Gourmet Festival – 19 Küchenmeister stellen in15 verschiedenen Restaurants ihre Handwerkskunst unter Beweis. An 30 Abenden kochen sie für ihre Gäste

Bad Segeberg. Der erste Gang ist noch nicht serviert, da fauchen bereits dänische Flüche durch den Raum. Jesper Koch, der Maître aus Aarhus, ist sauer. Nebenan im Restaurant des „Vitalia Seehotels“ sitzen hungrige Menschen, von der Auftaktgala des 28. Schleswig-Holstein Gourmet Festivals erwarten sie ein kulinarisches Feuerwerk – mindestens. Doch das droht gerade kalt zu werden. Die Eröffnungsrede zieht sich immer weiter in die Länge, 151 ursprünglich heiße Hecht-Filets mit Schirmdill, Topinambur, Krebstier und Gravensteiner Apfel kühlen langsam ab, während sich die eisgekühlte Schaumkrone erwärmt.

„So etwas ist ärgerlich“, sagt der kulinarische Trendsetter aus Aarhus mit einem Achselzucken. Wenn der Meister frisch auftischt, hätte er das Gericht auch gerne sofort serviert. Was Jesper Koch bei der abendlichen Auftaktgala des 28. Schleswig-Holstein Gourmet Festivals auf den Tisch bringen lässt, ist dennoch zauberhaft. „Ich mag es gern deftig“, hat der sonst so stoische Däne zuvor versprochen – und er hält Wort.

Sein erster Gang bildet den Auftakt für das kulinarische Event des Nordens schlechthin. Die Besetzung ist prominent und vielversprechend. Bis zum 1. März 2015 werden 19 Küchenmeister in 15 verschiedenen Restaurants ihre Handwerkskunst unter Beweis stellen. An insgesamt 30 Abenden kochen sie im Norden für ihre Gäste. Mit vier Spitzenköchen soll die Gala sogleich das erste Highlight des Festivals werden.

Der zweite Gang wird nicht im Nebenzimmer, sondern in der Küche selbst angerichtet. Paul Ivíc, Österreichs erster vegetarischer Sterne-Koch, bittet die Service-Mitarbeiter zum Tanz mit seinen Spinat-Marubini. Es ist heiß in der Großküche, aus den Öfen dampft es. Während Ivíc am Tresen mit grimmigem Blick anrichtet, sprinten die Kellner hin und her, nehmen klappernd Geschirr auf. „Leiser“, dröhnt der Schrei des Service-Chefs streng durch die Küche, noch einmal: „Leiser!“ Mit Ironie und der Gelassenheit eines erfahrenen Küchenchefs kommentiert Lokalmatador Heiko Zimmat das Schauspiel: „Stimmung!“

Auch Paul Ivíc danken die Gäste seine Kombination aus Spinat-Marubini, Trüffel und einem Spritzer Zitrone mit reichlich Applaus. Nach dem Gang nutzt er die Gelegenheit, um mit einem Klischee aufzuräumen: „Unsere Produkte sind in der Regel dreimal so teuer wie die für nicht-vegetarische Gerichte“, erklärt er. Ohne die hochwertigen Lebensmittel sei es unmöglich, den vegetarischen Gerichten einen vollen Geschmack zu verleihen.

In der Fleisch-Hochburg Wien ist es Ivíc zunächst schwer gefallen, die Gäste von dieser Art der Küche zu überzeugen. „Anfangs waren 90 Prozent unserer Gäste Frauen, die nur Salat aßen“, sagt er. „Mittlerweile haben wir auch die Wiener Männer bekehrt. Tofu und Salat servieren wir kaum noch.“ Selbst ist der Sterne-Koch kein Vegetarier. Im Gegenteil: „Ich bin ein echter Fleischliebhaber“, bekennt er.

Während Ivíc noch von fleischverliebten Wienern erzählt, bereitet Maria Groß bereits ihre Forellen-Delikatessen vor. Die bodenständige Erfurterin wurde jüngst mit ihrem ersten Michelin-Stern ausgezeichnet. Es hätte aber auch ganz anders kommen können. Jahrelang studierte die selbst ernannte „Koch-Proletarierin“ Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin. Den Abschluss machte sie aber nicht. Nach den Vorlesungen kochte Groß für eine zweiköpfige Familie mit hohem kulinarischen Anspruch. „Damals habe ich zum ersten Mal realisiert, dass ich Talent fürs Kochen habe“, sagt sie.

Im Erfurter Kaisersaal betreibt Maria Groß das Restaurant „Clara“. Dort in ihrer thüringischen Heimat kämpft sie auch gegen die landestypische Küche an. „Wir müssen zeigen, dass wir mehr können als Wurst“, sagt sie und hängt einen ihrer sympathisch-spitzen Lachanfälle an. Abstrakte philosophische Gedanken und Erfurter Bodenständigkeit kombiniert sie auch in ihrem Gericht. „Feinsinn“ nennt sie die wunderbar natürlich schmeckende Forelle, die sie mit Sauerrahm und Mohn sowie einem Basilikum-Sorbet und ein paar Salzkristallen garniert. Am Ende macht das Sorbet den Unterschied: Die Herzen und Gaumen der Gäste hat Maria Groß schon erobert, als Meisterkoch Jörg Sackmann sein Kalbsfilet und Bries mit einem Hauch Lakritz in der Soße noch gar nicht serviert hat.

Auch Zwei-Sterne-Koch Sackmann aber kann wenig überraschend restlos überzeugen; auf der anschließenden Dessertparty schwärmen die Gäste so sehr, dass Sackmann selbst ins Plaudern kommt. Ob die ungewohnte Küche einen Unterschied mache? „Nein, das ist kein Problem, ich passe mich an“, sagt er. Selbst in der Privatküche von Wladimir Putin in dessen Villa in Sotschi habe er sich zurechtgefunden. „Das war allerdings, als der Schröder mit dem Putin noch so dick war“, fügt er entschuldigend hinzu. Nach einem Kochabend für die Moskauer Regierung sei er damals überraschend eingeflogen worden, sagt er. „Aber jetzt brauche ich erst einmal ein Bier.“

Die Lücke am Dessert-Tisch wird schnell gefüllt. Ein Fan schaut dem Idol wehmütig hinterher: „Die Soßen von Sackmann – die sind so einmalig, dass ich sie nur am Geruch erkenne.“