Norderstedt bekommt 1,5 Millionen Euro weniger durch die kommunale Finanzreform. Auch der Kreis muss bluten

Kreis Segeberg. Norderstedt ist der eine absoluter Verlierer der geplanten Finanzreform im Norden, der Kreis Segeberg der zweite. „Wir sind schockiert“, lautete der erste Kommentar aus dem Norderstedter Rathaus, Segebergs Landrätin zeigte sich „völlig erschüttert“. „Wir können überhaupt nicht nachvollziehen, wie diese Zahl errechnet wurde“, sagt Hauke Borchardt, Sprecher der Norderstedter Stadtverwaltung. Diese Zahl lautet 1,5 Millionen Euro – das ist die Summe, die Norderstedt weniger bekommt, wenn die Reform der Finanzausgleichsumlage so realisiert wird, wie sich das Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD) vorstellt. Während fast alle Städte und Gemeinden im Land mehr Geld erhalten sollen, muss die Stadt ebenso bluten wie der Kreis. Der müsste ab 2015 mit knapp elf Millionen im Jahr weniger auskommen als bisher.

Landrätin Jutta Hartwieg: „Ich bin erschüttert und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser Entwurf jemals so realisiert wird.“ Werden Breitners Vorstellungen Wirklichkeit, müsste der Kreis mit gut 40 Prozent Geld vom Land weniger auskommen. Es sei unmöglich, mit einem solchen Minus einen Kreishaushalt aufzustellen. Die Verwaltungschefin sieht einen grundlegenden Fehler: Zwar betone der Minister, dass die Reform sich an den Aufgaben der Kommunen orientiert. Doch Hartwieg sieht das anders: Grundlage seinen die Ausgaben gewesen, Städte, Gemeinden und Kreise, die in den Vorjahren gespart hätten, würden jetzt dafür mit geringeren Zuweisungen aus Kiel bestraft. „Wir haben einen harten Konsolidierungskurs gefahren und sehen gerade Licht am Ende des Schuldentunnels, und dann kommt diese Nachricht.“ Die Landrätin sieht den Reformentwurf „bestenfalls als Einstieg in eine möglichst intelligente Diskussion“.

Nirgendwo in Schleswig-Holstein kürzt das Ministerium so radikal wie in Norderstedt. „Das Hauptproblem dabei ist, dass wir nicht nachvollziehen können, wie dieses Minus zustande kommt“, sagt Borchardt, der für Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote Auskunft gab, denn: Der Verwaltungschef hatte quasi eine Standleitung nach Kiel aufgebaut und stand in telefonischem Dauerkontakt mit dem Innenminister, um die Grundlagen für die alarmierende Nachricht zu erfahren. „Wenn wir die kennen, können wir auch reagieren“, sagte Borchardt, nachdem er immer wieder fast ungläubig auf die zwei nackten Zahlen in der Tabelle geblickt hatte. Neben der absoluten Summe hat das Ministerium noch mitgeteilt, wie hoch der Geldverlust pro Einwohner ausfällt.

Das Defizit von 1,5 Millionen Euro entspreche den Kosten, die der laufende Betrieb von 15 Krippengruppen im Jahr ausmacht. „Und die müssen wir wegen der hohen Nachfrage so schnell wie möglich einrichten“, sagte der Rathaussprecher. Mit diesem Fehlbetrag rutsche der ausgeglichene Haushalt der Stadt ins Minus, abzüglich der Rücklage von rund 200.000 Euro auf einen Betrag von 1,3 Millionen Euro. Dass der Minister Norderstedt den Geldhahn abdreht, konterkariert seine Absicht: Mit der Reform will Breitner die Städte und Gemeinden zu Lasten der Kreis stärken, da sie mehr Aufgaben übernommen haben und übernehmen, als sie durch die Ausgleichsumlage vergütet bekommen. Gerade Norderstedt als Große kreisangehörige Stadt hat in den vergangenen Jahren Aufgaben wie die Jugendhilfe vom Kreis übernommen und ist wegen seiner guten Infrastruktur Anlaufpunkt für die Umlandbewohner.

Allerdings gibt es im Kreis Segeberg auch Gewinner: So bekommt Bad Bramstedt knapp 710.000 Euro im Jahr mehr. Bei Henstedt-Ulzburg erhöhen sich die Zuweisungen um knapp 64.000 Euro, Kaltenkirchen kann sich über zusätzlich 330.000 Euro freuen, und Ellerau profitiert mit zusätzlich 69.000 Euro von Breitners Reformwerk, das mehr Gerechtigkeit zwischen den Kreisen einerseits und den Städten und Gemeinden auf der anderen Seite schaffen soll.

„Ich halte die Berechnungen für seriös, sie decken sich mit unserer Gefühlslage“, sagt Bramstedts Bürgermeister Hans-Jürgen Kütbach, der das kräftige Einnahme-Plus als „Treffer im Lotto“ bezeichnet. Er sei schon immer davon ausgegangen, dass die Stadt mit den Büchereien, dem Freibad und dem Tourismusbüro Einrichtungen vorhalte, die auch stark von Manschen aus der Region genutzt würden. Nun werde das vom Land entsprechend vergütet.

Auch Kaltenkirchens Bürgermeister Hanno Krause freut sich über 330.000 Euro pro Jahr zusätzlich. „Damit hatte ich nicht gerechnet und war eher von einem Nullsummenspiel ausgegangen.“ Die Freude wird bei ihm allerdings von einer bösen Vorahnungen getrübt: Irgendwo müsse sich der Kreis das Geld ja wiederholen, Adresse könnten die Städte und Gemeinden sein. Doch da will Krause einen Riegel vorschieben: „Ich erwarte, dass die Kreise die Lücke nicht durch eine Erhöhung der Kreisumlage decken.“