Schüler informierten sich bei einer nächtlichen Jobtour über Ausbildungsmöglichkeiten

Norderstedt. Seriöse Arbeit, von 9 bis bis mindestens 17 Uhr, auch bei Freibadwetter, gern auch mal länger – in diese Welt blicken wie durch ein Fenster die 200 Schüler, die an diesem Abend im Auditorium des European Surgical Institute von Johnson& Johnson sitzen – da also, wo sich sonst Chirurgen die neuesten Operationstechniken erklären lassen. Ungewohnt ist das für die meisten Jungspunde. Gut, dass ein erfahrener Lehrmeister die Novizen unterweist. „Nutzt die Chance“, sagt Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote zu ihnen, „und vergesst nicht, euch am Büfett zu bedienen.“

Die Beobachter stritten, ob die klugen Sätze des Oberbürgermeisters sich aufeinander bezogen. Es wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Wahrscheinlich aber meinte der Stadtvater die Chance auf einen Ausbildungsplatz. Denn die bot sich bei der ersten Nachtschwärmer-Jobtour in Norderstedt tatsächlich: 19 Unternehmen präsentierten sich, warben um kluge, motivierte Auszubildende. 200 Schüler von allen weiterbildenden Schulen Norderstedts folgten dem Ruf der Wirtschaft und der Entwicklungsgesellschaft Norderstedt.

Eine normale Job-Messe wurde es aber nicht. Die Schüler wurden allesamt mit Bussen vom U-Bahnhof Norderstedt Mitte abgeholt. Nach der Begrüßung ging es mit den Bussen gleich weiter in die Betriebe, für die sich die Schüler besonders interessierten. Grundlage dafür war ein Fragebogen. Er half, die Interessen der jungen Erwachsenen einzugrenzen.

Immerhin 500 Euro hatte jedes Unternehmen bezahlt, um für sich bei der Nachtschwärmer-Jobtour werben zu dürfen. Der Grund für die Charme-Offensive: Oft finden sich keine geeigneten Kandidaten für offene Ausbildungsstellen. Auf kluge Köpfe sind Unternehmen wie Schülke und Johnson& Johnson aber angewiesen.

Als Florian Beyer dann im Konferenzraum von Schülke die für ihn so entscheidende Frage stellt, folgt die erste Enttäuschung: „Wer von euch interessiert sich denn für den Beruf des Fachlageristen?“ Bewegungslos sitzen die Schüler hinter den plötzlich so riesig wirkenden Stofftaschen voller Werbegeschenke. Fachlagerist oder auch Fachlageristin, das ist einer der zwei Ausbildungsberufe, die heute Abend bei Schülke vorgestellt werden sollen. In der Theorie sollten jetzt hier freudig erregte Teenager sitzen, deren Finger sofort in die Höhe schnellen. Dann, nach quälend langen Sekunden, hebt Janina Schön als einzige zögerlich ihre Hand, Beyer lächelt. Janina Schön ist 18, macht gerade ihren Realschulabschluss am Berufsbildungszentrum Norderstedt. Beyer erzählt von schweren Sicherheitsschuhen, von den schweren Sachen, die im Lager den ganzen Tag lang gehoben werden. „Gar kein Problem“, sagt die zierliche Janina Schön. „Ich mache Kunstturnen, Rock ‘n‘ Roll und Jazz-Dance. Ich habe Kraft.“

Im Eiltempo geht es nun rüber ins Lager. Dort werden eifrig Chemikalien von links nach rechts gefahren. Gearbeitet wird in Schichten, dunkel wird es hier auch nachts nicht. Patrick Andersen weiß das alles. Er hat Schülke bereits beim Boys’ Day besucht. Seine Tante arbeitet bei dem Unternehmen, im kommenden Jahr will der 19-jährige Gymnasiast sich hier bewerben – für ein duales Studium. Bei Messen hat er die großen Norderstedter Unternehmen bereits verglichen. Bei der Jobtour konnte er nun noch einmal ganz genau hinschauen.

Für die dualen Ausbildungsplätze gibt es viele Bewerber. Sie werden in Kooperation mit der Nordakademie in Elmshorn vergeben. Anders sieht es bei den Chemikanten und Fachlageristen aus. Auch Götz Teubel, Personalleiter bei der Sparkasse Holstein, kennt solche Probleme. Er wirbt deshalb besonders intensiv um den besten Nachwuchs. Für die Nachtschwärmer-Jobtour tingelte er durch die Schulen, lud zu der Veranstaltung ein. Am Gymnasium Harksheide war er besonders erfolgreich. Einer der Schüler sprach ihn nach dem Unterricht an. Das Ergebnis: Am 1. August beginnt er ein duales Studium. „Er war auf Anhieb sympathisch, die Noten sind auch sehr gut“, sagt Teubel. Allein das persönliche Gespräch hat dann aber doch nicht gereicht. Auch im Auswahlverfahren setzte sich der Schüler durch.

Den Ausbildungsplatz als Fachlageristin in der Tasche hatte Janina Schön nach dem Besuch bei Schülke noch nicht ganz. Wichtige Erkenntnisse nimmt sie dennoch mit: „Rumsitzen liegt mir nicht. Da werd ich lieber Lageristin, als irgendwo im Büro zu hocken.“