Ellerau zahlt 364.000 Euro mehr für Schüler, die Schulen im Umland besuchen. Bürgermeister schaltet Ministerin ein

Kreis Segeberg. Die Schulkosten in Ellerau sind förmlich explodiert: Im Vorjahr musste die Gemeinde 870.000 Euro für die jungen Ellerauer zahlen, die Schulen in anderen Städten und Gemeinden besuchen. Im Vergleich zum Jahr 2011 sind diese Schulkostenbeiträge um 364.000 Euro oder 72 Prozent gestiegen, hat Elleraus Bürgermeister Eckart Urban errechnet – ein Anstieg, den er nicht einfach hinnehmen will, denn: „Diese enormen Mehrausgaben zwingen uns, an anderer Stelle massiv zu sparen.“

Urban hat auf der Delegiertensitzung des schleswig-holsteinischen Gemeindetages beantragt, die Gemeinden im Land zu befragen, ob und wie sich die Schulkostenbeiträge erhöht haben. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Zudem hat der Bürgermeister Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Britta Ernst über seine Kritik und Bedenken informiert.

Da die Gemeinde nur eine Grund-, aber keine weiter führende Schule hat, müssen die Kinder und Jugendlichen aufs Umland ausweichen. Und dafür, dass sie an Gemeinschaftsschulen und Gymnasien in Norderstedt, Quickborn, Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen lernen, muss Ellerau zahlen. Und da kommt der zweite Aspekt ins Spiel, der Urban ärgert: Die Kosten weichen stark voneinander ab (s. Info-Kasten), wobei sich die Angaben auf das Jahr 2012 beziehen.

Hat ein Schüler eine Regionalschule in Quickborn besucht, musste Ellerau das mit 2065,50 Euro pro Jahr vergüten. Norderstedt hingegen hat für das gleiche Bildungsangebot nach Urbans Recherche nur 1587,46 Euro verlangt. „Diese gravierenden Unterschiede sind nicht nur ungerecht. Sie könnten die Gemeinden veranlassen, Eltern und Schülern die günstigste Schule zu empfehlen, also finanzielle Überlegungen bei der Schulwahl in den Vordergrund zu stellen“, sagt der Bürgermeister. Das aber könne vom Gesetzgeber nicht gewollt sein.

Auslöser der rasant gestiegenen Schulkostenbeiträge ist eine Änderung im Schulgesetz. Bis 2011 galten pauschale Vergütungen. So musste Ellerau für jeden Jugendlichen, der die Regionalschule in der Nachbarstadt besuchte, 1184 Euro zahlen, für jeden Gast-Gymnasiasten 1057 Euro. Im Bemühen um mehr Gerechtigkeit hat das Land die Berechnung umgestellt: Seit 2012 sollen die Ausgleichsbeiträge die tatsächlichen Betriebskosten decken. Personal-, Sach- und Kosten für den Bauunterhalt fließen ein. Hinzu komme eine Investitionskostenpauschale von 250 Euro pro Schüler. Wichtiger Berechnungsfaktor ist die Zahl der Schüler, je weniger eine Schule besuchen, desto höher fällt der Schulkostenbeitrag aus.

„Die Unterschiede sind tatsächlich auffällig“, sagt auch Reimer Wisch, Bürgermeister von Kisdorf. Die Gemeinde habe allerdings gegenüber Ellerau den Vorteil, dass sie eine Grund- und Gemeinschaftsschule im Ort betreibt, allerdings ohne Oberstufe. Und die werde auch nicht kommen, um das Gymnasium in Kaltenkirchen nicht zu gefährden. Dort machen immerhin 142 Kisdorfer Abitur, was Wisch durchaus gefällt, denn: Mit 966 Euro pro Schüler im vorigen Jahr gibt es den Schulbesuch quasi zum „Schnäppchenpreis“ und laut Urbans Analyse deutlich günstiger als woanders in der Region. Kisdorfs Bürgermeister geht daher davon aus, dass sich die Schulkostenbeiträge, wenn überhaupt, nur moderat erhöhen werden.

Von der Nähe zur Kaltenkirchener Bildungsquelle profitieren auch die Alvesloher Schüler. „Im Unterschied zu Ellerau haben wir den Vorteil, dass wir Mitglied im Schulverband sind und Einfluss beispielsweise auf Investitionen und Kosten nehmen können“, sagt Bürgermeister Peter Kroll.

Norderstedt hingegen gehört rein rechnerisch zu den Nehmerstädten, muss aber Millionen aufwenden, um die Schulen zu sanieren und auszubauen. Knapp 1,4 Millionen Euro hat die Stadt im vorigen Jahr an Schulkostenbeiträgen eingenommen. Im laufenden Schuljahr besuchen 968 auswärtige Schüler die Schulen in Norderstedt, jeder achte der insgesamt 7867 Schüler passiert zum Lernen die Stadtgrenzen. Allerdings fahren auch 272 junge Norderstedter zum Unterricht nach Hamburg – für die Gäste an öffentlichen Hamburger Schulen hat Norderstedt im vorigen Jahr knapp 117.000 Euro überwiesen, aber noch nichts für die 53 kassiert, die aus der Hansestadt zum Schulbesuch in Norderstedt pendeln. Doch diese Lücke im Gastschulabkommen soll demnächst geschlossen werden.

„Das Schreiben aus Ellerau ist bei uns eingegangen“, sagt Thomas Schunck, Sprecher des Bildungsministeriums in Kiel. Nun befassen sich die Experten mit dem Thema. Ob das Land eine Umfrage zu den Schulkostenbeiträgen startet, sei ungewiss. Die Gemeinden müssten bei der Diskussion um die Höhe und Differenz der Schulkosten immer im Blick haben, was es kosten würde, wenn sie selbst eine weiter führende Schule bauen und betreiben müssten. „In jedem Fall wird Elleraus Bürgermeister eine dezidierte Antwort bekommen“, verspricht Schunck.