SPD, Grüne und Die Linke stoppen Bauvorhaben am Schmuggelstieg, weil keine Sozialwohnungen geplant sind

Norderstedt. Die Aufbruchstimmung ist Enttäuschung gewichen. Noch vor wenigen Wochen hieß es am Schmuggelstieg: Das alte Geschäftshaus kann abgerissen und durch den seit Langem geplanten Neubau ersetzt werden. Stadt und Investor, die Hamburger Unternehmensgruppe Hermann Friedrich Bruhn, hatten einen städtebaulichen Vertrag geschlossen. Bruhn will das bestehende Geschäftshaus am Tarpenufer komplett abreißen und durch ein 2500 Quadratmeter Gewerbefläche umfassendes Gebäude mit sieben Geschäften und 40 Zwei- bis Dreizimmer-Mietwohnungen ersetzen. Doch dann grätschten die Politiker dazwischen: SPD, Grüne und Die Linke verweigerten dem Bebauungsplan 292 im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr die Zustimmung. Damit liegt das Projekt „Wohnen und Einkaufen am Tarpenufer“ auf unbestimmte Zeit auf Eis.

Anlass für das Veto ist ein Grundsatzbeschluss vom August, den die Stadtvertreter mit großer Mehrheit gefasst hatten. Danach sollen bei Neubauvorhaben 30 Prozent Sozialwohnungen entstehen. „Und wenn wir schon einen solch wichtigen Beschluss fassen, sollten wir auch danach handeln“, sagt SPD-Fraktionschef Jürgen Lange. Die Linke wollte in der Ausschusssitzung wissen, wie viele Sozialwohnungen beim Neubau am Schmuggelstieg geplant sind. Lange griff das Thema auf und formulierte daraus einen Antrag: Bis zum endgültigen Beschluss über den Bebauungsplan am 4. Februar 2014 in der Stadtvertretung sollte der Investor erläutern, wie viele Sozialwohnungen am Tarpenufer gebaut werden sollen. Diese Forderung lehnten CDU, FDP und WIN ab. Im Gegenzug blockierten SPD, Grüne und Die Linke den Satzungsbeschluss.

„Wir haben kein Verständnis für das Verhalten von CDU, FDP und WIN, zumal die CDU dem Grundsatzbeschluss zum sozialen Wohnungsbau mit einigen Ergänzungen zugestimmt hat“, sagt Lange. Auch die SPD habe ein Interesse daran, dass am Schmuggelstieg neu gebaut und das Einkaufsquartier attraktiver wird, aber: Grundsatzbeschlüsse müssten nun einmal beachtet werden.

„Ich bin stinksauer und kann die SPD nicht verstehen. Mit ihrer Blockade beschädigen Sozialdemokraten, Grüne und Die Linke das Ansehen der Stadt als Vertragspartner“, sagt CDU-Fraktionschef Gert Leiteritz. Seit drei Jahren würden die Verträge für Abriss und Neubau ausgehandelt. Es handele sich folglich nicht um eine neues, sondern um ein altes Projekt, sodass die Sozialwohnungs-Klausel nicht greife. „Das Ergebnis kann sein, dass der Investor jetzt abspringt, und das hätte für die Geschäftsleute und Kunden katastrophale Folgen“, sagt Leiteritz. Die rechtliche Situation müsse auf jeden Fall geprüft und das Neubauvorhaben so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden.

„Auch wir sind nicht gerade begeistert von dem Beschluss“, sagt Kay Brahmst von der Geschäftsleitung der Unternehmensgruppe Hermann Friedrich Bruhn. Der Stadtbereich müsse dringend überarbeitet werden. Ein Großmieter und neue, attraktive Gebäude würden das Flair am Schmuggelstieg deutlich verbessern. Zehn Millionen Euro will das Unternehmen dort investieren. „Wir werden jetzt weitere Gespräche mit der Verwaltung führen, mit der wir bisher immer gut zusammengearbeitet haben“, sagt Brahmst. Er machte keine Aussage darüber, ob Sozialwohnungen gebaut werden sollen.

„Wir sind enttäuscht. Das bedeutet für uns einen enormen Rückschlag“, sagt Bettina Weidemann von der Interessengemeinschaft Ochsenzoll. Der neue Wohn- und Ladenkomplex sei der letzte Baustein bei der Modernisierung des Viertels und wichtig, um den Kunden mehr Attraktivität zu bieten. Seit Jahren ist der Bereich rund um den Schmuggelstieg eine Dauerbaustelle. Erst hat die Stadt den Straßenbereich neu gestaltet, dann schloss sich der Ausbau des Verkehrsknotens Ochsenzoll an. Die Bauarbeiten zogen sich in die Länge, die Geschäftsleute mussten Umsatzeinbußen von bis zu 20 Prozent hinnehmen.

„Viele Geschäfte sind schon leer, und weil alle dachten, Anfang des neuen Jahres wird mit Abriss und Neubau begonnen, wurden auch keine neuen Mietverträge geschlossen,“ sagt die Geschäftsfrau. Das bedeutet: Der Branchenmix hat sich verschlechtert. Doch das wollten die Händler in Kauf nehmen. Baustellenerprobt, wie sie nun mal sind, hatten sie sich auch schon auf die nächste Großbaustelle eingerichtet: „Uns ist durchaus bewusst, dass wir rund eineinhalb Jahre den Kunden kein Parkdeck bieten können“, sagt die Sprecherin der Interessengemeinschaft. Doch das Aufatmen entfällt vorerst, der erhoffte Aufschwung auch.

Auch Bettina Weidemann begrüßt, dass in Norderstedt Sozialwohnungen gebaut werden sollen. In diesem Fall aber handele es sich doch um ein Bauvorhaben, das deutlich vor den Grundsatzbeschluss der Stadtvertreter zurückreiche. „ Wir werden auf jeden Fall das Gespräch mit den Politikern suchen“, sagt sie und hofft doch noch auf einen schnellen Baustart.