Heiner Hoffmann bekam von seinem Cousin, einem Bildhauer, Fragmente der Dresdner Frauenkirche geschenkt

Rechtzeitig zum 71. Geburtstag traf ein ungewöhnliches Geschenk bei Heiner Hoffmann ein: Steine der Dresdner Frauenkirche und Bilder, die aus Fragmenten des bekannten Barockbaus gefertigt wurden, rund 150 Kilo Geschichte und Kunst. Geschickt hat ihm die Präsente Reinhard P. Kilies, ein Mann, der sein Geld als Bildhauer in Limbach-Oberfrohna in der Nähe von Dresden verdient und mit Hoffmann verwandt ist. Doch von den gemeinsamen Wurzeln wussten beide bis vor Kurzem nichts. Kilies hatte sich auf familiäre Spurensuche begeben und ein Foto entdeckt, das, so erfuhr er, seinen Cousin als Baby zeigt.

Das weckte das Interesse des Ahnenforschers, er wollte wissen, was aus dem Baby geworden ist und hatte Glück: Auf dem Foto stand eine Lübecker Adresse. Sein Cousin war nach Norwegen gezogen, doch der Bruder gab die Anfrage aus Sachsen weiter an die Schwester, die Hoffmanns Schwester informierte, die wiederum Kontakt zu Hoffmann aufnahm. „So schloss sich der Kreis, und wir konnten feststellen, dass wir über die mütterliche Seite familiär verbunden sind. Sein Großvater und meiner waren Brüder“, sagt der Norderstedter.

Er nahm Kontakt zum sächsischen Verwandten auf und war zunächst skeptisch, befürchtete, auf einen intellektuellen, verschrobenen und womöglich arroganten Künstler zu treffen. Doch schon nach wenigen Minuten waren die Zweifel weggewischt. „Er hat ganz normal geschnackt, und wir waren uns ziemlich schnell sympathisch“, sagt der Pensionär, der inzwischen erfahren hatte, dass sein Cousin in der Region um seinen Wohnort in Sachsen als Künstler durchaus bekannt und geachtet ist. „In vielen öffentlichen Gebäuden sind viele Wände und ganze Flure mit seiner Kunst versehen“, sagt Hoffmann. Der gelernte Steinmetz hatte sich zudem Steine gesichert, die für den Wiederaufbau der Frauenkirche nicht gebraucht wurden. Baudirektor Eberhard Burger von der Stiftung Frauenkirche hatte sie ihm zur Verfügung gestellt.

Einige Sandsteine zerschnitt Kilies und schuf Mosaike und Bilder. „Aber viele waren zu schön bearbeitet, um sie zu verändern, oder zu groß, um sie bearbeiten zu können“, sagte der 67 Jahre alte Bildhauer. Aus diesen Steinen entstand auf dem weitläufigen Grundstück des Steinkünstlers die Franz-von-Assisi-Kapelle, das Hauptwerk von Kilies. Viele ehemalige Mauerbrocken wuchtete er allein übereinander, für die ganz Schweren brauchte er einen Minibagger und helfende Hände. Als Altar dient das eine Tonne schwere Unterteil einer Rauchvase von einem Giebel der Frauenkirche. In den Nischen und auf der Mauerkrone fanden steinerne Kleinode ihren Platz. Zu jedem von ihnen kann Kilies, der früher als Reiseleiter und Dolmetscher gearbeitet hat, eine Geschichte erzählen.

Regelmäßig telefonieren Hoffmann und Kilies miteinander, dabei geht es natürlich auch immer um das künstlerische Wirken des Sachsen. Und irgendwann traute sich der Norderstedter, die entscheidende Frage zu stellen: „Hast du nicht mal was von der Frauenkirche für mich?“ Der Künstler hatte, Hoffmann organisierte und bezahlte den Transport, der insgesamt rund 150 Kilo schweren Objektfuhre. Prunkstück ist ein mindestens 20 Kilo schwerer Brocken, der wohl aus der Frontmauer des Dresdner Wahrzeichens stammt. „Bei diesem Stein sieht man, wie das Feuer mit seiner sagenhaften Hitze selbst Steine verändern kann“, sagt der Rentner und zeigt ein kleineres Exemplar, das rötlich gefärbt ist und sich deutlich vom schmutzigen Grau des normalen Elbsandsteins unterscheidet. Die Luftangriffe der britischen und amerikanischen Bomber während des Zweiten Weltkriegs entfachten einen Feuersturm in Dresden, der auch die Frauenkirche zerstörte (s. Info-Kasten).

Außerdem hat Kilies die Fragmente der Kirche zu Vogeltränken und Bildern aus Steinornamenten verarbeitet. Drei kleine Wasserbecken für den Garten und vier Steinmosaike waren außer den Steinen in der Ladung, die der Spediteur aus Sachsen nach Norderstedt brachte. Inzwischen hat der Adressat den Bestand etwas reduziert und einen Teil der steinernen Spende an seine Verwandten verschenkt. Der dickste Brocken allerdings behält seinen Ruheplatz in Norderstedt. Er liegt neben dem Eingang zum Reihenhaus, erinnert an die Zerstörung durch den Krieg und ist Hoffmanns ganz persönliches Mahnmal für den Frieden.