Mit Stefan Bauer bekommt Henstedt-Ulzburg erstmals einen politisch unabhängigen Bürgermeister

Henstedt-Ulzburg. Für Stefan Bauer war der Tag nach seinem Sensationssieg bei der Bürgermeisterwahl ein ganz normaler Arbeitstag. Auch als künftiger Bürgermeister von Henstedt-Ulzburg erledigt er seine gewohnten Aufgaben: Bereits um 9 Uhr saß er wieder an seinem Schreibtisch bei der Hamburger Kriminalpolizei, um seinen Dienst zu verrichten. Einen „Bürgermeisterbonus“ gibt es in seiner Behörde nicht, wenngleich seine Mitarbeiter natürlich gratuliert haben. „Und das wird in den nächsten drei Wochen auch so bleiben“, sagt Stefan Bauer.

Am 1. Juni beginnt im Henstedt-Ulzburger Rathaus ein neues Zeitalter: Erstmals seit Gründung der Gemeinde im Jahre 1970 stellt nicht die CDU den Bürgermeister. Mit Stefan Bauer hat ein Mann die Bürgermeisterwahl gewonnen, der sich selbst aufgestellt hat. Er bekam 51,25 Prozent der Wählerstimmen und hat die Wahl mit einer souveränen absoluten Mehrheit gewonnen. Doris Baum, die Kandidatin von SPD und WHU, kam auf 33,02 Prozent, Susanne Bendfeldt, Kandidatin von CDU und BfB, auf 15,73 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 43,19 Prozent.

Viele Familienmitglieder und Freunde waren mit in den Ratssaal gekommen, um Stefan Bauer die Daumen zu drücken. Die Spannung verlagerte sich schnell: Schon nach Bekanntgabe der Ergebnisse aus den ersten Wahlbezirken war der Trend eindeutig. Niemand konnte mehr daran zweifeln, dass Stefan Bauer an diesem Abend der Wahlsieder sein würde. Spannend war nur noch die Frage, ob er mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen würde auf sich vereinigen können. Auf der großen Wand im Ratssaal wurden die Ergebnisse eingeblendet – mal lag Bauer knapp über, mal knapp unter 50 Prozent. Gemeindewahlleiter Joachim Gaedick löste die Spannung am Ende auf, trat ans Rednerpult und gab das vorläufige amtliche Endergebnis gegen 19.30 Uhr bekannt.

Stefan Bauer bekam viel Unterstützung von Geschäftsleuten in der Gemeinde

Grenzenloser Jubel auf der einen Seite, Niedergeschlagenheit auf der anderen Seite. Eine Anhängerin von Stefan Bauer öffnete ihren Mantel und präsentierte stolz ihr T-Shirt mit der Aufschrift „Bauer sticht“. Der Wahlgewinner nahm die Glückwünsche vieler Bürger entgegen, und auch die Wahlverlierer Doris Baum und Susanne Bendfeldt gratulierten ihm. Beide hatten das Eintreffen der Wahlergebnisse mit ihren Ehemännern verfolgt. Zumindest Doris Baum wirkte nicht niedergeschlagen: „Es war ein interessanter Wahlkampf, es hat mir Spaß gemacht und so schlecht ist mein Ergebnis ja auch nicht.“

Stefan Bauer, stellvertretender Leiter der Abteilung Wirtschaftskriminalität bei der Hamburger Kriminalpolizei, hatte mit einem Wahlsieg gerechnet; denn es hatte in den vergangenen Tagen viele Signale im Ort gegeben, die eine breite Unterstützung für ihn vermuten ließen. Spätestens nach der letzten Vorstellungsrunde der Kandidaten im Bürgerhaus war die Stimmung in seine Richtung geschwenkt. So hatten viele Geschäftsleute aus dem Ort eine ganze Anzeigenseite geschaltet, um Bauer zu unterstützen. „Allerdings hatte ich nicht mit einem Sieg in dieser Höhe gerechnet, das hat mich schon überrascht“, sagte er.

