Schüler bilden überdimensionale Aids-Schleife und setzen ein Zeichen im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit

Norderstedt. Eigentlich ist das Ereignis schon Routine. Zum siebenten Mal versammelten sich Schüler der Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark und des Lise-Meitner-Gymnasiums zur Aids-Schleife auf dem Sportplatz. Gut 400 Kinder und Jugendliche wollten damit ein Zeichen setzen und ihre Solidarität mit den Menschen ausdrücken, die an der Immunschwäche erkrankt oder gestorben sind. Doch auch in diesem Jahr herrschte zunächst Gewusel, mussten die Lehrer die Schüler mit den roten T-Shirts, die die Schleife bilden, nach Plan auf die vorgemalten Kreideflächen verteilen. Die anderen in Sport- oder Freizeitkleidung verstärkten Rundung und Schenkel des Symbols und verhalfen ihm so zu machtvoller Fülle.

„Die Zahl der Aids-Infizierten steigt leicht“, sagt Lehrerin Ulrike Pirke (s. Info-Kasten). Sie setzt sich seit mehr als 20 Jahren für den Kampf gegen die Immunschwächekrankheit ein und konfrontiert die Schüler der Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark gleich doppelt mit dem Thema: Im Gesundheitslehrekursus und im Uganda-Hilfsprojekt – beides gefragte Wahlpflichtkurse, die die engagierte Pädagogin jeweils in den Klassen neun und zehn anbietet. „Das Interesse der Schüler ist groß“, sagt Ulrike Pirke.

Jugendliche werden auch heute noch nur selten zu Hause aufgeklärt

Dabei habe sich der Schwerpunkt verschoben: Zwar spiele Aids nach wie vor eine große Rolle, aber die Informationen über Geschlechtskrankheiten rückten in den Vordergrund, denn die Zahl derer, die an Syphilis, Klamydien oder Feigwarzen erkranken, nehme zu. Das Robert-Koch-Institut hatte 2011 einen deutlichen Anstieg der Syphilis-Meldungen festgestellt: 3700 Fälle im Vergleich zu 3000 im Jahr zuvor. Dabei glaubten die Wissenschaftler, dass die Geschlechtskrankheit mit dem schweren Verlauf schon auf dem Rückzug sei.

„Kondome bieten Schutz vor Infektionen“, sagt Ulrike Pirke, die sich wegen ihres vehementen Einsatzes für die Verhüterli schon selbstironisch als „Lümmeltüten-Mutter“ der Nation bezeichnet. „Wir wollten mehr über diese Themen und Gesundheit allgemein erfahren, deswegen haben wir uns für den Gesundheitslehrekursus entschieden“, sagen Laura, 16, und Larissa, 17. Im Unterricht geht es auch um Glück und die Frage, was das für jeden bedeutet.

Mehr wissen wollen die beiden aber auch über Sex und Verhütung. „Wer glaubt, dass Aufklärung heutzutage zu Hause stattfindet, sieht sich getäuscht“, sagt Melanie Neubaur, 39. Sie ist Vorsitzende im Elternbeirat der Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark und begrüßt das Engagement von Ulrike Pirke. „Das ist eine ganz wichtige Sache und so weit ich weiß einmalig in der Region“, sagt die Elternvertreterin. Aufgeklärt wird unter Schülern, sagen Larissa und Laura, die Älteren geben ihre Erfahrungen an die Jüngeren weiter – da hat sich offenbar wenig geändert, früher war die Straße der Ort, wo man alles zum Thema Sex erfuhr. „Allerdings wollen 14- oder 15-Jährige auch von sich aus oft nicht mit den Eltern darüber sprechen“, sagt Melanie Neubaur.

Sie unterstützt auch das zweite Projekt von Ulrike Pirke und ihren Schülern. Seit Jahren helfen die jungen Norderstedter Aids-Waisen in Uganda, übernehmen Patenschaften, schicken Pakete, sammeln Geld, damit die Kinder zur Schule gehen können. Spektakulärstes Projekt war das Schulschwein für Afrika, das mit Geld aus Norderstedt gekauft und reichlich Ferkel für die Zucht und den Verkauf geworfen hat.

Und am gestrigen Mittwoch sammelten die Ossenmoorpark-Schüler wieder Geld, drehten Runde um Runde um den Sportplatz, schwitzten für Afrika. Jeder Meter zählt, die Distanz wird in Euro aufgewogen. Sponsoren vergüten die sportliche Leistung, meistens Eltern und Großeltern.

Noch steht nicht fest, ob die Jungen und Mädchen den Rekord aus dem Vorjahr knacken. Da hatten sie 6700 Euro für die St. Joseph Mary’s Senior Secondary School erlaufen. Von der Summe kauften die Lehrer einen Kopierer und Bücher für die Schüler. „Die Schule, die derzeit von 650 Schülern besucht wird, ist sehr schlecht aufgestellt. Es mangelt praktisch an allem“, sagt Ulrike Pirke. Nun geben die Schulsportler alles für den Bau eines schuleigenen Brunnens. Der kostet rund 4000 Euro.

„Vielleicht kommen ja noch ein wenig mehr Spenden zusammen für die weitere Schulausstattung oder sogar für ein neues Schulschwein, denn unsere Miss Pigeldie und Eber James sind ja leider dem afrikanischem Schweinefieber zum Opfer gefallen“, sagt die Pädagogin. Dennoch erhole sich der Schweinebestand von Patenpfarrer Father Leonard gerade recht erfreulich. Vielleicht reiche der Ferkelverkauf demnächst ja wieder für Schulgeldzahlungen.