Ohne die Zuschüsse der Stadt Norderstedt müsste die Verbraucherzentrale am Rathausmarkt schließen

Norderstedt. Arbeiten unter dem „Damokles-Schwert“. So sehen Iris Buschmann und Heike Vogel ihre Situation. Denn dass die Beratungsstelle der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein am Rathausmarkt irgendwann schließen muss, bleibt wahrscheinlich. „Für uns persönlich ist das sehr belastend. Nicht zu wissen, wie es weitergeht, auf längere Sicht“, sagt Buschmann und zuckt mit den Schultern. Sie kennt es ja nicht anders. Seit Jahren.

Am Montag hat der Hauptausschuss der Stadtvertretung beraten, ob die Stadt der Verbraucherzentrale erneut einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 11.000 Euro überweist und noch dazu die Jahresmiete in Höhe von 13.548 Euro erlässt. Ohne diese 24.548 Euro wäre die Beratungsstelle längst dicht. Die Bewilligung der Mittel gilt als sicher. Am Montag wurde sie vertagt, weil noch budgetrechtliche Fragen mit dem Land abgeklärt werden müssen.

Dass die Verbraucherschützer klamm sind und ohne die städtische Finanzspritze nicht überlebensfähig, hängt mit der Kürzung der Zuschüsse des Landes Schleswig-Holstein zusammen. Die schwarz-gelbe Koalition unter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hatten dem Verein die Mittel 2012 von jährlich 758.000 Euro auf 699.000 zusammengestrichen. Der Vorstand der Verbraucherzentrale entschied: Die Beratungsstellen Norderstedt und Heide sind nicht zu halten. In Norderstedt kam die Rettung durch den städtischen Zuschuss in letzter Minute.

Nun regiert die „Dänen-Ampel“. Und die sicherte den Verbraucherschützern zu, dass sie in dieser Legislaturperiode 699.000 Euro pro Jahr für die fünf Beratungsstellen in Norderstedt, Kiel, Flensburg, Heide und Lübeck erwarten dürfen – mehr nicht. Die Union, nun in der Oppositionsrolle, hatte eine Erhöhung der Zuschüsse gefordert. Das lehnte die Regierungskoalition ebenso ab wie die gleichlautenden Forderungen der Piraten-Partei.

Für die Verbraucherzentralen bedeutet der unveränderte Zuschuss weitere Einsparungen. „Wir haben zum Jahresbeginn knapp 100 Beratungsstunden gestrichen, von 384 auf jetzt noch 290“, sagt Stefan Bock, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Außerdem wurden die Öffnungszeiten verkürzt.

In Norderstedt wurde eine Stelle eingespart. Eine Mitarbeiterin, die auf einer befristeten Stelle in Mutterschutz ging, wird nicht mehr zurückkehren. „Und wir haben nicht mehr ab 9 Uhr, sondern ab 10 Uhr geöffnet“, sagt Iris Buschmann. Gemeinsam mit Heike Vogel teilt sie sich 44,5 Stunden. 22 Stunden die Woche ist die Beratungsstelle geöffnet, 22 Stunden ist das Beratungstelefon geschaltet. „Wir haben jedes Jahr etwa 11.000 Kontakte“, sagt Buschmann. „Der Bedarf ist hoch. Eine Schließung wäre völlig unverständlich“, sagt Heike Vogel. Das Beratungstelefon klingele ständig. Landesweit, so teilt der Verein mit, könne aber jedes dritte Telefonat aus Personalmangel gar nicht mehr angenommen werden.

Es sieht nicht so aus, als wolle die Landesregierung in Zukunft viel mehr Geld in die Verbraucherzentrale investieren. Stattdessen sollen neue Finanzierungsmodelle gefunden, EU-Fördertöpfe wie ESF und EFRE angezapft werden. Ein externes Gutachten will die Landesregierung in Auftrag geben, das die Strukturen der Verbraucherzentrale durchleuchtet. Außerdem, so formulierte es die SPD-Landtagsabgeordnete Regina Poersch, will das Land den Verbraucherschutz langfristig am Verursacherprinzip ausrichten. Sprich: Die Wirtschaft, die für Verbraucher-Verwirrung verantwortlich sei, solle für die Aufklärung bezahlen. Damit schiebt die Landespolitik die Finanzierungsfrage der Bundespolitik zu, die für den gesetzlichen Rahmen dafür schaffen müsste.

„Wir sehen dieses Gutachten als Chance für uns“, sagt Stefan Bock. „ Nur muss das Strategiepapier vor den nächsten Haushaltsberatungen vorliegen. Selbst wenn es für uns unangenehme Wahrheiten enthält.“ Die stetige Unsicherheit über die Finanzierung will Bock seinen 38 Mitarbeitern nicht länger zumuten. „Wir brauchen eine gesetzliche Grundlage bei der Finanzierung und nicht ständigen Streit zwischen dem Bund, den Kommunen und dem Land.“ Bock kann die Enttäuschung in Norderstedt verstehen. „Die Norderstedter zahlen zuverlässig, während die Lübecker und Flensburger gar keine Zuschüsse mehr leisten, weil sie defizitäre Haushalte haben.“

Bock glaubt nicht, dass das Gutachten zu ganz neuen Erkenntnissen kommen werde. „Es wird sich nicht deutlich von dem unterscheiden, was ich seit Jahren gebetsmühlenartig erkläre.“ 2003 habe ein Gutachten errechnet, dass der Verein mit einer institutionellen Finanzierung von 840.000 Euro im Jahr auskommen würde. Hochgerechnet müsste heute also etwa 1 Million Euro pro Jahr angesetzt werden.

Iris Buschmann und Heike Vogel sorgen trotz aller Widerstände dafür, dass Norderstedter Verbraucher Rat bekommen, wenn sie ein Haus finanzieren oder bauen wollen oder wenn sie auf der Suche nach der richtigen Altersvorsorge sind. „Wenn man über das Geld spricht, das wir kosten, dann müsste man auch über den volkswirtschaftlichen Nutzen sprechen, den wir mit unserer Beratung erzeugen“, sagt Heike Vogel. „Wir schützen die Leute davor, finanzielle Dummheiten zu machen. Das schützt den Staat vor sozialen Ausgaben.“