Mit großer Mehrheit stimmten die Kleingärtner für eine Begrenzung der Aufnahme von Migranten. Bürgermeister droht ihnen mit Kündigung.

Norderstedt. Zuerst gab es bei der Anliegerversammlung des Kleingartenvereins Harksheide am Kringelkrugweg ein "schmackhaftes Grünkohlessen", wie es im Protokoll der Sitzung heißt. Unter Tagesordnungspunkt 8 diskutierten die 70 Anlieger dann das Thema Neuaufnahmen. Nach hitziger Debatte und vielen Beschwerden über "Gartenfreunde mit Migrationshintergrund" wurde anonym über die zukünftige Vergabe der Parzellen abgestimmt. Das Ergebnis der Abstimmung fällt beschämend aus.

Die Kleingärtner stimmten mit großer Mehrheit von 41 Stimmen für eine Begrenzung der Aufnahme von Migranten. Auf nur noch 12,5 Prozent der Parzellen, also auf gerade mal neun von 73 Gartengrundstücken, wollen die Kleingärtner Migranten und ihre Familien akzeptieren. Noch dazu nicht irgendwelche Migranten, sondern exakt ein Viertel Türken und Araber, ein Viertel Osteuropäer und der Rest "sonstiger Herkunft". Derzeit liegt der Anteil der Migranten am Kringelkrugweg bei 18 Prozent. Würde die Abstimmung der Mitglieder streng umgesetzt, müssten Migranten ihre Parzellen also räumen.

Es gab elf Kleingärtner, die gegen jegliche Begrenzung stimmten. Ein alteingesessener Gartenfreund soll in der Sitzung völlig ausgerastet sein. Er habe die übrigen Mitglieder als Nazis beschimpft. Dem Vorsitzenden des Kleingartenvereins, Gerd Kühl, entgegnete er laut Protokoll: "Wir hatten schon mal einen Führer, allerdings mit Bärtchen!"

Der Oberbürgermeister droht mit der Kündigung des Pachtvertrages

Aus den Reihen der Gartenfreunde, die sich über den Skandal der Abstimmung bewusst waren, gelangte das Protokoll der Sitzung ins Norderstedter Rathaus. Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote entschied sich umgehend zu einer ebenso klaren wie drastischen Reaktion. In einem Brief fordert Grote die Kleingärtner eindringlich auf, den gefassten Beschluss in einer kurzfristig anzusetzenden Mitgliederversammlung umgehend aufzuheben. Andernfalls, so droht Grote, werde er intensiv prüfen, ob die Abstimmung nicht ein außerordentlicher Kündigungsgrund für den Pachtvertrag des Kleingartengeländes ist, das sich im Besitz der Stadt befindet. "Diese Flächen wurden Ihnen überlassen, unter der Maßgabe, dass Sie diese im Sinne Ihrer Vereinssatzung, der Satzung Ihres Landesverbandes und der Gesetze der Bundesrepublik Deutschland nutzen", schreibt Grote. Und deswegen gelte auch am Kringelkrugweg der Artikel 3, Absatz 3, Satz eins des Grundgesetzes, wonach "niemand wegen seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Heimat und Herkunft wegen benachteiligt oder bevorzugt werden darf". Grote verlas den Brief am Montag während der Sitzung des Hauptausschusses und erntete von den Vertretern aller Parteien Unterstützung und Zustimmung.

"Ich kann die Empörung von Herrn Grote gut verstehen", sagt Gerd Kühl. Der Vorsitzende des Kleingartenvereins versucht seit Tagen, den Eindruck zu zerstreuen, dass es sich bei den Kleingärtnern vom Kringelkrugweg um eine Ansammlung von Rassisten und Ausländerhassern handelt. Der Spitzname "Braune Gartenzwerge" macht in der Stadt die Runde. "Unsere Beweggründe für diese Abstimmung waren lauter", sagt Kühl. "Und man muss das Ergebnis vor dem Hintergrund der Enttäuschung der Mitglieder sehen, die sich mit ihren Bemühungen für die Integration der Migranten auf unserem Gelände gescheitert sehen und enttäuscht sind." Tatsächlich glauben Kühl und die Kleingärtner, für die er spricht, dass sie alles dafür getan hätten, damit sich die Migranten in ihrer Gemeinschaft wohl fühlen können. "Doch es häuften sich die Beschwerden, leider immer besonders über die Osteuropäer", sagt Kühl. Deutsche drohten, die Parzelle zu kündigen, falls noch mehr "von denen" kommen würden.

Was genau haben sich die Migranten denn zuschulden kommen lassen am Kringelkrugweg? Gerd Kühl denkt nach und gibt ein Beispiel. Ein Gartenfreund habe sich beschwert, dass er nun links, rechts und schräg gegenüber Migranten-Nachbarn habe. Und die würden auch noch eine Abkürzung auf ihre Parzellen nutzen, die über eine Ecke seines Grundstücks laufe, obwohl er das mehrfach verboten habe.

Aus den Gartenfreunden sind längst Gartenfeinde geworden

Ist das alles? "Sie pflegen ihre Gärten und sie machen alle Pflichten, auch die Gemeinschaftsarbeit. Aber sie sind nicht mittendrin, sondern nur außen vor", sagt Kühl. Will meinen: Sie kommen nicht auf die Versammlungen und bringen sich nicht ein. Die Kleingärtner haben also Angst um ihre Gemeinschaft, die aus ihrer Sicht von desinteressierten Migranten zerstört wird. Die Abstimmung zeigt, was der eigentliche Grund für die Zurückhaltung der Migranten im Kleingartenverein sein könnte. Denn auch Kühl gibt zu, dass etliche deutsche Mitglieder auf dem Gelände sich ebenso wenig für die Gemeinschaft interessieren. Verurteilt werden für dieses Verhalten aber nur die Migranten - und dann auch noch gleich mit dem fast völligen Ausschluss aus der Gemeinschaft.

Gerd Kühl sagt, mit der Abstimmung habe er als Vorsitzender versucht herauszufinden, "wie die Anlage tickt". Jetzt weiß er, sie tickt zu einem Gutteil ausländerfeindlich. Auch wenn er das nicht so drastisch sehen will, weil er es als einen Ausdruck der Enttäuschung über die gescheiterte Integration der Migranten im Verein relativieren möchte. Mit der Frage, wie er mit den jetzt offen zutage getretenen Ressentiments gegen Migranten im Verein umgehen will, scheint Kühl überfordert zu sein. In einem Gespräch mit der Norderstedter Verwaltung und in einem Brief an Oberbürgermeister Grote hat Kühl sich bereits entschuldigt für die Abstimmung. Auch bei den empörten Verantwortlichen beim Landesverband der Kleingärtner musste Kühl die Wogen glätten. Schwieriger dürfte dies auf der Anlage am Kringelkrugweg werden: Die Gartenfreunde sind zu Gartenfeinden geworden.(abendblatt.de)