Kaltenkirchener Christen wollen Verwandte aus Syrien nach Deutschland holen und scheitern bislang an den Behörden

Kaltenkirchen . Soweit habe es nicht kommen dürfen, sagt Younan Abdal aus Kaltenkirchen. In der vergangenen Woche stürmte die Terrormiliz Isis im Norden Syriens 35 Dörfer, die von assyrischen Christen bewohnt werden. Sie verschleppte mehr als 200 von ihnen, andere konnten fliehen. Unter ihnen auch die Schwiegereltern des Kaltenkircheners.

Seit mehr als zwei Jahren bemüht er sich nach eigener Aussage um eine Ausreise seiner Verwandten, immer in der Sorge, irgendwann könnte es zu spät sein. „In der vergangenen Woche sind bis zu zehn Dörfer angegriffen und umzingelt worden“, berichtet er. In den Dörfern entlang des Flusses Chabur im Norden Syriens waren neben kurdischen Kämpfern auch Angehörige der assyrischen Miliz stationiert. Aber die Angreifer waren übermächtig, die Verteidiger hätten keine Chance gehabt, so Abdal.

In den assyrischen Dörfern leben bis zu 60.000 Menschen

Seine Schwiegereltern gehörten zu denen, die in die Provinzhauptstadt Hassaka fliehen konnten. Auch die Brüder und Schwestern seiner Mutter befinden sich nun in der Stadt, die vor allem von regierungstreuen Truppen und den mit den Assyrern verbündeten Kurden kontrolliert wird. Für seine Verwandten und die anderen Flüchtlinge herrsche dort Sicherheit, sagt Abdal, der vor allem über Facebook mit den Verwandten in Verbindung steht.

„In den 35 assyrischen Dörfern leben etwa 50.000 bis 60.000 Menschen, da kennt jeder jeden. Ich kenne die, die gefangen genommen worden sind und die, die am Wochenende frei kamen.“ Ihn bedrückt die Lage sehr, noch schlimmer allerdings geht es seiner Frau. Sie habe sehr mit der Situation zu kämpfen, sagt Abdal, die Ungewissheit und die Sorgen machten krank. „Man kann nur Spenden, Liebe geben, Herz geben und hoffen und beten“, sagt er.

Unterstützt wird er unter anderem von dem CDU-Landtagsabgeordneten Axel Bernstein aus Wahlstedt und von der katholischen Pfarrgemeinde Jesu Guter Hirt Bad Bramstedt-Kaltenkirchen, die er regelmäßig besucht. Kurzfristig wurde am vergangenen Wochenende für die bedrängten assyrischen Christen Geld gesammelt. Schließlich hätten etwa 4000 bis 5000 Flüchtlinge keine Kleidung und kein Essen, sagt Abdal und bekräftigt: „Die müssen da raus!“ Die Spenden werden nach seinen Angaben über die assyrische Kirche – in Deutschland sitzt sie in Wiesbaden – nach Syrien geschickt.

Die Pfarrgemeinde unterstützt Abdal auch bei dem Versuch, seine Verwandten nach Deutschland zu holen. Bislang war alles vergeblich, auch wenn seine Schwiegereltern vor zwei Jahren in der deutschen Botschaft im Libanon waren und einen Antrag stellten, was die Voraussetzung für ein Visum ist, erklärt Abdal. Nun fordere die Ausländerbehörde von ihm selbst jedoch bis zu 15 Voraussetzungen, damit seine Verwandten nach Deutschland kommen können. „Seit über einem Jahr liegen die Unterlagen in Kiel, und es hat sich nichts getan“, sagt Abdal. Immer wieder rufe er an und frage, wie es weitergeht. Aber er wird immer vertröstet.

„Ich appelliere an die Bundesregierung, dass sie die Visumspflicht für assyrische Christen aus Syrien erleichtert“, sagt er. Dasselbe habe Frankreich vor zehn Jahren für die assyrischen Christen aus dem Irak getan, danach konnten viele ausreisen. „Es kann doch nicht sein, dass meine Verwandtschaft verhungert“, sagt er. Und selbst wenn die Einreise nach Deutschland erlaubt würde, wäre es für die Eltern seiner Frau und auch alle anderen gefährlich, aus dem Nordosten Syriens in den Libanon zu reisen, um dann nach Deutschland zu fliegen. Teilweise fliegen noch Flugzeuge, aber die Wartelisten sind lang. Alternativ bleiben Busse für die etwa 800 Kilometer lange Strecke. „Über Land werden sie bis zu 30-mal kontrolliert, von der syrischen Armee und wenn sie Pech haben von der Isis. Das ist eine ganz riskante Sache“, weiß Abdal.

Abdal setzt auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft

Im Land zu bleiben sei für die kleine Minderheit derzeit keine Alternative, sagt der Kaltenkirchener. „Die Assyrer hatten es vor dem Bürgerkrieg in der Assad-Zeit noch gut gehabt“, sagt er. Sie hätten Kirchen bauen und ihr Leben leben können. Seit dem Ausbruch der Kämpfe werde es aber immer schlimmer. Der negative Höhepunkt sei nun der Angriff auf die Dörfer. Zwar wolle die Mehrzahl der betroffenen assyrischen Christen nicht aus Syrien fliehen, vermutlich bleibe ihnen als kleine nicht-muslimische Minderheit aber nicht viel anderes übrig.

Was das Ende des Bürgerkriegs angeht, setzt Abdal auf die internationale Gemeinschaft. „Die UN muss handeln, Europa muss handeln, und Amerika muss handeln“, sagt er. Solange das aber nicht nachhaltig hilft, versucht er weiter, seine Verwandten nach Deutschland zu bekommen und hofft, dass nicht bald ganz zu spät ist. „Man muss auf ein Wunder hoffen“, sagt er.