Bad Bramstedt. Tag 71 seiner Fahrradreise führt Oliver Trelenberg von Bad Bramstedt nach Wedel. Bürgermeisterin Verena Jeske und Bürgervorsteherin Annegret Mißfeldt verabschieden den 54-Jährigen am Montagmorgen am Rathaus und überreichen ihm einen Spendenscheck und Müsliriegel als Verpflegung für die Fahrt. Anfang Juli ist Oliver Trelenberg in seiner Heimatstadt Hagen aufgebrochen, um in 83 Tagen mehr als 4000 Kilometer quer durch Deutschland zu fahren. Seine Mission: Er sammelt Spenden für schwer kranke Kinder. Für Trelenberg ist jeder Kilometer, den er auf dem Rad zurücklegt, ein Geschenk. Nicht nur, weil er seine Leidenschaft mit dem guten Zweck verbinden kann. „Das Radfahren hält mich am Leben“, sagt er.
An seinem Hals ziehen sich zwei lange Narben entlang. Auf der rechten Seite streift eine Narbe den Flügel eines tätowierten Schmetterlings. Vor sieben Jahren erkrankte Oliver Trelenberg an Kehlkopfkrebs. Seitdem lebt er ohne Kehldeckel. Bei jedem Schluck, den er trinkt, und jeder Mahlzeit, die er isst, muss er Angst haben zu ersticken. „Das ist eine große Belastung“, sagt Trelenberg. Zwar sei er krebsfrei, aber seine Seele habe sich noch nicht von der Erkrankung erholt. „Ich musste mich zum ersten Mal mit dem Tod auseinandersetzen.“ Nur ein Viertel des Stimmbandes ist übriggeblieben. Der Nordrhein-Westfale hat großes Glück, noch sprechen zu können.
In diesem Jahr fährt Trelenberg seine fünfte Spendentour
Durch eine verengte Luftröhre ist er extrem kurzatmig. Steigungen mit dem Fahrrad kann er nicht mehr bewältigen. „Da muss ich absteigen und schieben“, sagt er. In diesem Jahr fährt Trelenberg bereits seine fünfte Spendentour. Angefangen hat er 2016. Zum ersten Mal ist er mit einem E-Bike unterwegs. „Das Leben verändert sich nach so einem Eingriff am Körper.“ Aber das Radfahren würde Trelenberg niemals aufgeben. Es macht seinen Kopf frei, lässt ihn seine Sorgen vergessen. Die frische Luft und Bewegung tun ihm gut. „Für meine Psyche ist das Fahrradfahren enorm wichtig.“
Oliver Trelenberg hatte es nicht immer einfach im Leben. „Mein Vater war ein saufender Tyrann. Meine Mutter verprügelte mich.“ Im Alter von elf Jahren verfiel Trelenberg selbst dem Alkohol. „Ich habe gemerkt, dass ich zu meinen Kumpels auf der Straße, mit denen ich gesoffen habe, ein besseres Verhältnis als zu meiner Familie hatte.“
Trelenberg, der in Schwerte aufwuchs, landete zweimal im Gefängnis. Anschließend war er für eine kurze Zeit obdachlos. Seinen Kummer ertrank er im Alkohol. Mit Gelegenheitsjobs hielt er sich über Wasser. Erst während seiner zweiten Ehe schaffte er es, mit dem Trinken aufzuhören. „Eines Morgens bin ich aufgestanden, habe mein letztes Bier getrunken und den Alkohol nie wieder angefasst.“ Das war 2003. Trelenberg ließ sich scheiden und begab sich in Behandlung.
Jahrelang lebte Oliver Trelenberg von Hartz IV
Doch mit dem Ende seiner Abhängigkeit begann der soziale Abstieg. „Irgendwann hast du keine Kraft mehr, um zu arbeiten. Ich habe Medikamente von den Psychiatern bekommen, da hättest du normalerweise einen Elefanten mit abschießen können.“ Jahrelang lebte Oliver Trelenberg von Hartz IV. Jetzt kommt er gerade so mit einer niedrigen Rente über die Runden. Obwohl der leidenschaftliche Radfahrer selbst von Armut bedroht ist, sammelt er Spenden für andere Menschen, die in einer ähnlich schweren Situation stecken.
Der Verein Flying Hope, den Trelenberg diesmal unterstützt, vermittelt kostenlose Flüge für Kinder, die aufgrund ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf normalem Weg nicht transportfähig sind und nicht die nötigen finanziellen Mittel haben. Die Flüge bringen sie zu medizinischen Behandlungen oder Kuraufenthalten.
Mit den vergangenen Radtouren hat er 30.000 Euro Spendengelder gesammelt
Jedes Jahr unterstützt Trelenberg ein anderes Projekt. Mit den vergangenen Radtouren hat er bereits 30.000 Euro Spendengelder gesammelt, die direkt an die Vereine geflossen sind. Der Oberbürgermeister von Hagen hat sämtliche Bürgermeisterkollegen auf der Strecke von Trelenberg angeschrieben, mit der Bitte, den Radfahrer zu unterstützen. Sei es mit kostenlosen Übernachtungen oder Spenden. „Wenn eine Übernachtung nicht organisiert ist, dann zahle ich sie selbst. Trotz meines kleinen Einkommens.“ Sein Weg führte Trelenberg unter anderem nach Saarbrücken, Stuttgart, München, Bamberg, Magdeburg, Flensburg und Bad Bramstedt. Allen interessierten Menschen erzählte er seine Geschichte und gab ihnen einen Flyer. Von 800 Stück sind nur noch 120 übrig. Am 26. September will Trelenberg zurück in Hagen sein. Bis dahin hat er noch ein paar Tage und Kilometer vor sich. „Ich beschäftige mich nicht mit der Entfernung, sondern lebe im Moment“, sagt er. Denn Trelenberg ist dankbar für jeden neuen Tag.
Wer das Projekt unterstützen möchte, kann hier spenden: Bankverbindung: Stadt Hagen, Sparkasse HagenHerdecke, IBAN: DE23 4505 0001 0100 0004 44, BIC: WELADE3HXXX, Verwendungszweck: Spende Flying Hope, Kassenzeichen: 800900009620. Mehr Infos: www.oli-radelt.de.
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