Neues Konzept soll Fußverkehr attraktiver machen und der wachsenden Zahl an Autos in der Stadt entgegenwirken

Norderstedt. Weniger Autos auf den Straßen, dafür mehr Radfahrer und Fußgänger – das ist Ziel der Verkehrsplanung in Norderstedt. Doch ein Trend steht dagegen: Die Zahl der Autos steigt seit Jahren. Während die Neuzulassungen im Norden und auch bundesweit abnehmen, werden in Norderstedt mehr Autos bei der Zulassungsstelle angemeldet, und das jedes Jahr. Ende 2013 waren nach Angaben der Zulassungsstelle Segeberg 53.844 Fahrzeuge in der Stadt zugelassen, im Jahr 2008 waren es noch 51.611.

Zwar wächst auch die Zahl der Einwohner, dennoch rangiert die Stadt mit 704 Fahrzeugen pro 1000 Einwohnern bundesweit im oberen Drittel. Durchschnittlich gibt es nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes 658 Fahrzeuge pro Haushalt. Um gegenzusteuern, setzt die Stadt nun auch auf eine Gruppe von Verkehrsteilnehmern, die bisher vernachlässigt wurde: die Fußgänger.

Ein wichtiger Baustein im Mobilitätskonzept der Verkehrsplaner

Gemeinsam mit Anwohnern und einem externen Fachbüro hat die Verwaltung ein Fußverkehrskonzept erarbeitet, das der Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr schon beschlossen hat. „Das Fußverkehrskonzept ist ein ganz wichtiger Baustein in unserem Mobilitätskonzept“, sagt Baudezernent Thomas Bosse, der neben dem Rad- und dem öffentlichen Nahverkehr nun auch die Wege für Fußgänger attraktiver gestalten will.

Speziell für diese Gruppe ausgelegte Verkehrskonzepte gebe es bisher kaum in Deutschland, da betrete Norderstedt Neuland. Christine Werner, im Rathaus zuständig für das neue Konzept, weist im Vorwort für das mehr als 80 Seiten starke Papier auf die besondere Bedeutung des Gehens hin. Sind die Wege sicher und komfortabel, gewährleiste das eine hohe Beweglichkeit bis ins hohe Alter, wenn beispielsweise das Autofahren nicht mehr möglich oder gewollt ist. Wer regelmäßig zu Fuß geht, stärke seine Gesundheit. Beim Gehen werde der öffentliche Raum am intensivsten und unmittelbarsten erlebt. Gerade kurze Wege zum Bäcker oder zum Zeitungsmann könnten so erledigt werden. Fazit: „Städte für Fußgänger sind attraktive Städte.“

Und da hat Norderstedt noch viel Luft nach oben. Bisher liegt der Anteil der Fußgänger am Gesamtverkehr laut Verkehrsentwicklungsplan 2020 bei 16 Prozent. „Andere deutsche Städte zeigen, dass durchaus Anteile von 30 Prozent und mehr erreicht werden können“, sagt Christine Werner. Schwerin beispielsweise, auch eine Stadt mit weniger als 100.000 Einwohnern, bringt es auf 33 Prozent. Doch es geht den Planern nicht nur darum, umwelt- und gesundheitsfördernde Bewegungsformen nach vorn zu bringen. Auch die Aufenthaltsqualität soll steigen. Die Menschen sollen sich wohlfühlen im Freien, sich treffen und austauschen. Schließlich, so haben Untersuchungen ergeben, profitierten auch Gastronomie und Handel von attraktivem Fußverkehr.

Die Menschen auf die Beine zu bringen, funktioniere aber nur, wenn Wege, Freiflächen und Plätze überschaubar, barriere- und stolperfrei und komfortabel sind, sich die Passanten sicher fühlen, Bus- und Bahnstationen in der Nähe sind und es ausreichend Abstellmöglichkeiten für Kinderwagen, Rollatoren und Fahrräder gibt. Die Fußwege sollten 2,50 Meter breit, von Radwegen getrennt, gut ausgeleuchtet und einsehbar sein, durch verkehrsberuhigte Bereiche führen und nicht mit Autos zugeparkt werden.

Den Ist-Zustand haben professionelle Planer gemeinsam mit Anwohnern bei gemeinsamen Spaziergängen durch die fünf Stadtteile erhoben. Aus der Analyse ergab sich eine Fülle von Einzelmaßnahmen. Dazu zählen als wichtiger Baustein zusätzliche Mittelinseln, die das Überqueren der Hauptstraßen erleichtern sollen, beispielsweise über die Ulzburger Straße in Höhe der Pestalozzistraße. Dort müssten die Kinder der Grundschule Friedrichsgabe entweder ohne Zwischenstopp über die viel befahrene Nord-Süd-Achse kommen oder einen großen Umweg in Kauf nehmen.

Der Zebrastreifen könnte auch in Norderstedt Renaissance feiern

Christine Werner plädiert für eine „Renaissance der Zebrastreifen“. Sie verkürzten die Wartezeiten im Vergleich zu Ampeln deutlich und seien nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen keineswegs unsicherer. So habe sich Berlin für den Erhalt und die Neuanlage von Zebrastreifen ausgesprochen.

Zudem sollte überprüft werden, ob die Ampeln fußgängerfreundlicher gesteuert werden und Blink- oder „Count-Down-Ampeln“ eingerichtet werden können. Dabei zeigen Ziffern die Sekunden an, ehe Grün erscheint. Fast 50 Gehwege müssen dem Konzept zufolge verbreitert werden. Weil die Gehweg an der Pestalozzistraße, der Glockenheide, am Kirchenstieg, Birkenweg, Kabels Stieg und an der Müllerstraße zu schmal, aber wichtige Schulwege sind, sollten sie in verkehrsberuhigte Zonen umgewandelt werden.

Das Fußverkehrskonzept ist auf zwei bis drei Jahre angelegt. Die Gesamtkosten für eine fußgängerfreundliche Stadt beziffert Christine Werner auf gut 800.000 Euro.