Henstedt-Ulzburg. Corona-Einsamkeit? Jedenfalls ist die Nachfrage nach Hund, Katze und Co in der Einrichtung so groß wie nie zuvor.

Mischlingshündin Mia ist drei Jahre alt und ebenso liebesbedürftig wie der zwei Jahre alte Mischlingsrüde Kayro. Beide stammen aus einem Hauhalt, leben aber seit einer Woche im Tierheim Henstedt-Ulzburg: Die bisherigen Tierhalter haben ein Baby bekommen und schaffen es jetzt nicht mehr, sich auch noch um die beiden kleinen Hunde zu kümmern.

Aber lange werden Mia und Kayro vermutlich nicht im Tierheim bleiben: Im Corona-Lockdown schnellt die Nachfrage für Haustieren nach oben. „Bei uns melden sich jeden Tag Leute, die Tiere haben wollen“, sagt Philine Bestehorn, die als Tierpflegerin für die Hunde im Tierheim am Kirchweg zuständig ist.

Die Mitarbeiterinnen des Tierheims sind es zwar gewohnt, dass sich bei den Menschen der Region zu bestimmten Jahreszeiten der Wunsch nach einem Haustier verstärkt. Aktuell aber erleben sie eine schwierige Zeit, die bereits seit fast einem Jahr anhält. Die durch die Corona-Krise ausgelöste Konjunktur für Haustiere hat auch viele rücksichtslose und illegale Welpenhändler auf den Plan gerufen.

Sie handeln mit Tieren, die meist aus dem Ausland von nicht verantwortungsbewussten Züchtern stammen und per Internet verkauft werden. Zwei Klicks – und schon hat man ein neues Haustier. So mussten in den vergangenen Monaten mehrere Welpen aufgenommen werden, von denen einige verstorben sind. „Wir warnen immer wieder davor, Welpen aus dem Kofferraum heraus oder in Hauseingängen zu kaufen“, sagt Philine Bestehorn. „Die Verkäufer kommen dann mit dem Argument, wegen des Corona-Lockdowns dürften Fremde die Wohnung nicht betreten.“

Interessenten müssen eine schriftliche Selbstauskunft geben

Corona sorgt auch dafür, dass Tiere abgegeben werden – aber nur ganz selten. Zwei Hunde sitzen im Henstedt-Ulzburger Tierheim, deren Vorbesitzer sie wegen ihrer Infektion abgeben wollten. Doch es finden sich derzeit genügend einsame Nicht-Infizierte, die gerne ein Tier übernehmen. „Jetzt haben die Leute Zeit und merken plötzlich, dass sie sich gerne um ein Tier kümmern wollen“, sagt Philine Bestehorn. „Am liebsten natürlich Welpen und Babykatzen oder ausgesprochen unkomplizierte Tiere.“

Die Hürden sind allerdings hoch: Es sind nicht viele Tiere verfügbar, außerdem wird sehr genau geprüft, bevor ein Tier abgegeben wird. In „normalen Zeiten“ kommen die Mitarbeiterinnen des Tierheims ins Haus oder in die Wohnung, um zu sehen, wer ein Tier haben will und wie es später gehalten werden kann.

Weil das zurzeit nicht möglich ist, erfolgt die Vorabkontrolle auf elektronischem Wege: Per Skype verschaffen sich Philine Bestehorn und ihre Kolleginnen einen Einblick. Gibt es die Möglichkeit zum Skypen nicht, können auch Fotos vom möglichen neuen Zuhause eingereicht werden. Außerdem müssen die Interessenten eine schriftliche Selbstauskunft geben und auch glaubhaft machen, dass diese Auskunft richtig ist.

Nur zwei Katzen warten auf ein neues Zuhause

Philine Bestehorn ist froh, dass es all diese Möglichkeiten gibt: „Wir erkennen schnell, ob die Interessenten geeignet sind, ein Tier bei sich zu Hause aufzunehmen.“ Denn die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, wie problematisch es werden kann, wenn das Homeoffice wieder verlassen werden kann oder muss.

Dann werden die neuen Haustiere schnell zu einer Belastung, weil sie nicht lange alleine bleiben können. Das aus einer Laune heraus gewünschte Kuscheltier hat dann seinen Zweck erfüllt und wird überflüssig. Viele Tierschutzheime in Deutschland gehen davon aus, dass viele dieser Tiere eines Tages wieder in den Tierheimen landen.

Wie gefragt Tiere derzeit sind, zeigt ein Blick in das Henstedt-Ulzburger Tierheim: Nur zwei Katzen – so wenig wie noch nie – warten auf ein neues Zuhause. Dazu kommen aktuell acht Hunde und 20 bis 25 Kleintiere. Das Tierheim, in dem Fundtiere aus Norderstedt, Hen­stedt-Ulzburg, Kaltenkirchen, Ellerau sowie den Gemeinden aus den Ämtern Kaltenkirchen-Land und Kisdorf betreut werden, hat aber noch mit einem anderen Problem zu kämpfen.

Wegen des Lockdowns sind im vergangenen Jahr viele Geldspenden ausgeblieben. Das ist ein Phänomen, mit dem die Tierheime in Deutschland ganz allgemein zu kämpfen haben: Veranstaltungen, deren Erlöse an die Tierheime abgegeben werden, sind ausgefallen. Und niemand weiß, ob und wann sie in diesem Jahr wieder aufgenommen werden.

Das Tierheim benötigt dringend Geldspenden

Der Deutsche Tierschutzbund bekommt vermehrt Anfragen von Mitgliedsvereinen und Tierheimen, die um ihre Existenz bangen. Aber auch der Tierschutzbund finanziert sich hauptsächlich durch Spenden und kann deshalb in diesen Monaten nicht mehr so freizügig sein wie sonst üblich. Noch ist die Lage des Hen­stedt-Ulzburger Tierheims nicht so angespannt, dass die Existenz bedroht ist, aber ein finanzieller Engpass ist unübersehbar. Z

war wird die Hauptlast durch die beteiligten Städte, Gemeinden und Ämter getragen, aber dieses Geld allein hat noch nie gereicht, um alle anfallenden Kosten zu decken. „Wir sind auf Spenden angewiesen, weil zum Beispiel ständig Tierarztkosten anfallen“, sagt Philine Bestehorn. Geldspenden bleiben zwar weitgehend aus, Futter wird allerdings immer noch gespendet. Darüber sind die Tierheim-Mitarbeiterinnen froh.