Henstedt-Ulzburg. Der Landwirt aus Henstedt-Ulzburg plünderte das Konto des Pflegebedürftigen (84). Warum er auch noch glaubte, das Recht dazu zu haben.

Ein verschuldeter Landwirt, der seinen Hof in Mittelholstein aufgeben musste, hat einen ehemaligen Knecht um dessen gesamtes Vermögen gebracht. Er plünderte das Konto des pflegebedürftigen Senioren (84), der 49.000 Euro als Altersvorsorge gespart hatte. Jetzt wurde das Urteil gegen den ehemaligen Hofbesitzer aus Henstedt-Ulzburg rechtskräftig.

Die zweijährige Haftstrafe wegen besonders schweren Betrugs in 73 Fällen hatte das Amtsgericht Norderstedt im März 2021 zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft forderte damals „Haft pur“ und legte Rechtsmittel ein: Der Angeklagte (55) habe den Geschädigten um dessen Lebensleistung betrogen, die er sich auf dem Hof erarbeitet hatte.

Auch der Landwirt legte Berufung gegen das Urteil ein

Auch der vorbestrafte Angeklagte legte Berufung gegen das Urteil ein. Er erklärte, ein Anrecht auf das Geld des ehemaligen Mitarbeiters gehabt zu haben. Schließlich habe der Senior ihm 2016 nach dem Umzug ins Pflegeheim eine notarielle Generalvollmacht für die Verwaltung seiner Finanzen erteilt. Er forderte Freispruch.

Mit Kontovollmacht das Sparbuch des 84-Jährigen geplündert

Der schon 1999 an Parkinson erkrankte Heimbewohner hatte seinen ehemaligen Arbeitgeber gebeten, ihm gelegentlich etwas Taschengeld vom Sparbuch abzuheben. Dafür erlaubte er ihm, sich etwas Geld zu leihen. Dieser Vertrauensbeweis gab dem Angeklagten laut Urteil aber nicht das Recht, das gesamte Guthaben des Nebenklägers ohne Chance auf Rückzahlung zu verprassen.

Der Landwirt, der den elterlichen Hof wegen wirtschaftlicher Probleme infolge des ländlichen Strukturwandels („Höfesterben“) aufgeben musste, hatte das Sparbuch des Senioren regelrecht geplündert. Ein bis zwei Mal pro Woche hob er Summen zwischen 50 und 7000 Euro für eigene Zwecke ab. Innerhalb eines Jahres erschlich er sich so rund 49 000 Euro.

Dem pflegebedürftigen Senioren blieben noch 24,96 Euro

Von dem Geld gab er 11.000 Euro seiner Lebensgefährtin, zahlte Rechnungen von Elektronikmärkten, Versicherungen, Autohäusern und den Stadtwerken. Als der gewerbsmäßige Serienbetrug im Juni 2017 aufflog, hatte der Geschädigte gerade noch 24,96 Euro auf dem Konto. Er reagierte mit Depressionen auf den finanziellen Totalverlust und den massiven Vertrauensbruch, so das Urteil.

25.000 Euro zahlte der Angeklagte dem Senioren im Sommer 2018 zurück. Weitere 11.000 Euro sind nach einem im März 2019 geschlossenen Vergleich noch fällig. Diese unterliegen laut Urteil der staatlichen Einziehung. In zweiter Instanz vor dem Kieler Landgericht nahmen Anklage und Verteidigung diese Woche ihr Rechtsmittel gegenseitig zurück. Die Staatsanwaltschaft bestand nicht mehr auf einer Haftstrafe für den Angeklagten. Die Zahlungen des Landwirtes an den ehemaligen Knecht und die Einsicht des Bauers, keine Ansprüche auf dessen Erspartes gehabt zu haben, trugen dazu bei.

Damit ist das Norderstedter Urteil jetzt rechtskräftig. Ob der Geschädigte allerdings vollständig zu seinem Recht und Geld kommt, ist eine andere Frage: Der Angeklagte ist angeblich zahlungsunfähig. Bei einer Zwangsvollstreckung fand der Gerichtsvollzieher nichts Verwertbares.

Höfesterben hinterlässt viele verzweifelte Landwirte

Die finanzielle Sorgen von Landwirten beförderten das Höfesterben in Schleswig-Holstein. Bevor der Strukturwandel einsetzte und immer mehr Höfe aufgaben, existierten im Land 54.000 Bauernhöfe (1949). Nach Zahlen der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte gab es im Jahr 2000 noch 20.000 Höfe. Heute bearbeiten rund 12.000 Betriebe 70 Prozent der gesamten Landesfläche und bieten dabei 40.000 Arbeitsplätze. In ihrer Existenz bedroht waren zuletzt besonders Schweinemastbetriebe. Ihre Zahl fiel aufgrund steigender Kosten und sinkender Nachfrage im vergangenen Jahr von 750 auf 650.