Von der Arbeit in einer Gemeindeverwaltung weiß Stefan Bauer zurzeit noch nicht viel, aber er will nicht unvorbereitet ins Rathaus kommen. Er will in den kommenden Wochen viele Gespräche führen, um sich mental auf seine künftige Tätigkeit einzustellen. Denn er ahnt, dass seine Arbeit von der Politik, aber auch von den Kollegen im Rathaus vermutlich ganz genau beobachtet wird. „Ich werde mir eine Struktur zurechtlegen, wie ich in das Amt einsteigen kann.“ Im Rathaus selbst will er nach seinem Amtsantritt zunächst die Mitarbeiter kennenlernen und eine Bestandsaufnahme machen. Als kurzfristige Ziele nennt er die Einrichtung einer Bürgersprechstunde und eine mögliche Veränderung der Rathaus-Öffnungszeiten, um mehr Arbeitnehmerfreundlichkeit zu beweisen. Er werde sich Ideen holen und dabei auch über den örtlichen Tellerrand hinaus blicken. Insgesamt sieht er seine künftige Aufgabe realistisch: „Ich werde ein Jahr benötigen, um sattelfest zu sein.“ Auf seine geplante Motorradreise mit Freunden quer durch Europa muss er in diesem Jahr verzichten.

Nach der Abwahl von Torsten Thormählen waren die örtlichen Parteien und Wählergemeinschaften mit dem Anspruch angetreten, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen, um politische Einigkeit zu demonstrieren. Dieses Vorhaben hat nicht geklappt, stattdessen sind die politischen Gräben tiefer geworden. Vor allem bei der CDU wird in diesen Tagen Ursachenforschung betrieben. Noch wenige Tage vor der Wahl hatte es bei den Christdemokraten eine Krisensitzung gegeben, in der es darum ging, die Kandidatur von Susanne Bendfeldt möglicherweise kurzfristig zurückzuziehen. Denn die Kandidatin hatte sich vor allem aus eigener Schuld selbst in eine schlechte Ausgangsposition begeben: Das Verschweigen der Spitzenstellung in der Schill-Partei und der kurzfristigen Tätigkeit bei der Firma Manke hatten die Chancen für die CDU/BfB-Kandidatin deutlich geschmälert.

Hinzu kam eine Werbekampagne der CDU, die zum Teil auf das persönliche Verunglimpfen der Gegenkandidaten ausgerichtet war. So hatte die CDU auch vor der vergangenen Bürgermeisterwahl agiert. Der damalige CDU-Kandidat Torsten Thormählen distanzierte sich im Laufe des Wahlkampfes sogar von den Aussagen der CDU, um seine Wahlchancen zu wahren. Kurz vor der Wahl hatte Meschede einige Bendfeldt-Kritiker, die sich in Leserbriefen geäußert hatten, in einer CDU-Broschüre namentlich genannt und als „frustrierte Wähler“ bezeichnet. Und schließlich kann auch die zuletzt durch eine Anzeigenkampagne deutlich gewordene übergroße Nähe zum Landtagsabgeordneten Volker Dornquast möglicherweise von Nachteil gewesen sein: Den Ex-Bürgermeister sehen viele Henstedt-Ulzburger als politischen Strippenzieher für die CDU im Hintergrund.

CDU-Chef Meschede bezeichnet das Ergebnis als eine „Klatsche für alle"

CDU-Ortsvorsitzender Michael Meschede sieht selbst auch viele Fehler, die im Laufe des Wahlkampfes gemacht wurden. „Ich will aber keine Schuldzuweisung betreiben.“ Das Wahlergebnis betrachtet er als „eine Klatsche für alle“. Über mögliche persönliche Konsequenzen habe er noch nicht nachgedacht. SPD-Fraktionsvorsitzender Horst Ostwald vermutet, dass Susanne Bendfeldt viele potenzielle CDU-Wähler verschreckt hat, die dann Stefan Bauer gewählt haben. Dem künftigen Bürgermeister werde er keine Steine in den Weg legen. „Wir arbeiten natürlich mit ihm zusammen, aber er wird Zeit brauchen, um sich einzuarbeiten.“

WHU-Fraktionsvorsitzende Karin Honerlah kündigt ebenfalls Unterstützung für Stefan Bauer an. Er habe selbst eine hohe Erwartungshaltung in seine Amtsführung geweckt. „Wir hoffen im Interesse der Gemeinde darauf, dass Herr Bauer die Verwaltung gut und sicher leiten wird.“ BfB-Vorsitzender Jens Iversen verspürt in Henstedt-Ulzburg eine Stimmung gegen die örtliche Politik. „Alle müssen sich fragen, warum das so ist und was man dagegen machen kann.“ Seine Fraktion werde den Bürgermeister unterstützen. Susanne Bendfeldt halte er immer noch für eine gute Kandidatin, das Agieren der CDU während des Wahlkampfes sei aber nicht sein Stil.