Die Karl-May-Jugendherberge in Bad Segeberg gibt es seit 60 Jahren. Die Herbergseltern wollen ihren Gästen künftig noch mehr Service bieten

Es sind genau 168 Betten. Darum dreht sich das Leben von René und Mi-Young Petzold. Seit sie vor zwei Jahren die Leitung der Jugendherberge in Bad Segeberg übernommen haben, verbringen sie dort fast jeden Tag, und das auch, wenn sie selbst frei haben. Denn als Herbergseltern haben sie Residenzpflicht und wohnen desghalb gemeinsam mit ihrem sieben Jahre alten Sohn in der Herberge, die in diesem Jahr einen runden Geburtstag feierte: Vor 60 Jahren wurde die Jugendherberge in der Kreisstadt eröffnet. „Man muss schon damit umgehen können, ständig bei den Gästen und Mitarbeitern zu sein“, sagt Mi-Young Petzold, 38. Doch das Ehepaar hat sich ganz bewusst für diese Aufgabe entschieden.

Die Petzolds stammen beide aus der Hotellerie und haben zuvor weltweit in 5-Sterne-Hotels gearbeitet. Allerdings war an eine Familienplanung in dieser Branche kaum zu denken. „Wenn ihr mal was anderes ausprobieren wollt, macht doch mal Jugendherberge“, habe ihnen dann vor etwa zehn Jahren ein Freund gesagt.

Was für das Paar zunächst nach einer verrückten Idee klang, wurde für die Petzolds dann bald Realität. Sie fingen im Landesverband Hessen an und brachten dort nach und nach drei Häuser auf Vordermann. „Doch wir wollten richtige Herbergseltern werden, und das war nur im Norden möglich“, sagt René Petzold.

Der Landesverband Nordmark, der in diesem Jahr mit dem 100-jährigen Bestehen ebenfalls ein Jubiläum feiern konnte, bot ihnen im Jahr 2013 die Jugendherberge in Bad Segeberg an – ein gestandenes Haus mit dem ein oder anderen baulichen Manko, dafür in bester Lage und mit den jährlichen Karl-May-Festspielen ein echter Anziehungspunkt für Gäste aller Altersklassen. „Den Gästen bieten sich hier sehr viele Möglichkeiten, nach Hamburg und Lübeck ist es nicht weit, und die Infrastruktur ist sehr gut ausgebaut“, sagt der 41-Jährige.

Es liegt nahe, dass bereits frühere Verantwortliche der Segeberger Jugendherberge Karl May und seine Geschichten schon lange für sich entdeckt hatten. 1993 wurde die Jugendherberge offiziell auf den Namen des berühmten deutschen Schriftstellers getauft.

Die Kooperation mit den Karl-May-Festspielen soll intensiviert werden

Schulklassen und Jugendgruppen können sich in der Herberge für einen Tag in die Indianerwelt begeben – ganz authentisch im Tipi-Zelt am Lagerfeuer. „Damit heben wir uns von der Masse ab, und dieses Angebot möchten wir in der Zukunft gerne ausbauen“, sagt der Herbergsvater. Im Sinn hat er ein kleines Tipi-Dorf mit Übernachtungsmöglichkeiten. Auch die Kooperation mit den Betreibern der Karl-May-Festspiele soll intensiviert werden – so begleiteten einige Darsteller in diesem Jahr den Indianertag anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Hauses. Am 9. November 1954 hatte die Stadt das Gebäude dem Deutschen Jugendherbergswerk geschenkt. Zuvor wurde es unter anderem als Armenhaus und später als Berufsschule genutzt (siehe Info-Kasten).

Die Vor- und Nachsaison zu beleben war der Wunsch des Landesverbands Nordmark, als das Ehepaar die Leitung des Hauses übernahm. Seitdem haben sie die Übernachtungszahlen um einige Tausend steigern können – in diesem Jahr waren es immerhin 21.400. Je nach Saison kümmern sich 16 bis 18 Mitarbeiter um die Gäste, vor allem Schulklassen, Sport- und Musikgruppen sowie Familien kommen in die Karl-May-Jugendherberge. Doch mit so vielen Gästen, teilweise muss täglich die Hälfte der Zimmer gereinigt werden, stoßen die Herbergseltern langsam an die baulichen Kapazitäten des Hauses. Um in der kalten Jahreszeit mehr Gäste anzulocken, müsste im Haus mehr Platz sein, um dort ein abwechslungsreiches Programm anbieten zu können. Doch dafür fehlen bislang die Räumlichkeiten. „Leider haben wir keinen großen Saal“, sagt René Petzold. Stattdessen gibt es drei verschiedene Essensräume im Erdgeschoss. Kompliziert wird das, wenn diese tagsüber beispielsweise als Probenraum für Chöre genutzt werden sollen.

Ganz oben auf dem Wunschzettel der Petzolds steht ein großer Speisesaal

Anfangs gab es sogar drei Büfetts. Doch das haben die Herbergseltern schon zu Beginn im Frühjahr 2013 abgeschafft. In einem Teil der Großküche wurde ein gemeinsames Büfett eingerichtet – die Show-Küche nach Herbergsart sozusagen. Das Essensangebot haben sie gleich mitgeändert. „Wir legen viel Wert auf eine große Auswahl und auf frisches Obst“, betonen die Herbergseltern. Teilweise können die Gruppen auch selbst bestimmen, was auf den Tisch kommt. An einem Abend hat es auch schon Rinderfilet mit selbst gemachten Pommes gegeben. „Das sind Dinge, an die sich die Gäste noch lange erinnern“, ist sich René Petzold sicher. Auch die Duschen wurden modernisiert und ein Beachvolleyballfeld errichtet. „Die Gäste haben zurecht gewisse Ansprüche“, sagt Mi-Young Petzold.

Zum Jahreswechsel wird es ruhig in der Jugendherberge, noch bis zum 4.Januar sind Betriebsferien. Doch bis Ostern, wenn die Saison so richtig losgeht, haben sich die Petzolds noch soeiniges vorgnommen. So sollen die Außenanlagen weiter erneuert werden und der Partykeller einen Tresen bekommen. Irgendwann klappt es hoffentlich auch mit einem großen Speisesaal – auf dem geräumigen Innenhof könnte beispielsweise ein Anbau entstehen. Doch für so eine Baumaßnahme müssen beim Verband einige Hürden genommen werden. „Da wünsche ich mir manchmal etwas mehr Vertrauen“, formuliert der gebürtige Hamburger diplomatisch.

Doch Herausforderungen sind die Petzolds aus ihrem früheren Berufsleben gewohnt – und das ist neben der Vielseitigkeit auch das, was die beiden an ihrer Arbeit besonders reizt. Und wenn man einige anstrengende Stunden mit der Buchhaltung beschäftigt war, gibt es auf dem Gelände genug Möglichkeiten zum Abschalten: „Hier kann man auch mal ’ne Stunde Rasenmähen“, erzählt der Herbergsvater gut gelaunt. „Danach ist man dann viel entspannter.“