Kreis Segeberg. Ob die qualmende Zigarette in Malek Fathis Mundwinkel gegen die Kälte hilft, wissen seine Kollegen nicht genau. Sicher ist, dass ihn die drei übereinander angezogenen Hosen halbwegs vor den Minusgraden schützen. Und die Kapuze unter dem Helm. Und die dicken Handschuhe. Auf der Baustelle weht der kalte Wind bei minus fünf Grad ungebremst zwischen Betonpfeilern und Stahlmatten. Von oben dröhnt der Verkehr der Autobahn. Malek Fathi und sein Kollege Stefan Groitoru könnten sich einen gemütlicheren Arbeitsplatz vorstellen, als die Brücke der A 7 über die Gleise der AKN und die Bahnstraße in Ellerau. Doch sie machen ihren Job: Sie fügen Stahlstange für Stahlstange zusammen. Das Gerüst soll den Beton für das Fundament der neuen Brückenhälfte stabilisieren, die hier entsteht. Wo jetzt die beiden Männer und ihre Kollegen frieren, wird der Verkehr 2018 sechspurig rollen.
Die Brücke ist nur ein kleiner Abschnitt auf Schleswig-Holsteins größter Baustelle. Die ersten neuen Fahrbahnen der A 7 sind fertig. Rechtzeitig, noch bevor die Temperaturen unter null Grad fielen, hat das Baukonsortium Via Solutions Nord (VSN) auf den Bauabschnitten zwischen Schnelsen-Nord und dem Bordesholmer Dreieck auf einer Länge von 29,6 Kilometern den Beton für neue Fahrspuren verlegt und damit das selbst gesteckte Ziel erreicht. Dort soll demnächst der Verkehr fließen, wenn die Verkehrsführung in den Baustellen verschwenkt wird. Dann wird gebaut, wo jetzt noch die Autos fahren. Im zweiten Quartal dieses Jahres soll es soweit sein. „Wir sind im Plan“, sagt VSN-Sprecher Christian Merl. Ende 2016 oder Anfang 2017 wird voraussichtlich der erste, komplett neue sechsspurige Abschnitt fertiggestellt. Die Autofahrer zwischen Neumünster-Nord und dem Bordesholmer Dreieck werden die ersten sein, die sich auf das neue Fahrgefühl freuen können.
Im Winter wird an den Brücken gearbeitet
Arbeiten an den Fahrbahnen sind seit dem Wintereinbruch nicht mehr möglich. Frost und der wasserhaltige Beton vertragen sich nicht. An den Brücken gehen die Arbeiten jedoch weiter. Mit doppelten Verschalungen ist der Beton vor der Kälte geschützt. „Wenn es richtig kalt wird, dann heizen wir“, sagt Christian Merl. Bauarbeiter würden dann Leitungen mit fließendem Wasser um den Beton herumführen.
Malek Fathi, Stefan Groitoru und ihre Kollegen arbeiten in Ellerau an einer der vielen halben Brücken der Großbaustelle A 7. Auf der alten Hälfte fahren noch die Autos auf zwei Spuren in beide Richtungen. Stahlwände und massive Verschraubungen sorgen dafür, dass die halbierte Brücke der Last Tausender Fahrzeuge pro Tag standhält. Der neue, deutlich breitere Teil wird gleichzeitig neu gebaut. Ist dieses Bauwerk fertig, wird der Verkehr dort rollen, und die Bauarbeiten ersetzen den alten Rest durch einen Neubau. Dass an dutzenden Brücken der A 7 derzeit 120 Menschen arbeiten, nehmen die meisten Autofahrer nicht wahr. „Was hier unten passiert, sieht kein Mensch“, sagt Christian Merl.
Jeder Bach und jeder Feldweg, der die Autobahn kreuzt, muss neu überbrückt werden, weil die Autobahn in die Breite geht. Zu diesen 58 Überführungen kommen 14 große Brücken wie die in Ellerau, die komplett neu gebaut werden. Die komplizierten, eng aufein-ander abgestimmten Bauarbeiten werden dazu führen, dass auch in diesem Jahr Vollsperrungen der A 7 geplant sind. „Außerhalb der Ferienzeiten und nach Möglichkeit nachts oder am Wochenende“, verspricht Merl.
Trotz aufwendiger Suche: keine Blindgänger
Zu den Arbeiten, die im Winter möglich sind, zählen außerdem der Bau von Lärmschutzwällen und Entwässerungsschächten. Merl und seine Kollegen sind bislang mit den Arbeiten zufrieden, die im Plan liegen und bislang nicht zu den befürchteten Superstaus und schweren Unfällen geführt haben. Dass der Verkehr halbwegs flüssig fließt, führt das Baukonsortium in erster Linie auf die Breite der Fahrspuren zurück. Sie liegt deutlich über der Norm, die für Autobahnbaustellen zugelassen ist. Damit zogen Bund und Baukonsortium die Konsequenz aus dem sechsspurigen Ausbau der A 1 zwischen Hamburg und Bremen. Auf den schmalen Spuren war es zu vielen schweren Unfällen gekommen.
Nicht im Plan lagen bei den Bauarbeiten die vielen Sondierungen des Bodens auf der Suche nach Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg. Nachdem britische Behörden im vergangenen Jahr weitere, bis zu 70 Jahre alte Aufklärungsfotos zur Verfügung gestellt hatten, musste Via Solutions Nord doppelt so viele Flächen wie geplant von Fachfirmen untersuchen lassen. Blindgänger wurden jedoch nicht gefunden.
Via Solutions Nord baut auch auf Hamburger Gebiet die A 7 zwischen dem Dreieck Nordwest und Schnelsen-Nord aus. Das Unternehmen informiert aktuell über die Abschnitte auf http://www.via-solutions-nord.de/planneu
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