Dekra-Ingenieur Thomas Buck ist Unfall-Analytiker. Er untersucht Fahrzeuge nach einem Crash

Norderstedt. Freitagmittag, 12.30 Uhr. Thomas Buck sitzt in seinem Büro im dritten Stock des Dekra-Gebäudes am Essener Bogen in Langenhorn. Als das Telefon klingelt, ahnt er, dass er zu einem Einsatz gerufen wird. Er wirft sich seine Jacke über, eilt zum Auto und fährt zur Niendorfer Straße, wo sich kurz vorher der schwere Verkehrsunfall ereignet hat, bei dem der Fahrer eines Opel Zafira ums Leben gekommen ist. Für den 26 Jahre alten Ingenieur gehört das zum beruflichen Alltag – allerdings ist es auch für ihn ungewöhnlich, dass sich in Norderstedt innerhalb weniger Tage zwei ähnlich gelagerte Unfälle mit Toten ereignen.

Thomas Buck, Ingenieur mit Bachelorabschluss, ist Kfz-Sachverständiger im Fachbereich Unfallanalytik. Auf ihn kommt es häufig an, wenn Staatsanwaltschaft und Polizei etwas über die Ursachen eines Unfalls erfahren wollen. Freitagmittag war er auf der Niendorfer Straße im Einsatz, am vergangenen Sonnabend auf der Schleswig-Holstein-Straße, vor wenigen Wochen in Rohlstorf, wo ein Gas-Auto nach einem Unfall explodierte.

Der Dekra-Mitarbeiter ist der Mann, der sich die Unfallautos ansieht, der sich, wenn nötig, auch die Toten genauer anschaut und später an seinem Schreibtisch den Unfallhergang rekonstruiert. Am Ende, nach etwa zwei bis vier Wochen, steht ein umfangreiches Gutachten, mit dessen Hilfe möglicherweise vor Gericht entschieden werden kann, wer die Schuld hat. 10 bis 20 Seiten stark ist ein solches Gutachten, hinzu kommen Anhänge wie Fotos, Zeichnungen oder Computerausdrucke.

Die Eindrücke vom Unfall auf der Niendorfer Straße sind noch frisch, der Unfall auf der Schleswig-Holstein-Straße, bei dem ein McLaren und ein Opel Corsa frontal zusammenprallten, ist eine Woche her, aber Thomas Buck hat das Gutachten bereits vorgelegt. Das sagt die Polizei, er selbst hüllt sich darüber in Schweigen, weil es ein laufendes Verfahren ist und er nicht zu viel verraten darf.

Bevor Thomas Buck seine Arbeit abgeschlossen hat, darf am Unfallort nichts verändert werden. Natürlich müssen Verletzte aus den Autos befreit werden, ansonsten aber muss alles so bleiben, wie es ist. Das Splitterfeld, die Lage der Unfallfahrzeuge, Reifenspuren, Fahrbahnbeschädigungen, der Zustand der Toten und ihrer Bekleidung, der Zustand der Haltegurte – alles bietet dem Sachverständigen Erkenntnisse über den Unfallhergang. Der Unfallanalytiker fotografiert, misst mit geeichten Messrädern und bleibt bis zu zwei oder drei Stunden am Ort des Geschehens.

Oft kann er sehr schnell erkennen, dass zu schnell gefahren wurde, endgültigen Aufschluss gibt aber die Schreibtischarbeit: Thomas Buck fertigt eine Unfallskizze an. Er verfügt über PC-Berechnungsprogramme mit umfangreicher Crash-Datenbank, um Unfälle zu rekonstruieren. Nach dem McLaren-Unfall wurden beide Fahrzeuge weit weggeschleudert. Daraus kann der Analytiker seine Schlüsse ziehen. Thomas Buck, der nach seinem Studium während eines sechsmonatigen Dekra-Seminars auf seinen Job als Unfallanalyst vorbereitet wurde, weiß auch, dass Zeugenaussagen oft weniger verlässlich sind als seine Berechnungen.