Die Stadt will wissen, ob die Bürger auf einen mehrtägigen Stromausfall vorbereitet sind und verschickt Fragebogen

Norderstedt. Lange Staus an den Kreuzungen, Polizisten, die den Verkehr regeln, Fleisch, das in den Kühltruhen auftaut und Menschen, die mit Taschenlampen und Kerzen Licht ins Dunkel bringen – vor gut vier Jahren haben die Norderstedter erlebt, was es bedeutet, wenn der Strom ausfällt. Sieben Stunden mussten die Glashütter ohne Elektrizität auskommen, ein Defekt in der Hauptzuleitung von E.on hatte die Versorgung lahmgelegt. Doch das ist nichts im Vergleich zu einem überregionalen Stromausfall, der mehrere Tage dauern kann. „Ein solches Szenario ist nicht abwegig“, sagt Joachim Seyferth, Leiter des Amtes für Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz im Norderstedter Rathaus.

Nun will die Stadt wissen, ob und wie die Menschen in Norderstedt auf ein mehrtägiges Leben ohne Elektrizität vorbereitet sind. Seyferth und sein Team werden Fragebogen an rund 9500 Haushalte verschicken, die einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abbilden. „Im Alltag merken wir gar nicht, wie der Strom unser Leben bestimmt“, sagt der Amtsleiter und langjährige Chef der Norderstedter Feuerwehr. Dabei denke er nicht zu allererst an Kühlschränke, Licht oder Waschmaschinen. „Wir leben in einer Medienwelt, und da sind Information und Kommunikation das A und O“, sagt Seyferth. Und wenn TV und Internet nicht funktionieren, treffe das die Menschen wie ein Keulenschlag. Zudem spuckten die Geldautomaten nichts Bares mehr aus.

Fehlt die elektrische Energie, bekommen das die Betroffenen nicht nur in ihrem persönlichen Umfeld zu spüren. Auch das öffentliche Leben leidet. Ampeln können den Verkehrsfluss nicht mehr steuern, Restaurants keine Menüs servieren, Kassiererinnen in den Supermärkten müssen die Arbeit einstellen, und Leinwände in den Kinos bleiben dunkel. Auch das Mobilfunknetz schalte sich nach spätestens vier Stunden ab. „Notstromaggregate helfen nur begrenzt. Denn wenn die Zapfsäulen an den Tankstellen nicht funktionieren, fehlt auch der Diesel, um die Stromlieferanten zu betreiben“, sagt Seyferth. Er zeichnet folgendes Zeittableau: Nach zwei bis vier Stunden ist Kommunikation nicht mehr möglich. Nach vier Stunden fällt die Versorgung mit Wärme aus, nach einem Tag sind Krankenhäuser lahm gelegt, nach zwei bis drei Tagen ist die Wasserversorgung am Ende.

Seyferth ist für Gefahrenabwehr in Norderstedt zuständig und hat mögliche Katastrophen untersucht. „Und da hat sich herausgestellt, dass ein Stromausfall unsere Achillesferse ist“, sagt Seyferth. Strom werde in Deutschland über vier Netzbetreiber verbreitet, die wiederum in das europäische Netz eingebunden seien. Verbrauch und Erzeugung müssten sich die Waage halten, sonst schalteten die Anlagen ab. Kraftwerke seien regelbar, sodass jederzeit auf Schwankungen im Netz reagiert werden könne. Unsicherheit entstehe durch die regenerativen Energien. Der Wind blase mal stark, mal schwach mal gar nicht.

Als eine Hochspannungsleitung im Nordwesten vorsorglich abgeschaltet worden sei, weil ein Schiff von der Papenburg-Werft in die Nordsee fuhr, sei in Italien und Spanien der Strom ausgefallen. „Das zeigt die gegenseitige Abhängigkeit“, sagt der Amtsleiter.

In den Fragebogen, die anonym ausgewertet und ab 28. Oktober an die ausgewählten Haushalte verschickt werden, geht es zum einen um Versorgungssicherheit. Gibt es eine Taschenlampe, einen Vorrat an Batterien, Kerzen, Gaskocher, ein batteriebetriebenes Radio oder eigene Stromquellen wie Solar- und Windenergie oder Erdwärme? Wie lange reicht der Vorrat an Lebensmitteln, Getränken, Brennstoffen und Medikamenten? Sind Familienmitglieder auf medizinische Geräte angewiesen?

Doch es geht auch um die Bereitschaft zu helfen. „Das Elbe-Hochwasser im vorigen Jahr hat gezeigt, dass die Hilfsbereitschaft enorm ist. Über Facebook haben sich in kurzer Zeit 60.000 Menschen gemeldet, die Sandsäcke füllen wollten“, sagt Seyferth. Ein weiterer Themenblock sind die Erwartungen, die die Norderstedter bei einem mehrtägigen Stromausfall an die Behörden, staatlichen Stellen und an die Stromanbieter haben.

„Wir hoffen, dass wir bis zum Einsendeschluss am 21. November viele ausgefüllte Fragebogen bekommen“, sagt Seyferth. Antworten sind auch online möglich. Die Auswertung werde zeigen, ob und welche Maßnahmen nötig sind. Möglicherweise werde die Stadt einen Leitfaden für den Notfall herausgeben.