Seit 100 Jahren ist der Turnier Tanzclub Savoy in Norderstedt ein Anlaufpunkt für alle, die tanzen wollen

Eins, zwei, Cha-Cha-Cha! Auf dem Parkett geht es rund. Beine schwingen, Körper kreisen. Trainer Sven Steen lächelt, schaut zu, dann gibt er Kommando. „Ein Walzer!“, ruft er und eins, zwei, drei, eins, zwei, drei drehen sich alle im Kreise. „Tangoooo!“, ertönt es nun. Die Körper werden aneinander gepresst, anmutig über das Parkett bewegt. Es ist Tanzstunde beim Turnier Tanzclub Savoy in Norderstedt. Seit 100 Jahren ist der Verein ein Anlaufpunkt für alle, die tanzen lernen, es in der Freizeit genießen wollen oder aber eine sportliche Karriere im Turniertanz anstreben.

Manch einer muss aber zu seinem Glück gezwungen werden. So wie Rainer Tiedt. Heute ist er Vorsitzender des Vereins. Dass es dazu kam, daran ist, wie er sagt, seine Frau schuld. „Männer sind eigentlich die, die keinen Bock aufs Tanzen haben. Das war bei mir einst auch so“, sagt er. Früher, da habe er Fußball gespielt, bis ihn eine Verletzung bremste. „Für mich war die Frage: Was mache ich nun? Meine Frau hatte schon mal über ihre Betriebssportgruppe in einen Tanzkursus hineingeschnuppert und mir gesagt, probier das doch auch einmal“, erzählt Tiedt. Er ließ sich überreden und fand prompt gefallen am Tanz. „Es ist schwer zu beschreiben, aber es hat mich beflügelt. Seitdem komme ich vom Tanzen einfach nicht mehr los“, sagt der Vereinsvorsitzende. Und er ist nicht der Einzige, dem es so geht.

Beim Tanzen werden Emotionen in Körpersprache umgesetzt

Tanzen, das sei wie ein Virus, sagen praktisch alle, die im TTC Savoy dabei sind. Man könne einfach nicht mehr aufhören, wenn es einmal Klick gemacht habe. Wenn der Körper einfach nur zur Musik gleitet, kein Gedanken mehr an den Tanzschritt vergeudet werden muss, sondern die Emotionen in Körpersprache umgesetzt werden und Körper aneinander geschmiegt mit dem Rhythmus der Musik verschmelzen, wenn die Beine wie von selbst über das Parkett gleiten, das sei ein einmaliges Erlebnis.

„Das muss man selbst erleben, es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn einen die Tanzlust packt“, sagt auch Erika Maske, die Schriftführerin im Verein ist. Die 75-Jährige, die auf hohem Niveau Turniertanz gemacht hat, ist aber mehr als nur Schriftführerin und leidenschaftliche Tänzerin. Sie ist, so sagen alle, die gute Seele im Verein. Wenn jemand etwa einen Tanzpartner braucht, kümmert sich Maske darum. Dafür hat sie ihr Schwarzes Brett. „Da pinne ich immer die Annoncen von denen dran, die noch einen Partner brauchen, und meist weiß ich auch, wer ganz gut zu denen passt“, sagt sie.

Viele im Verein, so sagt Tiedt, hätten ihre Tanzkarriere Maskes Gespür für den passenden Tanzpartner zu verdanken. „Die meisten unserer Tänzer wollen aber keine große Karriere machen, sondern einfach nur tanzen, nach der Arbeit den Kopf frei bekommen, sich bewegen. Und ein wenig Geselligkeit genießen“, sagt Tiedt. Dreiviertel der Mitglieder seien sogenannte Tanzkreismitglieder, etwa 15 Prozent seien Kinder ab vier Jahren sowie Jugendliche, und nur etwa zehn Prozent der Vereinsmitglieder würden im Turniertanz mitmachen. „Das ist nicht verwunderlich, denn Turniertanz ist anspruchsvoll und braucht Zeit und natürlich auch etwas Talent“, sagt Tiedt.

Zwar könne jederzeit mit dem Tanzen angefangen werden, doch wie so oft, sei es auch beim Tanzen so, dass es nie falsch sei, schon früh damit zu beginnen. Wer früh ein Gefühl für Rhythmus und Musik entwickelt, wer die Koordination der Gliedmaßen trainiert, der hat es später etwas einfacher, den nächsten Schritt zu machen. Bei Kindern, so erzählt Pressesprecherin Ute Mehlau, werde zunächst spielerisch an das Tanzen herangegangen. „Es werden noch nicht bestimmte Tänze geübt, sondern es gibt zunächst eine lockere Bewegung zur Musik. Das eigentliche Tanzen entwickelt sich später, aus diesem entstehenden Rhythmusgefühl heraus fast von selbst“, sagt Mehlau. Irgendwann komme der Punkt, wo die Kinder von selbst etwas mehr wollen, dann werde damit begonnen, die ersten richtigen Tänze zu lernen.

