Norderstedt. Abendblatt-Redakteur und Leserin berichten von Durcheinander bei den Terminvergaben für die Impfzentren in Schleswig-Holstein.

Wer in Schleswig-Holstein eine Impfung gegen Covid-19 buchen möchte, braucht derzeit Geduld, starke Nerven – und viel Glück. Am zweiten Anmeldetag sitze ich gemeinsam mit meinem 84 Jahre alten Großvater pünktlich um 8 Uhr morgens vor dem Monitor.

Er und meine Großmutter (85), beide leben im Norderstedter Stadtteil Garstedt, gehören zur ersten Bevölkerungsgruppe, die schon jetzt berechtigt ist, das Serum von Pfizer-Biontech zu erhalten. Dass das Impfzentrum in ihrer Heimatstadt zwar betriebsbereit, aber noch nicht eröffnet ist, ist zwar ärgerlich, aber eine knapp 30-minütige Fahrt nach Kaltenkirchen für diesen Zweck in Ordnung.

Kaltenkirchener Impfzentrum online nicht verfügbar

Denn die dortige Einrichtung hat ihre Arbeit ja aufgenommen, in dieser Woche werden täglich 60 Menschen geimpft. Nur: Für das offizielle Landesportal www.impfen-sh.de existiert das Zentrum im Kreis Segeberg zunächst nicht. 14 von 15 Standorte werden hier um kurz nach 8 Uhr angezeigt – nur Kaltenkirchen fehlt. Und daran ändert sich nichts, egal wie oft ich die Seite im Internetbrowser aktualisiere. Mit jedem Klick ändert sich die Anzahl der sichtbaren Zentren, manchmal sind es zwei, dann fünf oder sogar wieder acht, um 8.27 Uhr lesen wir erstmals: „Keine Termine verfügbar“. Ein paar Sekunden später wäre dann Prisdorf im Kreis Pinneberg wieder buchbar, auch Schönberg im Kreis Plön – das Symbolfoto mit blauem Himmel und Reetdachhaus ist sehr idyllisch – wäre zu bekommen.

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Vielleicht ist es doch besser, es telefonisch über die 116 117 zu versuchen? „Leider sind alle Leitungen belegt“, hören wir um 8.40 Uhr. Eine Minute darauf weist das Portal wieder eine Reihe von verfügbaren Impfzentren aus, doch Kaltenkirchen suchen wir vergeblich. „Keine Termine verfügbar“, heißt es um 8.50 Uhr – wir kennen das Spiel, aktualisieren den Browser, nun ploppen acht Standorte auf. Die 116 117 ist mittlerweile besetzt. Beim nächsten Anruf geht es in die Warteschleife. Nach sechs Minuten entscheiden wir uns, den Versuch abzubrechen. Dazu rät auch das Impf-Portal: „Danke für Ihr großes Interesse. Die Impftermine der zweiten Woche sind leider bereits ausgebucht.“ Man solle es doch am 12. Januar ab 8 Uhr erneut versuchen.

Norderstedterin wird telefonisch abgewiesen

Zeitgleich versucht in Norderstedt Heike Dierbach für ihren 84 Jahre alten, schwer herzkranken Vater, der auch Diabetiker ist, einen Termin in einem nahegelegenen Impfzentrum zu ergattern. Und verzweifelt. Zunächst wird ihr auf der Buchungsseite im Internet ein Impftermin angezeigt, doch im letzten Schritt erhält sie eine Fehlermeldung. „Dann hieß es plötzlich ‚Keine Termine verfügbar‘. Große Enttäuschung!“, schreibt sie dem Abendblatt in einer E-Mail.

Daraufhin wählt sie die 116 117. Doch sie scheitert erneut. Statt mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) verbunden zu werden, landete sie bei der KV in Hamburg. „Und der Herr sagte mir, die Termine in Hamburg sind nur für Hamburger, nicht für Norderstedter. Ich kann aber die 116 117 in Schleswig-Holstein gar nicht anwählen, auch über Handy nicht. Verbinden konnte man mich auch nicht.“ Trotz aller Bemühungen steht sie am Dienstagmorgen immer noch ohne lebenswichtigen Termin für ihren Vater da.

