Umgang mit dem Naziverbrecher und ehemaligem Pastor Szymanowski-Biberstein sorgt in Kaltenkirchen für Zündstoff

Kaltenkirchen. Die Kirchengemeinde Kaltenkirchen wird in Zukunft an ihren ehemaligen Pastor Ernst Szymanowski Biberstein erinnern. So viel scheint klar. In der Gemeinde gibt es einen Arbeitskreis, der derzeit über die Form des Erinnerns lebhaft diskutiert. Wird es eine Gedenktafel geben? Oder einen Gedenkstein? Ein Kunstwerk? Das ist noch offen. Schließlich hat die Gemeinde mit ihrem ehemaligen Pastor (1927–1933) von der Geschichte eine schwere Bürde aufgeladen bekommen.

Am Sonntag hat das NDR-Fernsehen über den schwierigen Umgang der Kirchengemeinde mit der eigenen Vergangenheit berichtet. Szymanowski-Biberstein widerspreche allem, was die Kirche ausmacht, fasst der Kieler Kirchenhistoriker Stephan Linck vor der Kamera zusammen. Denn der Pastor war nach seinem Kirchenaustritt 1938 im Zweiten Weltkrieg als Gestapo- und SS-Angehöriger in leitender Funktion in den nationalsozialistischen Vernichtungsapparat involviert und für die Ermordung von 2000 bis 3000 Juden in der Ukraine verantwortlich.

Der Lokalhistoriker Gerhard Hoch beschrieb den Fall in seiner Biografie aus dem Jahr 2009 als in Deutschland einmalig. Kein anderer ehemaliger Pastor wurde in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilt. Auch die Kaltenkirchener Pastorin Martina Dittkrist weist auf die Besonderheit dieses Falls hin. Nachdem die Gemeinde den Druck der Biografie unterstützt hat, setzt sie sich nun für eine sichtbare Erinnerung an den Pastor ein. Bislang fehlt er in der (auch ansonsten unvollständigen) Galerie der Pastoren in der Sakristei der Michaeliskirche. Seit der Veröffentlichung der Biografie, die Autor Hoch in der Michaeliskirche vorstellen konnte, ist nicht mehr viel passiert. Mit der Besetzung der vierten Pfarrstelle in diesem Jahr ist wieder Bewegung in die Sache gekommen (das Abendblatt berichtete).

Warum dauert es so lange? „Das ist nicht das Einzige, mit dem wir uns beschäftigen“, sagt Maike Brandes, seit Mai dieses Jahres Vorsitzende des Kirchengemeinderats. Man wolle keine Entscheidung über den Zaun brechen, sondern gründlich herangehen. Pastorin Dittkrist beschreibt das Ringen der Kirchengemeinde als offene Wunde, die nicht so schnell verheile, wie es vielleicht von einigen gewünscht werde. Während sie sich eine Erinnerung in Form eines Kunstwerks oder eines Gedenksteins vorstellen kann – dafür gebe es gelungene Vorbilder – ist Brandes für eine kleinere Gedenktafel. „Das andere wäre zu groß“, sagt sie. Kunsterzieher Hans Winger vom Kaltenkirchener Gymnasium sieht für die mögliche Tafel ein Vorbild auf der Insel Sylt.

Am Rathaus in Westerland erinnert sie seit Ende Juli an den SS-Offizier Heinz Reinefarth, der für die Niederschlagung des Warschauer Aufstands mitverantwortlich war. Nach dem Krieg war er Bürgermeister in Westerland sowie Landtagsabgeordneter. „Die Tafel enthält eine neutrale Tatsachenbeschreibung mit Bezug zum Ort“, fasst Winger zusammen. Zusätzlich zu einer Erinnerung an den einen Pastor, können sich einige Mitglieder der Arbeitsgruppe auch eine Erinnerung an die anderen Pastoren der Gemeinde vorstellen. Wie dies geschieht und welche konkrete Form das Erinnern bekommt, wird Gegenstand weiterer Diskussionen sein. „Wichtig ist, dass diejenigen, die sich dafür engagieren, auch dahinterstehen“, sagt Pastorin Dittkrist.

Schroffe Angriffe, wie sie Gerhard Hoch früher erlebt hat, erwartet Kirchengemeinderätin Gabriele Kaune nicht. Und wenn doch, dann sei man durch die lange Arbeit am Thema gefestigt. „Wir wissen, worüber wir reden.“ Der 91-jährige Hoch selbst hofft, eine öffentliche Erinnerung noch zu erleben. Vor der Fernsehkamera stellte er noch einmal klar, dass er nie ein Nestbeschmutzer sein wollte. Als solcher war er wegen seines Buches über die Vergangenheit Kaltenkirchens im Jahr 1980 oft beschimpft worden – obwohl er doch eigentlich den Schmutz aus dem Nest habe beseitigen wollen.