Bei Kindern wird es problematisch, wenn die Eltern zu ehrgeizig sind

„Es ist großartig, wenn Kinder früh ein Interesse am Tanz entwickeln, doch wir müssen aufpassen, dass dabei nicht plötzlich ein falscher Ehrgeiz entwickelt wird“, sagt Vereinschef Tiedt. Kinder würden vor allem aus Spaß tanzen. Dieser Spaß dürfe den Kindern nicht genommen werden.

„Das Problem sind hier oft die Eltern, die einen gewissen Leistungsdruck erzeugen“, sagt Tiedt. Die Erwartungen würden zu hoch geschraubt, die Kinder unter Druck gesetzt. Der Spaß an der Bewegung gehe dann verloren. „Wir müssen also immer schauen, wie weit jemand ist und wie wir den Spaß am Tanzen aufrechterhalten können. Das gelingt uns aber meist recht gut“, sagt Tiedt. Nur wenige würden abspringen, und wenn, dann liege dies an den üblichen Problemen, die auch andere Vereine mit Jugendlichen haben, die in die Pubertät kommen. Da werde die Freundin dann plötzlich wichtiger – bis zu dem Moment, wenn etwa ein Abschlussball ansteht. Dann ist der Tanzclub oder die Tanzschule wieder angesagt.

Doch nicht nur tanzen wird im Savoy gelehrt. „Die Palette ist ja viel breiter, denn beim Tanzen lernt man auch ein wenig über sich selbst. Bin ich jemand, der andere führen kann oder eher jemand, der geführt wird, bin ich in der Lage, mich Regeln unterzuordnen? Demut und Bescheidenheit sind Dinge, die man hier kennenlernt und sich aneignet“, sagt Tiedt. Wenn nicht, dann trete der eine Tanzpartner dem anderen zwangsläufig irgendwann auf die Füße. Denn wenn zwei gleichzeitig führen wollen, dann kommt keiner von beiden ans Ziel.

Solche Probleme kennen die Turniertänzer im Verein nicht. Bei ihnen ist das Führen und Führenlassen in Fleisch und Blut übergegangen. Denn jeder Schritt muss sitzen, jede Körperbewegung passen, die Körpersprache überzeugen. Die Punktrichter haben da ganz klare Bewertungskriterien und Regeln. Die gehen sogar soweit, dass die Kleidung genau vorgeschrieben ist. Das Kleid der Frau ist genauso wie der Anzug des Mannes an internationalen Standards ausgerichtet.

Das älteste Turniertänzerpaar im Savoy ist 85 Jahre alt

„Es geht letztlich dabei auch darum, dass die Tänzer unter vergleichbaren Grundvoraussetzungen tanzen und bewertet werden“, erklärt der Vereinschef. Wenn ein Anzug zu eng ist, dann seien manche Bewegungen zu steif. Wenn ein Kleid zu ausladend ist, kann es andere Tänzer auf dem Parkett bei ihrer Kür behindern.

Das mag für Außenstehende zunächst vielleicht alles ungewohnt aussehen, es sei aber sinnvoll, wenn man sich darüber klar werde, dass es ein Sport ist, in dem es Konkurrenz gebe, die aber keinen Vorteil durch unlautere Mittel haben dürfe, so Tiedt. Viel anders sei es bei anderen Sportarten ja auch nicht. Fußballtrikots müssen Standards entsprechen, die Anzüge von Formel-1-Piloten oder auch die Kleidung von Skifahrern ebenfalls. Tänzer stellen somit keine Ausnahme dar.

„Das Einzige, was es an Optionen gibt, dass ist dann zum Beispiel, wie viele Pailletten in welchen Farben am Kleid sind“, sagt Tiedt. Alles andere sei genau definiert, wie überall im Sport.

Und wie alt ist ein typischer Turniertänzer? „Das kann man so gar nicht genau sagen“, sagt Erika Maske. Sie selbst hatte erst in den 80er-Jahren, also mit knapp 40 Jahren damit angefangen, Turniere zu tanzen. Andere fangen bereits im Jugendalter an. „Das muss jeder für sich selbst wissen, wann und ob er Turniertanzen machen will“, sagt Maske. Und auch bis wann. Manche hören mit etwa 60 Jahren auf, um Punkte und Platzierungen zu tanzen, andere machen das ein Leben lang.

Das derzeit älteste Turniertänzerpaar im Savoy ist bereits stolze 85 Jahre alt und immer noch flott auf dem Parkett unterwegs. Für Pokale, so Tiedt, reiche es zwar nicht mehr, doch der Spaß, der sei immer noch da. Und daran werde sich wohl auch nichts mehr ändern. Denn wer einmal ein Tänzer ist, der bleibt das auch – ein Leben lang.

Am kommenden Montag stellen wir das AkkordeonOrchester Kaltenkirchen vor. Alle Folgen der Serie finden Sie im Internet.

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