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Das Hamburger Abendblatt hat für Heike Dierbach bei der KVSH nachgefragt. Und in der Tat: Wer als Norderstedter die Telefonnummer der Kassenärztlichen Vereinigung wählt, landet in Hamburg. Immer. Das liegt daran, dass die Stadt Norderstedt eine Hamburger Telefonvorwahl hat. „Das Telefon weiß nicht, dass Norderstedt in Schleswig-Holstein liegt“, erklärt Nikolaus Schmidt, Sprecher der KVSH. Ihm ist die Problematik bekannt. Allerdings sei vereinbart, dass Norderstedter in der Hotline nach Schleswig-Holstein weitergeleitet werden, sagt Schmidt.

Leserin fordert bessere Organisation

Das hat im Fall von Heike Dierbach offenbar nicht funktioniert. „Norderstedter haben de facto derzeit keine Möglichkeit, telefonisch einen Impftermin zu buchen! Dies ist im höchsten Maße ungerecht, gerade bei dieser Gruppe. Wer keine Kinder hat, die per Internet buchen, hat keine Chance“, schreibt sie dem Abendblatt. Und appelliert an Landesregierung und KVSH: „Bitte sorgen Sie dafür, dass auch Norderstedter eine Möglichkeit zur telefonischen Buchung bekommen. Entweder, weil sie auch in Hamburg buchen können, oder durch eine separate Nummer. Wir haben alle unseren Beitrag im Kampf gegen die Pandemie geleistet. Wir erwarten nun, dass die Politik auch ihre Arbeit macht und die Impfungen besser organisiert.“

Am mangelnden Personal, das die Telefonanrufe der 116 117 betreut, scheitert die Organisation der Impftermine jedenfalls nicht, versichert Nikolaus Schmidt. „Die Hotline ist gut aufgestellt.“ Die Nachfrage sei einfach höher als das Angebot. „Es gibt noch zu wenig Impfstoff. Nach bisheriger Erfahrung läuft ansonsten alles gut ab im Impfzentrum.“

Nach einer Stunde Wartezeit klappt die Buchung

In Garstedt endet der morgendliche Anmelde-Marathon mit einer Überraschung. Eher intuitiv haben wir die „Zurück“-Taste im Browser geklickt. Es ist 9.02 Uhr, und nun ist das Kaltenkirchener Impfzentrum gelistet. Und zwar mit einer ganzen Reihe verfügbarer Termine. Jetzt geht es schnell, um 9.04 Uhr ist die Impfung gebucht, die Bestätigungsmail kommt prompt. Erklären lässt sich das aus Sicht eines Benutzers nicht, das Verfahren gleicht in diesem frühen Stadium einer Lotterie, zielgruppengerecht ist es auf jeden Fall nicht.

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Das schleswig-holsteinische Gesundheitsministerium hat zunächst keine Antwort parat, warum das Kaltenkirchener Impfzentrum auf www.impfen-sh.de knapp 60 Minuten nicht verfügbar war. Vermutlich nur wer das Glück hatte, telefonisch durchzukommen, konnte im Kreis Segeberg einen Termin buchen. Zur Erinnerung: Schon am ersten Anmeldetag (29. Dezember) hatte es eine Panne gegeben, als irrtümlich das Wahlstedter Zentrum gelistet gewesen war, sodass diese Buchungen nachträglich abgeändert werden mussten.

Um 8.24 Uhr, so ein Sprecher, seien alle Buchungen für die zweite Impf-Woche vergeben gewesen. 15.000 Termine für die gekoppelte Erst- und Zweitimpfung 21 Tage später gab es. „Es gibt Leute, die Termine buchen, dann stornieren und sich für andere Zeiten entscheiden“, so der Sprecher. Also könnte es sich bei den Kaltenkirchener Terminen um „Rückläufer“ handeln. Trotzdem werden viele Segebergerinnen und Segeberger wieder leer ausgegangen sein.