Zwei Beispiele für die 1887 Zivilsachen, die 2013 beim Amtsgericht eingegangen sind

Norderstedt. „Die Belastung der Justiz ist ein Dauerthema. Wir arbeiten an der Belastungsgrenze“, sagt Reinhardt Wrege, Direktor des Norderstedter Amtsgerichts in seinem Rückblick auf 2013. Immer mehr Menschen hätten eine Rechtsschutzversicherung und zögen bei Streitfällen sofort vor Gericht. Zudem forderten neue rechtliche Regelungen erhöhten Arbeitseinsatz von Richtern und Rechtspflegern. So müsse seit kurzem jeder richterliche Beschluss mit einer Rechtshelfebelehrung versehen werden. Das sei zwar bürgerfreundlich, „aber die Beschwerde wird gleich mitgeschrieben“.

Den größten Anteil haben nach wie vor Zivilsachen, rund 2000 Verfahren pro Jahr, im Vorjahr waren es 1887. Da geht es um Nachbarschaftsstreit, Mietforderungen oder -kürzungen, unbezahlte Handy- oder Stromrechnungen. „Erfreulich ist, dass wir die Aktenberge dezimieren konnten“, sagte Wrege. Vor fünf Jahren türmten sich noch 1493 Vorgängen auf den Richtertischen, aktuell sind es noch 923. Auch bei den Familiensachen und der Jugendkriminalität sind die Bestände deutlich geschrumpft. „Wir haben den Krankenstand gesenkt, viele neue junge Richter und Abteilungsleitungen eingezogen, die wir aus dem vorhandenen Personalpool besetzt haben“, nennt der Amtsgerichtsdirektor die Gründe. Im Norderstedter Amtsgericht arbeiten 14 Richter auf zwölf Stellen, 17 Rechtspfleger, 40 Wachtmeister und Verwaltungskräfte sowie fünf Gerichtsvollzieher.

Bei den Strafverfahren stagniert die Zahl. 1000 Eingänge verzeichnete die Gerichtsverwaltung im Vorjahr, vor fünf Jahren waren es 1079. „Unser Ziel ist, dass die Verfahren spätestens sechs Monate nach Eingang beginnen“, sagt Richter Jan Willem Burchert. Relativ konstant bleibe die Jugendkriminalität mit rund 500 Verfahren im Jahr, immer wieder haben die Richter mit Abziehdelikten zu tun. Die Zahl der Intensivtäter sei gering. „Wir haben vielleicht eine Handvoll junger Leute, die sich regelmäßig vor Gericht wegen Körperverletzung, Diebstahl oder Raub verantworten müssen“, sagte Wrege. Hier hätten sich die beschleunigten Verfahren, die es seit 2010 gibt, positiv ausgewirkt.

Auch Ordnungswidrigkeiten enden regelmäßig in einem der Gerichtssäle. Und da greifen die Betroffenen, so Richter Buchert, durchaus zu kuriosen Argumenten, um ihre vermeintliche Unschuld zu bezeugen. Das Überholverbot auf der Autobahn gelte ja nicht für Omnibusse, und sein Auto sei genauso behäbig wie ein solcher Bus, deswegen habe auch er überholen dürfen, hatte ein Autofahrer argumentiert, der partout nicht bereit war, 70 Euro zu zahlen. „Auch mit solchen Aussagen müssen wir uns ernsthaft auseinandersetzen und sachlich argumentieren“, sagt Buchert. Ohnehin gelte für die Verhandlungsführung und den Urteilsspruch Artikel 3 des Grundgesetzes: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. So mancher verpflichte wegen einer Bagatelle auch gleich einen „Promi-Anwalt“ und lasse Gutachten fertigen, die ein Vielfaches des Bußgeldes kosteten. Aber auch das sehen Buchert und seine Kollegen mit Gelassenheit.

Rückläufig ist auch die Zahl der Insolvenzverfahren, 1200 waren es im vorigen Jahr, darunter 474 Verbraucher- und 318 Unternehmensinsolvenzen. 416-mal mussten Selbstständige Zahlungsunfähigkeit beim Norderstedter Amtsgericht anmelden. „Der Rückgang zeigt zum einen, dass die Wirtschaft gut läuft. Zum anderen haben sich auch die Verfahren verbessert“, sagte Wrege.

Sprunghaft gestiegen ist die Zahl der Grundbuchsachen. 14.918 waren es 2013, gut 3500 mehr als noch 2012. Motor des Anstiegs war die Erhöhung der Grunderwerbssteuer, die die Landesregierung von Schleswig-Holstein zu Beginn dieses Jahres um 1,5 Punkte auf 6,5 Prozent erhöht hat.

„Da haben viele vorher noch eine Immobilie gekauft“, sagte der Direktor des Amtsgerichts. Insgesamt seien die Norderstedter weniger streitlustig als die Menschen in anderen Städten und Gemeinden.