Kreis Segeberg. Der Erwachsenen-Sozialdienst ist jetzt auch für die Menschen in Norderstedt, Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen da.

Herr Scheider musste in den vergangenen Monaten einiges wegstecken: Nach einem Schlaganfall hat der 55-Jährige nun seinen Job verloren und weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll. Frau Schmitt ist alleinerziehende Mutter zweier Kinder. Die steigenden Lebenshaltungskosten bereiten ihr große Sorgen und sie fragt sich, wie sie in Zukunft ihre Rechnungen bezahlen soll.

Menschen im Kreis Segeberg mit diesen, ähnlichen oder auch ganz anderen Problemen bekommen seit Anfang 2019 Unterstützung vom damals neueingerichteten Erwachsenen-Sozialdienst (ESD) des Kreises. Dieser lief zunächst drei Jahre als Pilotprojekt in einer ausgewählten Region. Segeberg war damit der erste Kreis in Schleswig-Holstein, der seinen Bürgerinnen und Bürger ein solches Angebot zur Verfügung stellte. Nun gab die Kreispolitik grünes Licht für eine Angebotsausweitung auf das gesamte Kreisgebiet.

Sozialdienst wird auf ganzen Kreis Segeberg ausgeweitet

Von dem Angebot profitieren jetzt auch die Städte Norderstedt, Kaltenkirchen und Bad Bramstedt, die Gemeinden Henstedt-Ulzburg und Ellerau sowie die Ämter Bad Bramstedt-Land, Auenland Südholstein und Kisdorf. Es gilt für alle Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren, ist kostenfrei und vertraulich und soll Jung und Alt gleichermaßen ansprechen.

Aus dem bisher dreiköpfigen Team ist nun ein siebenköpfiges geworden. „Wir haben uns in drei Regionen aufgeteilt“, so Dörte Meyer vom ESD. „Dadurch können wir effektiver arbeiten und sind näher dran.“ Damit es für die Bürgerinnen und Bürger aberübersichtlich bleibt, kann zunächst eine zentrale Nummer angerufen oder eine E-Mail geschrieben werden.

„Seit es das Angebot gibt, haben sich bei uns rund 800 Menschen gemeldet“, sagt Katja Lohmeier, Fachdienstleiterin des Erwachsenen-Sozialdienstes. „Einigen konnten wir bereits mit einem Telefonat helfen, andere unterstützen wir mehrere Wochen lang.“ „Ziel ist es, Menschen in schwierigen Situationen zu begleiten, sie wieder zurück ins Leben zu holen oder sie mit anderen zu vernetzen“, sagt Kerstin Schwarzloh aus dem Erwachsenen-Sozialdienst-Team. „Oft erleben wir eine große Hilflosigkeit und Schwierigkeiten dabei, für sich selbst zu sorgen“,erläutert sie.

18-Jährige suchen Rat, aber auch 90-Jährige

Die Altersspanne der Personen, die sich beim ESD melden, ist genau so breit wie die Themenpalette. 18-Jährige suchten Rat, aber auch 90-Jährige. Viele Anfragen kommen, weil es Probleme im Umgang mit Ämtern und Behörden gibt. So hilft das Team beim Ausfüllen von Anträgen auf Arbeitslosengeld II, Grundsicherung oder Wohngeld. Doch zu den Klienten zählen nicht nur Menschen mit schmalem Budget. Rund die Hälfte lebt in gesicherten Verhältnissen, hat einen Job, ist aber durch eine Ausnahmesituation aus der Balance geraten.

Auch körperliche Erkrankungen und finanzielle Schwierigkeiten tauchen im Hilfsprofil auf. Der ESD hilft auch bei psychischen Schwierigkeiten wie Einsamkeit, vermittelt etwa Kontakt zur örtlichen Kirchengemeinde. Steht ein psychisches Problem stark im Vordergrund, verweist der ESD auf das Angebot des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Kreises Segeberg. Dort arbeiten spezialisierte Fachkräfte.

