Das Schokoladen-Traditionsunternehmen Stollwerck verlässt den Rhein nach 175 Jahren und zieht nach Norderstedt

Norderstedt. Für die Kölner ist das ein Schock. Nach 175 Jahren Firmengeschichte am Rhein verlässt der Schokoladen- und Pralinenhersteller Stollwerck die Stadt Köln und verlegt die letzten 130 Arbeitsplätze des Traditionsunternehmens an seinen Norderstedter Standort. „Ich kann nicht sagen, dass unsere Mitarbeiter hier singend über die Büroflure laufen.“ Stollwerck-Sprecher Jan Zuther war dabei, als den 130 Mitarbeitern am Montag um 14 Uhr im Verwaltungsgebäude im Stadtteil Porz eröffnet wurde, dass endgültig Schluss ist mit der Traditionsmarke Stollwerck in Köln. Das Jubiläumsjahr des 175-jährigen Bestehens findet ein Ende mit Schrecken. „Unsere Leute waren doch sehr überrascht und müssen sich jetzt erst einmal sammeln.“

Etwa 430 Kilometer entfernt sitzt Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote entspannt im Rathaus. Am Abend will die Stadtvertretung den Nachtragshaushalt für 2014/2015 verabschieden. „Unserer Stadt geht es gut – alles andere zu behaupten, wäre vermessen. Und jetzt noch die gute Nachricht, dass Stollwerck sein Headquarter komplett in unsere Stadt verlegt. Ein guter Tag für Norderstedt.“ Die Entscheidung des Unternehmens habe die Stadt nicht beeinflusst. „Ich habe von der Verlagerung zuerst im Abendblatt gelesen.“ sagt Grote. Es freue ihn sehr, dass die Stollwerck-Mitarbeiter nach Norderstedt kommen. „Schließlich hatte es in der Vergangenheit bei den Eigentümerwechseln auch immer wieder den Arbeitsplatzabbau und Leerstände gegeben.“

Die Leerstände in Norderstedt seien einer der Gründe für den Umzug nach Norderstedt. Nachdem Stollwerck 2011 vom Schokoladen-Riesen Barry Callebaut an den Alleininhaber Fons Walder von Baronie in Belgien verkauft wurde, zogen die Mitarbeiter der alten Konzernmutter aus Norderstedt weg. „Gleichzeitig fliegen uns derzeit die Rohstoffpreise in der Schokoladenproduktion um die Ohren. Der Kostendruck ist hoch, die Räume in Köln zu groß und zu teuer und in Norderstedt herrscht Leerstand – wer eins und eins zusammenzählt, der konnte ahnen, dass der Umzug ansteht“, sagt Zuther. Das Unternehmen in Privatbesitz mit 1750 Mitarbeitern und einem Umsatz von 535 Millionen Euro habe keine finanziellen Probleme. „Aber wir wollen uns wappnen für die Zukunft. Wir wollen nicht wie andere Wettbewerber irgendwann die Flügel strecken müssen. Piasten ist es gerade so ergangen.“

Was die 130 Mitarbeiter in Köln angehe, die aus der Entwicklungsabteilung, dem Vertrieb, dem Marketing und den Bereichen Finanzen, Qualitätssicherung, Personalwesen, IT- Support und Einkauf stammen, so sei jetzt noch völlig unklar, wer mit nach Norderstedt kommen wird. „Jedem Mitarbeiter bieten wir das an. Aber wir rechnen nicht damit, dass alle es tun werden“, sagt Zuther. Die Altersstruktur sei bunt gemischt. „Die älteren Mitarbeiter sind vielleicht weniger geneigt, umzuziehen als die jüngeren. Wir erarbeiten auch einen Sozialplan.“

Oberbürgermeister Grote rechnet sogar damit, dass kaum jemand von Köln nach Norderstedt kommen werde. „Wenn eine Firma weiter als 50 Kilometer umzieht, dann ist das fast eine Neugründung und kein Umzug. Da gehen erfahrungsgemäß viele Mitarbeiter nicht mit.“ Stollwerck-Sprecher Zuther bestätigt, dass die Distanz dafür sorgen wird, dass etliche Stellen in Norderstedt neu zu besetzen sein werden. „Schließlich müssen die Produktionsabläufe gesichert bleiben.“ Für die Norderstedter Stadtkasse bedeutet der Zuzug von 130 Arbeitsplätzen ein Plus bei der Einkommenssteuer. „Die berechnet sich nach der Lohnsummensteuer. Und die steigt in Norderstedt jetzt deutlich an“, sagt Grote.

Die Stollwerck Betriebsstätte an der Straße Am Stammgleis wird mit dem Zuzug der Kölner einer der größten Standorte des Unternehmens in Deutschland. Es ist gleichzeitig das Kompetenzzentrum für die Pralinen im Unternehmen. Insgesamt fertigen die derzeit 170 Mitarbeiter in der Produktion des Norderstedter Werkes pro Jahr etwa 12.000 Tonnen Pralinen, Dragees und Tafeln Schokolade. Insgesamt behauptet sich Stollwerck nach wie vor mit seinen Klassikern gut am Markt, wie Sprecher Jan Zuther sagt. „Wir sind nicht die Ritters oder die Milkas – aber unsere Marken sind ebenfalls stark.“ Sarotti- und Alpia-Schokolade zählen dazu, aber auch die Eszet-Schnitten oder die Schwarze Herren-Schokolade. 40 Prozent des Umsatzes erwirtschaften die Marken, die restlichen 60 Prozent werden durch Handelsmarken für Discounter erwirtschaftet.