Beratungsstellen für Frauen und gegen sexuelle Gewalt fordern eine schärfere Auslegung des Gesetzes gegen Gewalt

Norderstedt. Vergnügtes Gekreische sind in der Wasserrutsche „Magic Eye“ des Arriba-Erlebnisbads zu hören. Doch immer wieder missbrauchen Männer die dunklen Kurven der 115 Meter langen Rutsche für sexuelle Übergriffe auf Mädchen.

Gerade vor einem Monat im Juli soll ein 28-jähriger Mann aus Hamburg drei Mädchen angefasst und ihnen gegenüber sein Glied entblößt haben (das Abendblatt berichtete).

Der Mann wurde vom Sicherheitsdienst des Arriba sofort der Polizei Norderstedt übergeben. Im Juni soll sogar eine Gruppe von Männern im Alter zwischen 17 bis 32 Jahren fünf Mädchen im „Magic Eye“ aufgelauert haben, um sie zu drangsalieren.

Doch vor Gericht kommen die Täter in den meisten Fällen glimpflich davon, wie auch Andrea Hempel von der Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt am Kirchenplatz 1 in Norderstedt sagt. Sie fordert eine dringende Reform des Paragrafen 177, Strafgesetzbuch, gegen Gewalt.

Jetzt mussten sich zwei Männer wegen ihres Übergriffs im August 2013 auf die damals 14-jährige Nesrin E. vor dem Norderstedter Amtsgericht verantworten. Sie kamen mit Freispruch und 36 Stunden Arbeitsauflage sehr glimpflich davon.

Als Nesrin und ihre Freundin Anna durch die dunkle Kurve des „Magic Eye“ rutschten, tauchten die Männer plötzlich auf, packten die Rutschringe, in denen die Mädchen saßen, schaukelten sie hin- und her, bis Nesrin und Anna aus diesen Reifen fielen. Unten im Becken griff der jüngere der Männer Nesrin ans Gesäß. Die Mädchen flüchteten, wollten die Wildwasserrutsche benutzen, mussten aber feststellen, dass die Männer sie verfolgten. Der Jüngere rutschte mit Nesrin in direktem Körperkontakt, fasste ihr mehrfach an Gesäß und Scheide – sogar noch, als der verschreckte Teenager zur Treppe flüchtete.

Die Mädchen berichteten der Bademeisterin von den Übergriffen. Die Männer erhielten sofort Hausverbot, das Arriba schaltete die Norderstedter Polizei ein, es wurde Anzeige wegen Beleidigung auf sexueller Basis erstattet.

Im Prozess vor dem Norderstedter Amtsgericht stritt der Angeklagte Hamed M., 33, aus Rostock die Vorwürfe vehement ab. Für ihn seien diese Behauptungen eine Ehrverletzung.

Der zweite Angeklagte, der damals 19-jährige Fayeqh I. aus Hamburg, ließ von einer Dometscherin übersetzen, dass er tatsächlich Nesrin mehrmals zwischen den Beinen berührt hatte.

Nesrin E. schilderte die Vorfälle vor Gericht zunächst gefasst, wobei sich Fayeqh I. als Haupttäter herausstellte. Hamed M. habe nach Aussage von Nesrin nur einmal ihre Brust berührt. Bei Nachfragen des Verteidigers brach das Mädchen in Tränen aus, die Verhandlung wurde unterbrochen. Später berichtete Nesrin, dass sie lange gebraucht habe, um das Erlebte ansatzweise zu verarbeiten.

Da sich die Vorwürfe gegen Hamed M. nicht offiziell bestätigten, wurde das Verfahren gegen den nicht vorbestraften Angeklagten eingestellt. Fayeqh I., als Heranwachsender nach dem Jugendrecht beurteilt und ebenfalls nicht vorbestraft, erhielt die Auflage, 36 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten, nach deren Erledigung das Verfahren endgültig eingestellt wird.

„Das Gesetz gegen Gewalt ist zu lasch“, sagt Andrea Hempel von der Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt in Norderstedt. Vielfach würden sexuelle Übergriffe gegen Mädchen und junge Frauen bagatellisiert. „Sanktioniert wird nur, wenn das Opfer sich offensichtlich gewehrt hat und Wunden davon trägt, nicht aber, wenn es durch den Übergriff einen Schock erlitten hat“, sagt Hempel.

Sie rät Mädchen zudem, Kurse in Selbstverteidigung zu belegen und das Selbstbewusstsein zu stärken. Wurde ein Übergriff getätigt, solle sofort Hilfe geholt werden. „Hinzu kommt noch, dass das vorhandene Gesetz vor Gericht vielfach nicht streng genug ausgelegt wird“, sagt Hempel. Zudem könne sie sich gut vorstellen, mit dem Arriba-Personal zusammen zu arbeiten.

„Kinder und Jugendliche sind in solchen Fällen hilflos, verantwortlich sind grundsätzlich die Erwachsenen“, sagt Beate Pfeiffer. Die Leiterin der Frauenberatungsstelle der Diakonie fordert mehr Aufklärung in den Vereinen, in Schulen, Kindergärten, Badeanstalten, vor allem auch in den Elternhäusern. „Kinder brauchen vor allem auch Vertrauenspersonen, denen sie von Übergriffen ohne Angst vor Strafen berichten können“, sagt Pfeiffer.

„Es ist eine Katastrophe, dass es immer wieder Männer gibt, die Mädchen belästigen“, sagt Arriba-Manager Ruud Swaen. Das Arriba-Personal, darunter auch Sicherheitskräfte, sei extra geschult. In jedem Fall würde sofort die Polizei gerufen, die Täter erhalten Hausverbot. „Wir wollen jetzt auch die dunklen Kurven der Rutschen beseitigen, um das Problem zu minimieren, und verhandeln gerade mit Firmen, die uns eine transparente Wasserrutsche bauen“, sagt Swaen.