Planungen für den Abriss des Hauses der sozialen Dienste in Bad Bramstedt gehen trotz des bevorstehenden Bürgerentscheids weiter

Bad Bramstedt. Den Geruch kennt jeder, er ist nur schwer zu beschreiben. Wer jemals ein altes Haus betreten hat, das nicht gerade frisch gelüftet wurde, kennt die Note. Es riecht „alt“ – ein bisschen muffig, leicht feucht und nach Heizung und Linoleum. Geht die Tür zum Haus der sozialen Dienste in Bad Bramstedt auf, schlägt dem Besucher diese „alte“ Wolke entgegen. Toiletten, Tapeten und Möbel stammen zum Teil aus den 60er-Jahren. Das Mauerwerk ist mehr als 150 Jahre alt. Technik und Substanz sind marode. Jetzt müssen die Nutzer raus, das historische Haus an der Altonaer Straße soll im Februar abgerissen werden.

Doch noch wissen das Rote Kreuz, die Kita des Kinderschutzbundes, der Sozialverband und Selbsthilfegruppen nicht genau, wo sie unterkommen werden. „Das zerrt an den Nerven“, sagt Nils Böttger, Leiter der Rot-Kreuz-Sanitätsbereitschaft. „Seit Monaten gibt es kein anderes Thema mehr bei uns.“

Für die vielen Ehrenamtler ist der Backsteinbau zur Heimat geworden – trotz der Geruchsnote, trotz der alten Heizungen, trotz schmaler Treppen. Besonders das Rote Kreuz ist in dem einstigen Bramstedter Armenhaus aktiv: Hier treffen sich das Jugendrotkreuz, die Sanitätsbereitschaft und die Handarbeitsgruppe. In zwei Räumen lagern die Helfer der Kleiderkammer Textilien aller Art für Menschen in Notlagen. Die Mitarbeiter von „Helfer vor Ort“ rücken zu Einsätzen in die Umlandgemeinden aus, wenn der Rettungsdienst des Kreises überlastet ist. 700 Mitglieder zählt der Ortsverein, davon arbeiten 50 aktiv mit.

Böttger und die Vereinsvorsitzende Hella Lakatos sorgen sich jetzt, dass die Ungewissheit den Ehrenamtlern die Motivation raubt. „Man muss Angst haben, dass einige die Arbeit hinwerfen“, sagt Böttger. „Und wenn einer geht, dann folgen weitere.“ Hella Lakatos fürchtet, dass es 20 Jahre dauern kann, einen so großen Stamm von aktiven Helfern wieder aufzubauen.

Die Rotkreuzhelfer haben bereits Kartons gepackt und ausgelagert. Die 40 Gäste des monatlichen DRK-Seniorenfrühstücks treffen sich neuerdings im Schloss und nicht mehr im Haus der sozialen Dienste, das nicht einmal über behindertengerechte Toiletten verfügt.

Mit viel Geld und Engagement hätte die Stadt das Backsteingebäude in Schuss halten können, doch Bad Bramstedt ist chronisch klamm. Jetzt soll der Abriss kommen. Seit Sommer 2013 steht fest, dass anstelle des alten Hauses ein neues Gebäude für die Kita mit ihren zwei Gruppen entstehen soll. Zuschüsse wurden bereits zugesagt. Im Sommer könnte der Neubau stehen, sagt Bürgermeister Hans-Jürgen Kütbach. Baut die Stadt in diesem Jahr nicht, verfallen voraussichtlich die Fördermittel

Auch für das Rote Kreuz und den Sozialverband könnte sich eine Lösung abzeichnen, sofern sie nicht selbst eine neue Unterkunft finden. Ein Investor, der seine Identität nicht preisgeben will, plant in der Nähe des Bahnhofs einen Neubau für die Helfer und wird laut Kütbach nur „eine niedrige, angemessene Miete“ fordern. Miete haben die Rotkreuzler im stadteigenen Haus der sozialen Dienste bislang nicht gezahlt. Der Bürgermeister will jetzt klären, ob die Politiker bereit sind, dem Roten Kreuz finanziell zu helfen.

Nur die Fahrzeuge der Rotkreuzler könnten nicht mit umziehen. Die Garage am Haus der sozialen Dienste wäre weiterhin unverzichtbar, das Rote Kreuz hat die Fahrzeughalle noch nicht einmal abbezahlt.

Inwieweit Stadt und Verbände ihre Zukunftspläne überhaupt umsetzen können, ist allerdings nicht mehr 100-prozentig sicher, seitdem sich die Bramstedter FDP darauf versteift hat, die Bürger über das Haus der sozialen Dienste entscheiden zu lassen. Nachdem sich im Sommer bis auf die Liberalen alle Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung angesichts leerer Kassen für den Abriss in diesem Frühjahr ausgesprochen haben, trat Ende 2013 der Ortsverein mit der Idee an die Öffentlichkeit, einen Bürgerentscheid gegen den Abriss zu initiieren.

Warum die Liberalen erst zum Jahreswechsel auf diese Idee kamen, blieb in der Dezembersitzung der Stadtverordneten nach der Rede von FDP-Fraktionschef Joachim Behm offen. Selbst sein Parteifreund und Bürgermeister Hans-Jürgen Kütbach warnte davor, Zuschüsse infrage zu stellen und ein marodes Gebäude zu erhalten, das mittelfristig niemand mehr nutzen könne.

Seit wenigen Tagen sammeln die Liberalen Unterschriften. 1001 Bramstedter müssen schriftlich bekunden, dass sie den Entscheid wollen. Kommen die Unterschriften zusammen und erklärt die Kommunalaufsicht das Verfahren für zulässig, werden bis zum Urnengang alle Beschlüsse auf Eis gelegt. Möglicherweise kommt die FDP jedoch zu spät. Der Beschluss für den Abriss im Februar sei rechtlich bindend, so Kütbach. So könnte es dazu kommen, dass die Liberalen noch Unterschriften sammeln, während das Haus in Trümmer gelegt wird. Oder das Haus muss wegen des Entscheids erhalten werden, kann aber wegen diverser Baumängel nicht mehr genutzt werden. Für das DRK und die anderen Nutzer gibt es daher nur eine Gewissheit: In das Haus der sozialen Dienste werden sie höchstwahrscheinlich nie mehr zurückkehren können.