Beratungen zu Hause, in der Kreisverwaltung oder telefonisch

Die Beratungen sollen vor allem dort stattfinden, wo sich der oder die Hilfesuchende sicher und wohl fühlt: Das ist oft in den eigenen vier Wänden der Fall. Es können aber auch Telefonate oder Termine in der Kreisverwaltung in Bad Segeberg stattfinden. „Räumlichkeiten in den Regionen Norderstedt und Kaltenkirchen, Bad Bramstedt oder Henstedt-Ulzburg suchen wir noch“, sagt Isabel Juritz vom Team. „Es ist schwierig, zur Verfügung stehende Büroräume zu finden. Aber wir möchten unbedingt vor Ort arbeiten, um die Hürden, Kontakt zu uns aufzunehmen, so niedrig wie möglich zu halten.“„Wir wollen da sein, wenn es Probleme mit Ämtern gibt oder jemand nicht weiß, wie er oder sie mit seiner Lebenssituation wieder besser zurechtkommen kann“, sagt Lohmeier.

Sie und ihr Team möchten Ängste und Scham nehmen und dabei helfen, neue Wege für einen sorgenfreieren Alltag zu finden. „Das kann zum Beispiel auch die Suche nach einer längerfristigen Unterstützungsmöglichkeit sein.“ Das Team berät darüber hinaus auch Angehörige und versucht,gemeinsam eine Lösung zu finden.

Beratung verhindert Überschuldung, Obdachlosigkeit und Pflegebedürftigkeit

Die Notwendigkeit für den Erwachsenen-Sozialdienst hatte die Kreispolitik 2017 erkannt und beschloss, 200.000 Euro für das Pilotprojekt zur Verfügung zu stellen. Der Start im Januar 2019 war ein Aufbruch ins Ungewisse. Eine Mischung aus Alltagsproblemen, chronische Erkrankungen, psychischen, finanziellen oder sozialen Probleme kam auf den Dienst zu.

Doch schnell war klar: Das kostenlose und vertrauliche Angebot für alle Erwachsenen ist ein Erfolg. Die Menschen kamen zu einem Viertel aus eigenem Antrieb zum Sozialdienst, etliche wurden über andere Fachdienste des Kreises vermittelt, vom Jobcenter oder von den Ordnungs- und Sozialämtern der Kommunen. Und anders als vielleicht vermutet, stehen etwa 50 Prozent der Hilfesuchenden eigentlich fest im Leben und haben einen Job.

Sozialdienst: Prävention spart auf Dauer Folgekosten

Die Hilfe hat nicht nur eine soziale Komponente, sondern auch eine wirtschaftliche. „Was wir in die Prävention investieren, spart auf Dauer Folgekosten, die um ein Vielfaches höher sind“, sagt Katja Lohmeier. Werden Betroffene frühzeitig beraten, lassen sich oft drohende Obdachlosigkeit, Überschuldung, eine schwerere Pflegebedürftigkeit oder eine rechtliche Betreuung vermeiden.

Die Experten haben das anhand von in Deutschland gängigen Fallpauschalen ausgerechnet. Das Ergebnis: Der ESD könne bei einer Klientenzahl von knapp 200 langfristig gut 2,6 Millionen Euro im Jahr einsparen. Auch dadurch sieht sich Fachdienstleiterin Lohmeier bestätigt: „Ein solches Angebot wie der ESD ist ein Auftrag der kommunalen Daseinsvorsorge, den sich eine Gesellschaft ethisch und moralisch leisten sollte.“

Zu erreichen sind die Diplom-Sozialpädagoginnen des Erwachsenen-Sozialdienstes ab sofort per E-Mail an Erwachsenen-Sozialdienst@segeberg.de sowie unter 04551/951 87 20 (montags bis freitags, 8.30-12.00 sowie montags, dienstags und donnerstags von 14.00-16.00). Termine und weitere Absprachen können individuell vereinbart werden.