Bad Bramstedt

Diesen Käse-Ersatz essen auch Veganer

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Christopher Herbst
Axel (rechts) und Cedric Brinkhaus stellten ihre Produktion 2013 komplett um – seitdem wird keine Milch mehr verwendet.

Axel (rechts) und Cedric Brinkhaus stellten ihre Produktion 2013 komplett um – seitdem wird keine Milch mehr verwendet.

Foto: Christopher Herbst

Die Firma Brinkhaus aus Bad Bramstedt findet mit ihrem Sortiment „Veggi Filata“ auch international immer mehr Abnehmer.

Bad Bramstedt.  Ernährung und Essen ist für viele Menschen eine sehr ernste Angelegenheit. So ernst, dass es für konsequente Carnivoren entweder eine blanke Provokation sein kann, was die Familie Brinkhaus herstellt – oder für die Gegenseite schlicht dem Zeitgeist entspricht. Denn wer sich intensiv mit der Herstellung von Produkten, mit Lieferketten, Inhaltsstoffen oder sogar ethischen Fragen auseinandersetzt, gelangt irgendwann möglicherweise zu einer Grundsatzentscheidung. Tiere essen oder nicht, tierische Produkte verwenden oder Alternativen suchen.

Wer hundertprozentig verzichtet, ist Veganer. Schätzungsweise gibt es in Deutschland rund 1,3 Millionen (Vegetarier: circa acht Millionen). Das heißt nicht, dass nur noch Rohkost auf den Teller kommt. Doch einiges ändert sich grundlegend. „Leckere Alternative zu Käse“, ist auf das Etikett von Veggi Filata gedruckt. „Die Leute erwarten schon, dass es Käse so nah wie möglich kommt“, sagt Cedric Brinkhaus.

Früher war die Firma klassische Käserei

Der 30 Jahre alte gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann ist Vertriebsleiter, sein Vater der Geschäftsführer der gleichnamigen GmbH. Axel Brinkhaus, 54 Jahre alt, denkt nicht in Dogmen, hat auch kein Problem mit Fleischkonsum. Er ist sogar gelernter Molkereimeister, machte seine Ausbildung einst in einer Meierei. Kuhmilch war mehr oder weniger sein Leben. Und prägte auch den Standort der Firma im Memellandweg. Seit Ende der 1940er-Jahre habe es hier eine Käserei gegeben, sagt er. Schwerpunkt war die Verarbeitung. „Es wurden keine Produkte aus frischer Milch hergestellt, sondern immer Schmelzkäse. Dann haben sich mehrere Käsereien zusammengetan und dieses Unternehmen gekauft.“

Die Ware wurde in Blöcken gekauft, dann beispielsweise zu Käsesoße eingeschmolzen. 1994 erhielt Axel Brinkhaus das Angebot, Geschäftsführer zu werden, drei Jahre später kaufte er den Betrieb selbst. Und sah sich den herausfordernden Marktbedingungen ausgesetzt mit steigenden Milchpreisen.

Ohne Milch kein Käse. Aber ohne vertretbare Einkaufspreise würde das Unternehmen irgendwann Probleme bekommen, das war abzusehen. Und so kam der Impuls von Danielle (27), der Tochter von Axel Brinkhaus, vielleicht genau zur richtigen Zeit. Sie ist Vegetarierin und schloss ihr Studium mit einem Bachelor in Lebensmitteltechnologie ab, war in diesem Sinne das fehlende Puzzlestück, um 2013 neu zu starten.

Die Idee: Wenn sich Käse nicht mehr lohnen würde, wäre ein veganes Produkt perspektivisch lukrativer. Eine Garantie gab es dafür nicht, die fleisch- und tierfreie Ernährung wurde anfangs als Trend abgetan, der sich schon wieder beruhigen würde. Doch die Familie ist überzeugt, eine Marktlücke besetzt zu haben. „Wir haben uns gleich entschieden, auf Bio zu setzen, es ist die saubere Lösung.“, so Cedric Brinkhaus.

Zusatzstoffe und Stabilisatoren sind also tabu. „Es kann nicht eins zu eins so werden wie das Produkt einer Kuh, es wird immer etwas anderes sein. Aber die Menschen sind offen“, sagt er. Die Produkte basieren auf Kartoffel und Kokos, teilweise sind auch Lupinen zugesetzt. Axel Brinkhaus: „Von der Farbe ist es dem Gouda und Edamer ähnlich. Und es schmilzt hervorragend.“

Das ist für den Konsumenten entscheidend. Wenn der Käseersatz auf einer Pizza oder einen Auflauf nicht schmilzt, sondern nur trocken gebacken wird, ist das kein Genuss. Die Produktpalette ist bewusst überschaubar. Für das Frühstücksbrot gibt es Scheiben sowohl in mildem Geschmack als auch mit Kräutern, Schmelz ebenso in mild oder in herzhaft. Später kamen auch Bällchen in Mozzarella-Art hinzu. Doch was in Supermärkten ausliegt, ist nicht alles. „In Italien gibt es Pizzaproduzenten, die komplett vegan herstellen“, sagt Axel Brinkhaus. Auch Spanien sei im Kommen.

Bisher wird in 15 Länder exportiert, darunter sogar Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Hauptabsatzmarkt ist aber die Europäische Union. „Der Binnenmarkt ist für uns ein Segen“, so Cedric Brinkhaus. Doch auch innerhalb der EU gibt es Unterschiede. Die Akzeptanz für vegane Produkte ist in den östlichen Mitgliedsstaaten kleiner. „Fleisch ist fest in deren Gesellschaften verankert. Der vegane Markt entwickelt sich dort erst.“ Russland sei wegen der laufenden Wirtschaftssanktionen überhaupt kein Faktor, ist nicht einmal auf den Fachmessen vertreten. Die Volksrepublik China wäre interessant, ist aber zu weit entfernt. „Und aus den USA bekommen wir Anfragen, aber das ist ein spezieller Bereich.“ Die Regularien der FDA, also der US-Lebensmittelüberwachungsbehörde, sind so gemacht, dass sie ausländische Marktteilnehmer benachteiligen. Das war schon vor Trump so.

Lebensmittel dürfen nicht „Käse“ heißen

Die Bramstedter Firma wächst auch ohne Übersee-Kontakte. Irgendwann wird der Standort jedoch an seine Grenzen stoßen. In den letzten Jahren wurden die Anlagen bereits modernisiert. Mit lediglich acht Mitarbeitern wird die Produktion derzeit noch bewältigt, es wird stets in einer Tagesschicht, also nicht im 24-Stunden-Einsatz, gearbeitet. Was sich die Familie Brinkhaus von der Politik wünschen würde, wäre beispielsweise weniger Bürokratie bei der Ausfuhr in Staaten außerhalb der EU. So ist ein „käseähnliches Produkt auf Basis von Kartoffelstärke und Kokos“ rein zolltariflich überhaupt nicht vorgesehen.

Einfach „Käse“ wird Veggi Filata nie genannt werden dürfen. „Es gibt eine Käseverordnung, die festlegt, was als Käse bezeichnen werden darf und was nicht. Und die sagt klar: Es geht nicht“, sagt Cedric Brinkhaus.

Wirklich relevant ist das für ihn und seinen Vater nicht, sie wollen nicht kleinteilig über Lebensmittelbezeichnungen diskutieren. Uneingeschränkt überzeugt ist Axel Brinkhaus aber von einer Sache: „Die Produkte haben Zukunft.“

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