Sülfeld. Kerstin Pukall geht seit Jahren mit ihren Hunden im Wald spazieren. Jäger wollte ihr das verbieten. Nun ermittelt der Staatsanwalt.

"Spazieren geh’n, das ist mit Hund, verpflichtend und daher gesund. Das brave Tier läuft nebenher – ach, wenn es doch so einfach wär." Die Verse aus dem Gedicht "Leinengassi" von Korinna Imle lassen erahnen, dass die Welt mit den geliebten Vierbeinern nicht immer rosabunt ist. Schon gar nicht, wenn ein "wild gewordener Jägersmann" plötzlich aus dem Gehölz hervorbricht, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Aber der Reihe nach.

Anfang Dezember um kurz nach 15 Uhr in einem Wäldchen in Borstel, einem Ortsteil von Sülfeld: Kerstin Pukall dreht mit ihren Hunden Rosalie und Paul eine Runde. So, wie sie es immer macht. Die Fotografin wohnt mit ihrer Familie seit vielen Jahren in einem der Einfamilienhäuser, die den Hagedornsweg an der B 432 zwischen Norderstedt und Segeberg säumen. "Ich ging mit meinen beiden kurz angeleinten Hunden im Wald hinter den Häusern spazieren. Plötzlich kam mir ein Jäger entgegen, stellte sich mir in den Weg und schrie mich an, was ich denn hier zu suchen hätte“, erzählt die Sülfelderin. "Ich sagte ihm, dass ich wie immer hier spazieren gehe.“

Jäger soll Hundehalterin angeschrien haben

Der Jäger, der mit einem Helfer unterwegs gewesen sei, sei dicht an sie herangetreten und habe sie im rüden Ton angefahren. "Er schrie ,Das dürfen sie nicht! Sie jagen die Rehe auf die B 432!‘“, so die Hundehalterin. Verdutzt habe sie dem Jägersmann gesagt, dass sie hier seit 20 Jahren mit ihren Hunden gehe. Und dass die Rehe in Sichtweite verharren würden, weil sie sich an die Anwesenheit von Mensch mit Hund im Wald gewöhnt hätten. "Ich bin selbst mit der Jagd groß geworden. Meine Eltern waren viele Jahre Jäger“, betont die Fotografin.

Doch das überzeugt den Jäger offenbar nicht. Heute sei es "das letzte Mal gewesen, dass sie den Wald betreten habe“, soll er gesagt haben. Schließlich kommt es zum Eklat. "Ich wollte weiter. Doch er hinderte mich wild gestikulierend am Weitergehen und kam mir gefährlich nahe kam“, sagt Pukall.

Spaziergang wird Fall für die Polizei

Als es der Frau gelingt, sich einen Schritt weit von dem Mann zu entfernen, habe sich der Jäger flugs auf die Hundeleine gestellt und dabei gegrinst. "Sein Helfer schaute zu und scharrte beiläufig mit den Füßen im Laub. Als ich dem Jäger drohte, die Polizei zu rufen, zückte er sein Handy und sagte, dass er das schon erledigen werde.“

Tatsächlich ruft der Jäger die Polizei. Eine Frau sei abseits des Weges unbefugt im Walde unterwegs und hetze mit ihren Hunden Rehe auf die Bundesstraße, habe er den Beamten am Telefon gesagt. „Ich traute meinen Ohren nicht. Wir befanden uns auf dem Waldweg. Ich riss mich los und bin mit meinen Hunden weitergegangen“, sagt die Sülfelderin.

Wald wird als Naherholungsgebiet genutzt


Noch unter dem Eindruck des Geschehens wählt Kerstin Pukall die 110 und schildert einer Polizistin den Vorfall. "Sie empfahl mir, den Mann wegen Nötigung anzuzeigen.“ Am Ende ihrer Runde steht ein Streifenwagen auf dem Weg. Die Polizisten konfrontieren sie mit den Vorwürfen des Jägers. Zu klären sei, ob sie sich auf einem öffentlichen Weg befunden habe, sagen ihr die Beamten. Ihr drohe ein Strafverfahren. "Ich dachte, ich höre nicht richtig. Seit 60 Jahren wird der Wald von uns und unseren Nachbarn in der Siedlung als Naherholungsgebiet genutzt.“

Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass der Jagdpächter über das Ziel hinaus schoss, sagt die Hundehalterin. "Meine Töchter kamen schon weinend nach Hause, nachdem er sie lautstark zurechtgewiesen hatte.“ Auch ihr Mann habe sich einmal massiv bedroht gefühlt, als der Jagdpächter eines Tages mit der Flinte in der Hand plötzlich vor ihm stand.

Lesen Sie auch:

Am Waldrand weist ein Schild mit einem Rehkopf und der Bitte, Hunde anzuleinen, Hundehalter ausdrücklich auf ihre Pflichten hin. Heißt das, dass Herrchen oder Frauchen auch abseits des Gemeindeweges mit dem Hund im Wäldchen Gassi gehen darf? Das Waldgesetz für das Land Schleswig-Holstein macht eine Ausnahme (§17, Ziffer3), die Hundebesitzern ein Betreten auf Waldwegen ausdrücklich erlaubt. Vorausgesetzt, ihre Vierbeiner sind ordentlich angeleint. Damit ist für Kerstin Pukall ist der Fall klar.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Da der Jagdpächter offenbar die Ansicht vertritt, es handle sich im Wald um reine Forstwege, erstattete er Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Betretungsrecht gegen die Anwohnerin. Die fühlt sich ebenfalls im Recht und erstattete ihrerseits Anzeige wegen Nötigung.

Bürgermeister wollte vermitteln – vergebens


Bürgermeister Karl-Heinz Wegner Wind versuchte zu vermitteln – vergeblich. "Der Jagdpächter hat das Recht sicherzustellen, dass nur auf öffentlichen Wegen mit angeleinten Hunden zu gehen ist“, betont er. Andererseits nutzten die Anwohner am Hagedornsweg – darunter vier Besitzer von zusammen sieben Hunden – das Wäldchen "seit vielen Jahren einvernehmlich und intensiv zur Naherholung“. Dazu würden selbstverständlich auch über viele Jahre ausgetretene Pfade beschritten. In der Vergangenheit, so Wegner, soll es allerdings Fälle gegeben haben, in denen mutmaßlich angeleinte Hunde Wild aufgeschreckt hätten, dass dann auf die rund 400 Meter entfernte Bundesstraße "geflüchtet“ sei. Gleichwohl sei die Ansprache des Jagdpächters "vielleicht etwas überzogen“ gewesen.

Der Jagdpächter will sich zu dem Vorfall nicht äußern. Er habe dem Bürgermeister signalisiert, seine Anzeige fallen zu lassen, sofern Pukall ihre Anzeige ebenfalls zurückziehe, heißt es. Doch Kerstin Pukall denkt gar nicht daran. "Wir wollen weiterhin mit unseren Hunden an der Leine in den Wald gehen können, ohne Gefahr zu laufen, dass uns jemand in unangemessener Art und Weise begegnet“, betont sie. Mittlerweile befasst sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Anzeige gegen den Jagdpächter.