Das Gutachten über die Sicherheit und den Radverkehr im Kreisel liegt vor. Es fordert eine umfangreiche Umgestaltung. Bund, Land und die Stadt lehnen das ab

Norderstedt. Die Autos drehen sich munter am Verkehrsknoten Ochsenzoll. Aber für die Radfahrer der Region ist das flüssige Überqueren des Kreisels in allen Richtungen immer noch unmöglich. Die Fahrrad-Lobby vom Allgemeinen Deutschen FahrradClub (ADFC) wird nicht müde, dies zu kritisieren. Nach ausgiebigen Protesten war ein Sicherheits-Check für den Kreisel durch ein Gutachterbüro der Vorschlag zur Güte zwischen der Stadt Norderstedt, der Kommunalpolitik und den Interessenverbänden.

Die Ergebnisse des Gutachtens liegen jetzt vor, verbunden mit weitreichenden Forderungen: Der Gutachter und Diplom-Ingenieur Uwe Wilma vom Büro Argus aus Hamburg hält die umfangreiche Umgestaltung des Kreisels für nötig, um den flüssigen Radverkehr zu gewährleisten. Er schlägt Radfurten und Vorfahrtsregelungen für Radfahrer in Ost-West-Richtung vor. Außerdem die bessere Beschilderung der gesamten Kreuzung und eine komplette Überarbeitung des aus seiner Sicht unzureichenden und auch gefahrenträchtigen Orientierungssystems für Blinde. Würde die Stadt das komplette Wunschkonzert des Gutachters buchen, kämen schnell Kosten in Höhe von über einer Million Euro auf die Stadtkasse zu.

Radverkehr hat zwischen den Autos nichts zu suchen – zu gefährlich

Uwe Wilma führt in seinem Gutachten aus, dass das Fahren für Radfahrer auf der Straße im Kreisel zu gefährlich ist. Der Gutachter bemängelt aber auch, dass Radfahrer an den Zebrastreifen im Norden und Süden des Kreisverkehrs absteigen und schieben müssen, während Fußgänger bevorrechtigt über die Straße kommen – eine Ungleichbehandlung, die abzustellen sei.

Für Uwe Wilma fehlen an beiden Übergängen die Radfurten. Im Norden ist dafür kein Platz. Deswegen soll aus seiner Sicht der Zebrastreifen hier verschwinden. Stattdessen soll die Stadt eine Vorfahrtsregelung für Radfahrer und Fußgänger einrichten. Autos, die aus dem Kreisel in Richtung Schleswig-Holstein-Straße herausfahren wollen, müssten also anhalten. Am südlichen Übergang soll sich zum Zebrastreifen eine Radfurt gesellen, hier reicht der Platz.

Die Stadtverwaltung reagiert mit „Befremdung“ auf diese Lösung. Baudezernent Thomas Bosse: „Zwei unterschiedliche Vorfahrtsregelungen in einem Kreisverkehr – das machen wir nicht mit. Das führt nur zu völliger Verwirrung.“ Die jetzt bestehende Lösung entspreche der Straßenverkehrsordnung und soll unverändert bleiben. Was Wilma fordere, führe zu Gefahrenlagen und berechtigten Beschwerden seitens der Verkehrsteilnehmer.

Die Stadt soll die Gutachter-Idee für den Radverkehr missverstanden haben

Interessant an diesem ablehnenden Urteil ist der Umstand, dass es offenbar auf einem Missverständnis basiert. „Die Stadt nimmt an, die Autofahrer hätten bei der Querung im Norden Vorfahrt. Aber Wilma fordert es genau andersherum: Radfahrer und Fußgänger hätten die Vorfahrt, die Autofahrer müssten warten. Das sind nicht zwei Vorfahrtsregelungen im Kreisel, sondern nur eine, nämlich die für Radfahrer und Fußgänger“, sagt der CDU-Stadtvertreter Joachim Brunkhorst, der auch der Vorsitzende des ADFC in Norderstedt ist. „Ich glaube, ich muss mal bei der Stadt anrufen und die auf diesen Lapsus hinweisen.“ Brunkhorst findet es problematisch, dass der aus seiner Sicht gute Vorschlag des Gutachters aufgrund einer Fehlannahme von der Verwaltung komplett abgelehnt wird.

Nach wie vor stören sich Radfahrer am meisten an der unbefriedigenden Situation in Nord-Süd-Richtung. Wer aus Norden in Richtung Hamburg fahren möchte, stößt am Ende einer Rampe auf einen Aufzug. Oder er muss es über den Zebrastreifen und die Fußgängerampel auf der Segeberger Chaussee über die Landesgrenze schaffen. Der Gutachter sieht bei der nördlichen Rampe die Gefahr von schweren Unfällen zwischen Radfahrern und Fußgängern. Auf der südlichen Seite fehlt eine Rampe komplett, weil die Stadt nicht an die nötigen Grundstücke für den Bau kommt. Wilma kritisiert aber, dass die Treppenanlage als Alternative zum Aufzug nicht barrierefrei gestaltet wurde. Die Stadtverwaltung verweist darauf, dass die Unfalllage im Norden bislang unauffällig sei, Handlungsbedarf wird nicht gesehen. Der von Wilma geforderte Umbau der Treppenanlage im Süden würde über 350.000 Euro kosten und sei auch aus Platzgründen nicht realisierbar.

Was die Führungen von blinden Menschen im Kreisverkehr angeht, so bemängelt der Gutachter die flächendeckende Verwendung von Rillenplatten. Er fordert die Verlegung von Rippen- beziehungsweise Noppenplatten, die den neusten Vorgaben der Verkehrsplanung entsprächen. Außerdem mahnt er die an den Überwegen verlegten, abgesenkten Bordsteine an. Er fordert hier die für Blinde wichtigen Bordsteine von drei Zentimetern Höhe. Allein diese Maßnahme würde laut Stadtverwaltung 400.000 Euro kosten. Nicht nur deshalb könne sie nicht nachvollzogen werden.

Das gesamte verbaute Material wurde von der Behindertenbeauftragten gemeinsam mit weiteren sehbehinderten Menschen getestet und freigegeben. „Im Übrigen haben wir sie im gesamten Stadtgebiet verbaut. Es macht keinen Sinn, jetzt am Knoten Ochsenzoll alles anders zu machen“, sagt Thomas Bosse.

Die Stadt müsste Änderungen zahlen; denn Bund und Land sagen Nein

Die Behörden von Bund und Land haben nach Prüfung des Gutachtens sämtliche Forderungen abgelehnt. Wenn es also nach ihnen geht, bleibt am Ochsenzoll alles beim Alten. Wenn Norderstedt Änderungen will, muss es auch dafür bezahlen. Deswegen befürwortet die Stadtverwaltung lediglich geringe Nachbesserungen bei der Führung der Sehbehinderten und Hinweisschilder für die Fußgängerampel auf der Segeberger Chaussee.

Außerdem wurden die sichtbehindernden Verstrebungen der Brückengeländer an den Tunnelzufahrten durch bruchsicheres Glas ersetzt.

Gutachter Uwe Wilma wird seine Ergebnisse der Verwaltung und Politik am Donnerstag, 5. Juni, im Ausschuss präsentieren. In der Folge müssen dann die weiteren Schritte politisch diskutiert werden.