Langenhorn. Verschleppt, ausgebeutet und in Massengräbern verscharrt: Wie Frauen und Männer in einer Hamburger Rüstungsfabrik zu Tode kamen.

Alexandra Daschewskaja wurde am 31. Dezember 1924 in der Ukraine geboren. Bereits mit 19 Jahren musste sie am 12. August 1944 in Hamburg sterben, zu Tode gekommen durch Ausbeutung, Misshandlung, einsam und allein, fern ihrer Heimat, aus der sie die Schergen des NS-Regimes verschleppten, um sie in Deutschland als Arbeitsmaschine einzusetzen.

Seit 29. Oktober 1943 musste Alexandra Daschewskaja für die Hanseatische Kettenwerk GmbH (HAK) als „Ostarbeiterin“ Zwangsarbeit leisten. Untergebracht war sie im Lager Tannenkoppel am Weg 4 in Langenhorn. Am 12. August 1944 starb Alexandra Daschewskaja um 18 Uhr auf dem Transport vom Zwangsarbeitslager in das Allgemeine Krankenhaus Langenhorn. Amtlich vermerkte Todesursache: „Dringender Verdacht auf Vergiftung keine sichere Todesursache“.

Stolpersteine Hamburg: Zwangsarbeiter kamen aus ganz Europa

Woher das Gift in ihrem Körper kam, ist ungeklärt. Bestattet wurde Alexandra am 23. August 1944 in einem Massengrab auf dem Friedhof Ohlsdorf. Jetzt erinnert ein Stolperstein an der Langenhorner Chaussee 625 an Alexandra Daschewskaja und damit an den Ort, an dem sie zur Fronarbeit gezwungen wurde.

Mit dem Stolperstein für Alexandra Daschewskaja verlegte der Stolperstein-Künstler Gunter Demnig zehn weitere Gedenksteine mit Messingplatten, auf denen die Lebens- und Todesdaten graviert sind. Sie erinnern an Mina Buijs aus Rotterdam, an Leonid Dubik aus der Ukraine, an Sofia Nietrzebka aus Polen, Albino Pietrogiovanna aus Italien, an Grigor Gosarenko, Evgenia Masalewskaja, Semjon Pogrebnikow, Marija Tschechanowitsch, Dimitri Woloschin und Prokop Moskalenko aus Russland.

Unter unwürdigen Umständen in Massengräbern verscharrt

Als Todesursachen sind Alkoholvergiftung, Schädelbruch durch Maschinenunfall, Herzschwäche, Tbc, Darmkrankheiten, Diphterie, Rippenfellentzündung verzeichnet. Sie alle wurden aus ihrer Heimat verschleppt, zur Arbeit gezwungen, starben unter unwürdigen Umständen und wurden in Massengräbern bestattet.

Initiiert hat die Stolperstein-Verlegungen die 71-jährige Diplom-Psychologin und Biografie-Forscherin Margot Löhr, die mit ihrem Team schon einige Stolperstein-Publikationen veröffentlichte (zu beziehen über den Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung am Dammtorwall 1, Gebühr 3 Euro oder im Buchhandel).

„Es ist nicht einfach, all die Verbrechen zu erfahren und zu verarbeiten und immer wieder in den Sterberegistern zu recherchieren“, sagt Margot Löhr. Aber es sei wichtig, die NS-Verbrechen publik zu machen, der Opfer zu gedenken, um gegen radikale Gegenströmungen anzugehen. Unterstützt wird Margot Löhr von der Langenhorner Willi Bredel Gesellschaft und von Spenderinnen und Spendern, die für die Finanzierung der Stolpersteine Patenschaften übernommen haben.

Zwangsarbeit in Hamburg: Schülerinnen und Schüler gedenken der Opfer

Auch Schülerinnen und Schüler des Oberstufenzentrums Forthkamp setzten sich mit der NS-Geschichte und den Lebensläufen der zu Tode gekommenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter auseinander und verlasen bei der Einweihung die von Margot Löhr erforschten Biografien der NS-Opfer. Ella Buschüter und Leander Noeske vom Margaretha Rothe Gymnasium in Barmbek-Nord spielten Lieder auf der Klarinette, Uwe Levin von der Willi Bredel Gesellschaft spielte Songs auf dem Akkordeon. Auch Udo Franz vom Bezirksamt Nord und Jochen Kroll, Vorsitzender des Vereins OLMO, Kultur und Erinnerungsarbeit zwischen Ohlsdorf und Ochsenzoll, nahmen an dem Gedenken teil.

Die elf neuen Stolpersteine liegen nahe des Bus- und U-Bahnhofes Ochsenzoll, in unmittelbarer Nähe der Gedenkstele, die an das private Unternehmen Pötz & Sand, erinnert, an das die Kettenwerke verpachtet wurden und es zu einem der größten Rüstungsbetriebe Hamburgs entwickelte. „Tausende Frauen und Männer, die in Langenhorn für die Rüstungsindustrie Zwangsarbeitleisten mussten, haben hier gelitten. Die Gedenksäule erinnert uns daran“, sagte Margot Löhr.

Stolpersteine Hamburg-Langenhorn: 49 erinnern an ermordete Babys

Im Bereich der ehemaligen NS-Rüstungsbetriebe Hanseatische Kettenwerke GmbH und Deutsche Messapparate GmbH (Messap), haben Margot Löhr und die Willi Bredel Gesellschaft bereits viele Stolpersteine verlegen lassen, unter anderem für die Frauen, darunter auch Jüdinnen, aus dem KZ-Nebenlager von Neuengamme an der Essener Straße gegenüber den „Schwarzwaldhäusern“, die die Nazis für gehobene Angestellte bauten.

49 Stolpersteine erinnern an verhungerte und ermordete Babys und Kleinkinder von Zwangsarbeiterinnen im Lager Tannenkoppel Weg, heute Essener Straße 54. Weitere 23 Stolpersteine für Kinder liegen vor Haus 25 der Asklepios Klinik Nord Ochsenzoll an der Henry-Schütz-Allee/Ecke Langenhorner Chaussee 560, die in der „Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn“ ermordet wurden.