiche im Norderstedter Stadtgebiet.
Klimastress und Raupenfraß: Die ausgelichtete Krone einer Eiche im Norderstedter Stadtgebiet. © Stadt Norderstedt

Tatsächlich würden sich die Eichen im Harthagen eher einer „durchschnittlichen bis guten Vitalität“ erfreuen. Man habe zuletzt an 16 Bäumen Totholz beseitigt und würde dies an 25 weiteren 2023 wiederholen.

Doch unabhängig vom Harthagen, so bestätigte Lorenzen, seien die Eichen derzeit im gesamten Bereich Holstein in einer schwierigen Situation. Dies zeige sich an den ausgelichteten Kronen. Dies liege auch an der „Eichenfraßgesellschaft“ – zu ihr gehört die Raupen der Frostspanner, Grünen Eichenwickler, Eichenprozessionsspinner und Schwammspinner.

Haare der raupen können zu allergischen Reaktionen beim Menschen führen

Eichenprozessionsspinner sind am Stamm einer Eiche zu sehen. Im Frühjahr und Sommer breiten sich die Raupen flächendeckend aus.
Eichenprozessionsspinner sind am Stamm einer Eiche zu sehen. Im Frühjahr und Sommer breiten sich die Raupen flächendeckend aus. © dpa | Friso Gentsch

Diese „Gesellschaft“ sei Jahrhunderte alt und ein natürlicher Bestandteil der Fauna. Die Raupen fressen sich unablässig durch die Kronen der Eichen – in manchen Jahren mal mehr, in anderen Jahren mal weniger intensiv. Dieses Jahr hatte die Stadtverwaltung in diversen Bereichen bereits Warnschilder wegen des Eichenprozessionsspinners aufgestellt.

Raupen und Nester der Tiere wurden in der Garstedter Feldmark und am Rande des Tangstedter Forsts gesichtet. Die Haare der Raupen können beim Menschen allergische Reaktionen hervorrufen. Deswegen ließ das Betriebsamt Nester und Raupen mechanisch beseitigen.

Norderstedt: Eichen treiben ein zweites Mal und gleichen die Schäden aus

Helfen können den Eichen am besten die natürlichen Feinde der Fraßgesellschaft – die Schlupf- oder Erzwespe. Sie würden ein Überhandnehmen der Schädlinge regulieren – wenn auch zeitverzögert, teilte Lorenzen mit.

Schwierig werde die Situation immer dann, wenn Bäume bereits geschwächt sind. „Die Kombination aus Witterungsbedingungen und Umweltstress muss dabei mehr Anlass zur Besorgnis geben als der Schädling an sich“, so Lorenzen in der Mitteilung an den Ausschuss. Normalerweise seien die Eichen spätestens Mitte Juni voll belaubt. „Eichen besitzen die Möglichkeit, ein zweites Mal im Jahr auszutreiben. Dieser ,Johannistrieb’ ist in der Lage, die lichten Baumkronen wieder aufzufüllen und die Folgen des Kahlfraßes zu beseitigen. Die Besorgnis kann sich also in Grenzen halten“, so Lorenzen.