Seit 2001 lebt Familie Hakopjan in Deutschland. Die Abschiebung nach Armenien droht, doch es gibt noch Hoffnung

Nahe. Die Hakopjans haben Angst. Angst, dass erneut ein großes Polizeiaufgebot im Morgengrauen vor der Tür steht. Angst, ihre neue Heimat in Nahe aufgeben und in die alte Heimat, das mittlerweile fremde Armenien zurückkehren zu müssen. Es fehlte nicht viel, und die Familie hätte ein Flugzeug bestiegen – ohne Aussicht auf Wiederkehr. Vorerst ist die Abschiebung allerdings gerichtlich gestoppt. Und ab sofort wollen Artak und Karine Hakopjan mit ihren Söhnen Erik, Karen-Alex und Roman kämpfen. Für ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland. Gemeinsam mit vielen Bürgern aus Nahe. Und gegen eine juristische Lage, die kaum mehr anfechtbar scheint.

Es ist Freitag, der 31. Januar, als sich die Situation zuspitzt. Um 6 Uhr morgens klingelt es an der Wohnungstür der Hakopjans. Vater Artak vermutet Nachbarn, doch sieht sich plötzlich einem knappen Dutzend Polizeibeamter und Mitarbeitern von Ausländerbehörden gegenüber. Unmissverständlich machen diese deutlich: Die Familie soll sofort das Land verlassen. Für den Abtransport zum Flughafen Fuhlsbüttel stehen zwei Kleinbusse bereit.

Was folgt, ist dramatisch. Artak wird mit Handschellen gefesselt und in einen der Busse gesetzt. Auch die Kinder haben keine Wahl. „Als ich die Augen aufmachte, standen drei Polizisten vor mir. Sie sagten: Komm, steh auf, es geht zurück nach Armenien“, sagt der 12 Jahre alte Erik. Gemeinsam mit seinen Brüdern Karen-Alex, 11, und Roman, 7, muss er neben seinem Vater Platz nehmen. Die Mutter kommt – lediglich mit einem Nachthemd bekleidet – in das zweite Fahrzeug.

Es bleibt wenig Zeit. Ein Freund der Familie benachrichtigt den Rechtsanwalt Joachim Heilborn – der Experte für Asylrecht vertritt die Familie seit Jahren. Und tatsächlich: Heilborn kann im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig erwirken, dass der Abschiebebeschluss vorerst ausgesetzt wird. Grund: Der Kreis soll einen Formfehler begangen und nicht auf eine Regelung hinsichtlich einer befristeten Einreisesperre hingewiesen haben.

Um 12.20 Uhr hebt ein Flieger nach Moskau ab – dort hätte die Anschlussmaschine in die armenische Hauptstadt Eriwan gewartet. Die Hakopjans sind zu diesem Zeitpunkt indes nicht an Bord, sondern auf der Rückfahrt nach Nahe.

Doch welche Zukunft hat die Familie in Deutschland? Zum Hintergrund: 2001 kamen Artak und Karine aus Armenien. Er flüchtete damals vor dem Wehrdienst. Denn Armenien streitet schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach; in den 1990er-Jahren führten beide Staaten einen Krieg, gelöst ist der Konflikt auch heute nicht.

Ein dauerhaftes Bleiberecht haben die Hakopjans nie erhalten. Dies gilt ebenso für die Kinder – anders als etwa in den USA erhalten Neugeborene ausländischer Eltern in Deutschland nicht automatisch die Staatsbürgerschaft. Sogar bis zum Bundesverwaltungsgericht gingen die Versuche, ein Bleiberecht zu erstreiten. Doch auch in letzter Instanz hieß es, dass kein humanitäres Aufenthaltsrecht bestünde.

Seit 2006 wird lediglich monatlich der Duldungsstatus verlängert. Doch warum dieser Schwebezustand derartig lange besteht, darüber gibt es zwei Versionen. Rechtsanwalt Heilborn führt die Gesundheit von Erik Hakopjan an. Dieser hat seit seiner Geburt eine missgebildete Hand, wurde mehrfach operiert und ist weiterhin in Behandlung. Solange die Therapie nicht abgeschlossen sei, dürfe die Familie bleiben, so Heilborn. Die armenische Botschaft soll nun aber der Meinung sein, dass Erik in Eriwan behandelt werden könne.

Rolf Meenen, Leiter des Fachdienstes für Ausländer- und Asylangelegenheiten im Kreis, bestreitet dies. „Die Familie war immer ausreisepflichtig, wir haben aber von den armenischen Behörden keine Passpapiere bekommen“, sagt er. Nun würden alle Formulare vorliegen. Und auch der Polizeieinsatz vom 31. Januar sei nicht ohne Vorlauf geschehen. „Es ist gelogen, wenn gesagt wird, die Familie sei nicht informiert worden. Sie wurde mehrfach aufgeklärt und gebeten, über ihre Ausreise nachzudenken.“

Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichtes dürfte der Kreis Einspruch einlegen. Doch das Verfahren liegt auch aus einem anderen Grund auf Eis. Mittlerweile wurde die Härtefallkommission des schleswig-holsteinischen Innenministeriums eingeschaltet. Die Initiative ging von Petra Nagel aus. Die Sprachlehrerin hat auch die drei Söhne der Hakopjans unterrichtet. „Ich sehe hier alle Möglichkeiten, dass die Kinder ihr Abitur machen und dann studieren“, sagt sie. „Die Familie ist seit Jahren integriert. In Armenien hätte sie keine Chance.“ Ähnlich argumentiert Rechtsanwalt Heilborn. „Es geht hier um Kinder, die die armenische Sprache nicht gelernt haben, sondern in Deutschland sozialisiert worden sind.“

Im Internet gibt es zudem eine Onlinepetition auf www.openpetition.de, die der Naher Judotrainer Michael Mieß erstellt hat. Mehr als 2700 Menschen haben den Antrag gegen die Ausweisung der Hakopjans bereits unterzeichnet.