Alzheimer-Gesellschaft des Kreises Segeberg bietet in Norderstedt erstmals Telefonsprechstunden an

Norderstedt . Auf diesen Service werden viele Angehörige der etwa 3000 an Demenz erkrankten Menschen im Kreis Segeberg schon lange gewartet haben. Die Alzheimer-Gesellschaft des Kreises mit Sitz in Norderstedt bietet jetzt erstmals eine Sprechstunde an, bei der sich die pflegenden Angehörigen aus erster Hand bei einem ehemals selbst Betroffenen informieren können.

Jürgen Schildt, 70, der als Vorruheständler gut zehn Jahre lang seine unheilbar an präseniler Demenz vom Typ Alzheimer erkrankte und inzwischen verstorbene Ehefrau betreut und gepflegt hat, will anderen helfen, die wie er damals dieses Schicksal zu tragen haben, dass ihr Liebster plötzlich sein Gedächtnis verliert. „Ich habe über die Alzheimer-Gesellschaft sehr viel Hilfe und Unterstützung bekommen und möchte meine Erfahrungen an andere Betroffene weitergeben“, sagt Schildt über seine Motivation.

Das könnten ganz einfache Ratschläge sein, über die sich ein Außenstehender keine Gedanken macht, bis er selbst damit konfrontiert sei, erklärt der Norderstedter an einem anschaulichen Beispiel. Da wollte ein dementer alter Mann immer wieder seine längst verstorbene Mutter besuchen, und seine Frau wusste nicht, was sie machen sollte. Eine gute Lösung sei dann gewesen, auf das an sich sinnlose Projekt einzugehen und sich mit dem Kranken auf den Weg zu machen, bis der dann von selbst sagt, er möchte lieber wieder nach Hause, erzählt der Experte. „Man muss die Kranken ablenken und darf sie nicht vor den Kopf stoßen und mit Wahrheiten konfrontieren, die sie nur verstören“, weiß Jürgen Schildt aus eigener Erfahrung. Mit dem Demenzkranken auf den Friedhof zu fahren, wäre die schmerzhafteste Lösung dieses Konflikts gewesen.

Die wichtigste und schwerste Erkenntnis für die meisten Angehörigen sei es, die Alzheimer-Krankheit in ihrer ganzen Tragweite und Unwiderruflichkeit zu begreifen und anzunehmen, sagt Schildt. „Ich habe anfangs ganz schwarze Gedanken und böse Ahnungen gehabt“, deutet er an, sich mit schweren Gewissenskonflikten geplagt zu haben, als er seine Frau immer mehr unter den Schüben der Alzheimer-Krankheit leiden sah, sagt Schildt.

Für beide war es ein Schock. Seine Frau hörte auf zu reden. Nur die Gespräche mit anderen betroffenen Angehörigen über deren Leidensgeschichten, die sich seiner ähnelten, hätten ihm schließlich da herausgeholfen. „Ich stellte fest, da sind Leute, die genau das gleiche wie ich durchmachen. Da hilft man sich gegenseitig.“ Daraus sei sogar eine Gesprächsrunde und beinahe Freundschaft mit acht Männern und Frauen entstanden, deren Ehepartner ebenfalls an Alzheimer erkrankt waren, die sich heute noch regelmäßig zum Erfahrungsaustausch treffen, auch wenn einige der Demenz-Kranken inzwischen bereits verstorben seien, sagt Schildt.

Wer sich im Internet mit Demenzerkrankungen beschäftige, verliere sehr schnell den Überblick. Darum biete er nun seine telefonische Sprechstunde in der Geschäftsstelle des Pflegestützpunktes Kreis Segeberg an der Heidbergstraße 28 an. Einfaches Motto dabei: Zuhören, Mitfühlen und aus seiner persönlichen Erfahrung Rat geben, erklärt Schildt. Dazu gehöre auch, die Rechtslage darzustellen, Fachärzte und Heime zu benennen, die unvermeidlichen Auswirkungen der Krankheit aufzuzeigen, Tipps für die Beantragung der Pflegestufen zu geben und auf die zahlreichen kleinen Entlastungshilfen hinzuweisen, die die Alzheimer-Gesellschaft den pflegenden Angehörigen anbietet.

„Du musst doch mal raus, sonst gehst du kaputt“, hätten Freunde ihm geraten, als er sich praktisch rund um die Uhr um die kranke Ehefrau kümmerte. Dank der Kurzzeitpflege-Angebote konnte er eine Woche mal ausspannen.

Das anfänglich schlechte Gewissen beruhigte sich, als ihm klar wurde: „Ich muss meine Frau überleben, damit ich sie gut betreuen und begleiten kann bis zum Ende.“ Und so erlebten sie beide noch viele glückliche Momente, bis seine Frau, die er Ende 2009 in ein Heim bringen musste, vor einem Jahr verstarb. Die Aufgabe verlange den Angehörigen aber viel Kraft und Geduld ab, sagt Schildt.

Die Alzheimer-Gesellschaft, die 140 Mitglieder im Kreisgebiet zählt, verfüge über 80 ehrenamtliche Helfer, die auf Wunsch einmal wöchentlich zu betroffenen Familien kommen, damit die Angehörigen mal ein paar Stunden ausruhen oder etwas für sich machen könnten, erklärt ihr Vorsitzender Ulrich Mildenberger. Zudem gebe es sechs Selbsthilfegruppen mit zurzeit jeweils fünf bis zwölf Familienangehörigen in Norderstedt, Kaltenkirchen, Bad Bramstedt und Bad Segeberg. Auch Tanz-Cafés und Schulungen werden angeboten. „Das Problem der Demenzerkrankungen wird in Zukunft immer mehr Menschen betreffen, weil unsere Gesellschaft immer älter wird“, prophezeit Mildenberger. Die Hälfte der 3000 an Demenz Erkrankten im Kreis Segeberg litten an Alzheimer.

Die telefonische Sprechstunde von Jürgen Schildt in der Alzheimer-Gesellschaft des Kreises Segeberg ist jeden Dienstag von 10 bis 12 Uhr unter der Telefonnummer 040 / 528 83 831 zu erreichen. Die Beratung ist kostenlos. Außerhalb der Sprechzeiten läuft ein Anrufbeantworter.