Das Ganztagsangebot der Norderstedter Grundschulen hat Modellcharakter. Anfragen kommen aus vielen Kommunen

Norderstedt. Kein Gerenne und Geschreie. Auch nach fünf Stunden Unterricht sitzen die Grundschüler auf ihren Plätzen und arbeiten konzentriert. Sie malen Porträts, ziemlich kreativ und angeleitet von Hobbykünstlerin Heike Rosenhain. Im Steertpoggsaal sind zwar nur fünf Mädchen aktiv, doch die sprühen vor Temperament, proben sie unter der Regie von Theaterpädagogin Silke Rapude doch für ein Musical. Zwei Beispiele für das, was auch nach dem Unterricht noch Grundschulen begeistert.

Die beiden Kurse sind Teil der Ganztagsbetreuung an der Grundschule Friedrichsgabe – die Schule ist Pionierin für ein Betreuungskonzept, mit dem Norderstedt zum Vorreiter geworden ist. Hier „wurstelt“ nicht jede Schule für sich, um den Nachmittag zu gestalten, die Stadt hat ein Gesamtmodell für alle zwölf Grundschulen entwickelt und damit die „Flickschusterei“ der Vergangenheit beendet. Nach den Sommerferien starten die Grundschulen Falkenberg, Gottfried-Keller-Straße und Heidberg in den Ganztagsbetrieb.

Seit 2010 arbeiten die zuständige Dezernentin Anette Reinders, die Schulen, Sportvereine und die Eltern an dem Modell, das auf soliden Säulen ruht. Externe Berater haben ermittelt, dass zwei von drei Eltern ihre Kinder auch nach Unterrichtsschluss an der Schule betreuen lassen wollen. Drei Viertel der Eltern hat sich in einer Umfrage der Stadt für die offene Ganztagsschule ausgesprochen. „In den vielen, zum Teil auch kontroversen Diskussionen hat sich gezeigt, wie vielfältig die Wünsche der Eltern sind“, sagt die Dezernentin. Um dem Rechnung zu tragen, hat die Stadt die gemeinnützige GmbH Betreuung – Bildung – Erziehung (BEB). Geschäftsführer ist Thomas Richter, ein Mann, der als ehemaliger Lehrer und Betriebswirt pädagogische und kaufmännische Qualifikation mitbringt.

„Wir müssen und wollen familiäre Atmosphäre schaffen, die Kinder individuell fördern, ihnen Freiräume schaffen und, gerade aus Elternsicht ganz wichtig, die Betreuung so flexibel organisieren, dass sie von möglichst vielen Eltern in Anspruche genommen werden kann“, sagt Richter. Herausgekommen ist ein Konzept, bei dem Väter und Mütter zwischen sechs Modulen wählen können (s. Info-Kasten). Der pädagogische Mittagstisch und Hilfe bei den Hausaufgaben gehören immer dazu. Mit diesem Modell hat die Stadt überregional Aufmerksamkeit erregt: „Wir bekommen regelmäßig Anfragen aus anderen Kommunen“, sagt die Dezernentin. Auch die Vorsitzende des Bildungsausschusses im Landtag, Anke Erdmann (Grüne), habe sich schon darüber informiert, was die Norderstedter auf die Beine gestellt haben.

Das fängt schon beim Mittagessen an. Da greift sich nicht jeder ein Tablett und setzt sich irgendwo hin. Innerhalb der Module werden Gruppen gebildet, die feste Ansprechpartnerinnen haben, mindestens die Hälfte sollen Fachkräfte sein, Erzieherinnen oder sozialpädagogische Assistentinnen, der Personalschlüssel liegt bei 1,35 für 15 Kinder.

Insgesamt werden ab August 43 Beschäftigte für BEB arbeiten. In Gruppen mit 15 Kindern wird auch gegessen, Getränke und Essen stehen auf dem Tisch: „Wir wollen die Situation in einer Familien nachempfinden“, sagt Richter. Anschließend erledigen die Jungen und Mädchen ihre Hausaufgaben, ehe sie in den Kursen Fußball spielen, malen, den Blockflötenführerschein machen oder basteln. Die BEB arbeitet intensiv mit den Sportvereinen und der städtischen Musikschule zusammen.

Das Angebot kommt bei den Eltern gut an. Gut 600 haben ihre Kinder angemeldet, das entspricht einer Quote von 60 Prozent. „Wir können aber allen Eltern einen Platz bieten, eine Warteliste gibt es nicht“, sagt Richter.

Doch das, was die Eltern für die Betreuung zahlen, reicht nicht, um den Ganztagsbetrieb zu finanzieren. Die Stadt kalkuliert für dieses Jahr ein Minus von 590.000 Euro, das aus dem städtischen Haushalt ausgeglichen wird. Das Geld ist gut angelegt, sagen die Verantwortlichen, gute Schulen und eine Betreuung der Kinder mit hoher Qualität seien längst wichtige Standortfaktoren geworden.

Hinzu kommen Investitionen im deutlich zweistelligen Millionenbereich, um die Grundschulen um- und auszubauen und mit Mensen auszustatten. Das soll sukzessive passieren und spätestens in gut acht Jahren erledigt sein. Priorität hat dabei, dass es ein Ganztagsangebot in jedem der fünf Norderstedter Stadtteile gibt.