Eltern, Lehrer und Schüler am Schulzentrum Süd fühlen sich von Politik und Verwaltung seit Jahren benachteiligt

Norderstedt. Thomas Thedens, 42, steckt den Finger zwischen Fensterglas und Rahmen – passt. Der Spalt ist breit genug. Die frische Frühlingsluft hat über die maroden Fensterfronten des verglasten Eingangs den ganzjährig ungehinderten Zugang zum Lise-Meitner-Gymnasium. „Heute ist ein warmer Frühlingstag. Im Winter wird das in den Gängen eiskalt“, sagt Thedens.

Thedens ist Elternbeirat am Meitner-Gymnasium. Seit knapp einem Jahr. Sein Sohn besucht hier die fünfte Klasse. Elternvertreter ist Thedens aber schon, seit der Filius im Kindergarten war. Jetzt kämpft er als Elternrat unermüdlich dafür, dass endlich der Sanierungsstau an dem über 40 Jahre alten Schulgebäude des Schulzentrums Süd in Glashütte behoben wird. Und das natürlich nicht allein. Denn unter dem Dach des Schulzentrums ist auch die Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark. Und Elternvertreterin Melanie Neubaur, 41, ist beim Thema Sanierung nicht weniger hartnäckig als Thedens. „Wir lassen keine Sitzung der Kommunalpolitik mehr aus“, sagt Thedens. Beide setzen darauf, unbequem zu sein, zu nerven, immer wieder den Notstand anzuprangern.

Und der ist mehr als augenscheinlich. Ritzen in den Fensterfugen, verbeulte Abluftrohre, völlig abgenutzte, löchrige Teppiche, Wasserflecken an den Decken, Schimmelbefall in den Hausmeisterwohnungen. Die Chemie- und Physik-Räume? Veraltet, viel zu klein, schlecht durchlüftet, im Winter kalt, im Sommer viel zu heiß und muffig. Die Schulküche ist abgenutzt, die Spanplatten der Küchenschränke sind vom jahrelangen Gebrauch an den Kanten aufgequollen. Wäre die Schule eine Mietwohnung, man würde die Miete mindern und den Vermieter zu umfangreichen Sanierungen auffordern.

Es ist nicht so, dass im Rathaus und in der Kommunalpolitik all diese Mängel ignoriert würden. Die Schuldezernentin Anette Reinders versichert dem Schulzentrum mit schöner Regelmäßigkeit, ganz oben auf der Liste der zu sanierenden Schulen in Norderstedt zu sein. Die Stadtvertreter aller Fraktionen anerkennen die vielen inakzeptablen Mängel am Schulzentrum. Sie diskutieren aktuell sogar den kompletten Abriss und Neubau der Schule.

Seit 20 Jahren wird über Sanierung diskutiert. Geschehen ist nicht viel

Das vor über 40 Jahren nach dem sogenannten „Kasseler Schulmodell“ in Stahlbeton-Fertigteilbauweise mit Sandwich-Elementen erbaute Schulzentrum ist auch energetisch ein Albtraum. In ganz Deutschland wurden diese Schulen in den 70er-Jahren gebaut. Norderstedt hat mit dem Schulzentrum-Nord noch ein zweites „Kasseler Modell“. Und dort, wie auch sonst im ganzen Land, machen die Gebäude dieselben Probleme.

Die beiden Schulleiterinnen Ursula Hohenstein (Lise-Meitner-Gymnasium) und Christiane Bustorf (Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark) sind es gewohnt, vom Rathaus und der Politik vertröstet zu werden. Seit Jahrzehnten. „Ich mache den Job jetzt über 20 Jahre. Schon an meinem ersten Tag hier ging es um den Zustand der Gebäude und was dagegen unternommen werden muss“, sagt Christiane Bustorf. Sie legt einen Aktenordner mit der Laufnummer 9.1 auf den Tisch – der neunte Ordner voller Schreiben, Gutachten, Architekturpläne und Brandbriefe, die zwischen den beiden Schulleitungen und dem Rathaus hin und her gegangen sind über die Jahre. Bustorf schlägt eine der vielen Mängellisten auf. „Achtung! Sehr dringend“ steht in Reihe hinter den aufgeführten Punkten. „2009 kam hier sogar ein Architekt im Auftrag der Stadt vorbei. Wochenlang, Tag für Tag, sogar in meinem Urlaub am Strand habe ich Pläne für die Sanierung der Schule mit ihm abgestimmt. Dann war alles fertig – und wir hörten nichts mehr von der Stadt. Bis heute.“

Zuletzt platzte den beiden Schulleiterinnen die Hutschnur. In einem Brief an die Verwaltung prangerten sie die aus ihrer Sicht unhaltbaren Zustände der Naturwissenschaftsräume an und warnten, die Sicherheit der Schüler sei hier nicht mehr gewährleistet. Doch geschehen ist seither wieder nichts.

Die Schulentwicklungsplanung muss stehen – vorher wird nichts entschieden

Im aktuellen Haushalt der Stadt stehen 90.000 Euro für die Sanierung der schimmelnden Hausmeisterwohnungen bereit. Weitere 200.000 Euro sind für die Sanierung geparkt, über ihre Verwendung herrscht noch keine Klarheit. Anette Reinders mahnt Geduld an und verweist auf die derzeit laufende Prüfung der Schullandschaft durch das Gutachterbüro Steria Mummert. Sie soll die Grundlage für die Neuausrichtung der Schulentwicklungsplanung der Stadt Norderstedt sein, die bis zu den Sommerferien vorliegen soll. Vorher fallen in Sachen Sanierung keine großen Entscheidungen.

Am Gefühl, jahrzehntelang in der Schullandschaft benachteiligt worden zu sein, wird das Gutachten bei Eltern, Schülern und Lehrern am Schulzentrum Süd nichts ändern. Thomas Thedens: „Die Stadtvertreter wohnen nicht in Glashütte und haben ihre Kinder nicht am SZS. Sonst wäre die Lage vielleicht nicht so prekär.“