Die freiwilligen Wehren im Kreis Segeberg suchen Strategien, um Personalmangel bei Einsätzen zu verhindern

Kreis Segeberg/Kiel. Ein unheimliches Szenario beunruhigt Feuerwehrchefs und Bürgermeister: Es brennt – aber niemand kommt zum Löschen. Oder die Einsatzkräfte treffen zu spät ein, weil im Ort nicht genügend Personal bereitsteht. Auch die freiwilligen Feuerwehren gehören zu den Organisationen, deren Mitgliederzahlen abnehmen. „Seit Jahren sinkt die Zahl der Menschen, die sich freiwillig engagieren“, sagt Holger Bauer, Pressereferent des Landesfeuerwehrverbandes. Im Kreis Segeberg nimmt in den Wehren die Zahl der Ehrenamtler jedes Jahr um bis zu 80 aktiven Mitglieder ab. Derzeit sind es noch 4200.

Mit Berufsfeuerwehren ist das Problem nicht zu lösen. In Schleswig-Holstein mit seinen 1100 Gemeinden gibt es 1371 freiwillige Feuerwehren – und nur vier Berufsfeuerwehren. Hinzu kommt eine kleine Wachabteilung in Norderstedt, die tagsüber mit mindestens sechs Mann besetzt ist. Im Norden gehören rund 48.000 Männer und Frauen freiwilligen Wehren an. Vor zehn Jahren waren es etwa 2000 Freiwillige mehr.

„Wir brauchen eine langfristige Strategie“, sagt Dennis Oldenburg, Pressesprecher des Kreisfeuerwehrverbands. Für Oldenburg gehört es zu den entscheidenden Fragen, wie die Feuerwehren junge Leute begeistern können. Er ruft besonders Führungskräfte dazu auf, Strukturen zu überdenken und nicht allein auf Traditionen zu beharren.

Oldenburg hat am Sonnabend gemeinsam mit 200 Führungskräften aus Schleswig-Holstein den zweiten „Feuerwehr Marketing Kongress“ in Kiel besucht. Der Kongress ist eine bundesweit einzigartige Veranstaltung, um Ideen für eine Trendumkehr auszuloten. Zu den Gästen gehörten Innenminister Stefan Studt (SPD) und Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU). Für beide ist das seit mehr als 100 Jahren bewährte System in Deutschland mit überwiegend freiwilligen Feuerwehren und nur wenigen Berufsfeuerwehren alternativlos auch für die Zukunft.

Der demografische Wandel ist nur ein Grund für Nachwuchsprobleme. Hinzu kommt die veränderte Arbeitswelt. Viele Menschen auf dem Lande pendeln, sind also im Brandfall – per Funkpieper am Gürtel informiert – nicht schnell genug am Einsatzort. Manche können ihren Job zudem nicht für einen Einsatz verlassen. Und: „Die Feuerwehr lebt sehr von starren Strukturen und Hierarchien, das kann Vorteile, aber auch Nachteile haben“, sagt Bauer. Die Qualität der inneren Führung müsse verbessert werden. Oldenburg hat außerdem festgestellt, dass sich viele Menschen nicht mehr dauerhaft an eine Organisation binden wollen oder schlichtweg zu wenig Zeit fürs Ehrenamt haben.

Dass tagsüber nicht genügend Personal zur Verfügung stehen könnte, beschäftigt auch die Norderstedter Feuerwehren. Zwar ist die Zahl der aktiven Feuerwehrleute mit 300 relativ konstant. Doch während der normalen Arbeitszeiten wuchsen die Belastungen durch Einsätze, sodass sich die Stadt entschloss, eine Mini-Berufsfeuerwehr zu gründen. Sie soll die Ehrenamtler entlasten.

Auch Gemeindewehrführer Norbert Berg denkt darüber nach, wie die Wehren in Zukunft mehr Menschen für das ehrenamtliche Engagement gewinnen können. Schon jetzt werden in den Neubaugebieten gezielt Neubürger angesprochen: „Das wollen wir weiter intensivieren“, sagt Berg.

Was motiviert Menschen, in die Feuerwehr einzutreten? Sonnabend, 15 Uhr an der Feuerwache in Oering: Während sich viele Menschen auf ein erholsames Wochenende einstellen, treffen sich in ihrer Freizeit Feuerwehrleute aus der Gemeinde sowie aus den Nachbardörfern zu einer gemeinsamen Übung. Aus Schrottfahrzeugen sollen sie „Verletzte“ retten.

Toralf Schultz, 50, von der Tönningstedter Feuerwehr gehört zu den erfahrenen Kräften. Seit 27 Jahren ist der Fliesenleger Feuerwehrmann. „Mir macht es großen Spaß, in einem Team zu arbeiten“, sagt er. Die Stunden, die er mit Einsätzen, Übungen, und Veranstaltungen verbringt, hat er nie gezählt. „Mit macht die Aufgabe einfach Spaß“, sagt er.

Der 25-jährige Malte Götsch aus Oering ging 1999 zur Jugendfeuerwehr und wechselte danach in den aktiven Dienst. „Mit ist es wichtig, etwas Positives für die Gemeinschaft zu leisten“, sagt er. Feuerwehren seien ein wichtiger Bestandteil der Gemeinschaft in einem Dorf. Auch er schätzt besonders die Teamarbeit in der Wehr.

Etwa zweimal pro Woche rückt Jacqueline Asmußen, 30, mit der First-Responder-Einheit der Feuerwehr aus, um den überlasteten Rettungsdienst zu unterstützen. Hinzu kommt das klassische Engagement in einer kleinen Freiwilligen Feuerwehr wie der in Sülfeld. Sie fast ihre Motivation mit einem Satz zusammen: „Menschen zu helfen – das ist schon toll!“

Der Frauenanteil in den Wehren nimmt zu. „Aktuell sind es mehr als 3600, immer noch zu wenige, aber Tendenz steigend“, sagt Landesverbandsprecher Bauer. „Heute leiten Frauen als Wehrführer Einsätze und machen auch Brandbekämpfung mit Atemschutz.“