Das erste Konzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Kulturwerk in Norderstedt gelang den lettischen Musikern gleich zu einer musikalischen Sternstunde.

Norderstedt. Kaum ein Jahr alt, schon Spielort des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Der spröde Charme des ehemaligen Kalksandsteinwerks bietet die ideale Atmosphäre für Konzerte, die nicht gerade die Selbstgänger im Konzertbetrieb mit bekannten Namen von Komponisten, Werken und Interpreten sind. Beispielsweise Justus Frantz und seine Philharmonie der Nationen, die am Sonntag, 18. August, in der "TriBühne" in Norderstedt aufspielen und zu 80 Prozent ausverkauft sind.

Da haben es Peteris Vasks, Reinhold Glière, Laura Gustovska und sogar Giovanni Bottesini und César Franck schwerer. Und erst recht Agnese Eglina und Gunãrs Upatnieks. Die lettische Pianistin und der lettische Kontrabassist haben hierzulande nicht gerade den Nimbus von Stars. Obwohl Upatnieks erster Kontrabassist der Berliner Philharmoniker ist. Wer aber das erste Festival-Konzert im Kulturwerk gehört hat, wird das Duo und sein Programm nicht so schnell vergessen. Sie lieferten eine musikalische Sternstunde.

Es war ein Konzert der feinen Superlative und skurrilen Überraschungen. Vor allem aber spiegelte es ein Lebensgefühl wider, das Lebensgefühl Lettlands, mit Estland und Litauen unter dem Titel "bewegend - baltisch" Schwerpunkt des Festivals. Es gilt, die Nachbarn zu entdecken, Upatnieks und Eglina sind dafür beste Botschafter.

Doch zu Beginn gibt es Mediterranes mit Giovanni Bottesinis Grande allegro di concerto für Kontrabass und Klavier. Das lettische Duo legt aber schon in den Bottesini die leise Melancholie des Nordens. Richard Strauss' Romanze in G-Dur für Kontrabass und Klavier interpretieren sie traumhaft entspannend, wobei Upatnieks die Brüche exzellent herausputzt.

So weit, so nett, und jetzt zum Festival-Charakter, bei dem es auch immer gilt, Neues zu entdecken. In ihrem Solo "Seide" bringt die junge lettische Pianistin die ebenso junge lettische Komponistin Laura Gustovska ins Spiel. Mit einem roten Tuch. Das legt sie auf die Saiten der hohen Töne des Flügels. Die ersten Anschläge. Das Tuch verhindert den Nachhall, modelliert die Töne so zart und klar wie die eines Spinetts. Bruch. Schwer lässt Eglina tiefe Glockenklänge schwingen. Doch die zarten Töne geben nicht auf, mischen sich ein, keck, flink, vorlaut, siegesgewiss.

Plötzlich reißt Eglina das rote Tuch von den Saiten, Hunderte bunter Perlen springen aus dem Flügelkorpus, klacken über die Tastatur auf den Bühnenboden, führen ihren Stakkato-Tanz dort weiter, während die Pianistin statt Tasten direkt die Saiten anschlägt. Und das wunderbare Stück der 27-jährigen Komponistin und Kokle-Spielerin mit der Geste eines triumphierenden "Siehste!" beendet.

Dem hat Upatnieks natürlich etwas entgegen zu setzen, den Bass Trip für Kontrabass des lettischen Tondichters Peteris Vasks. Da ist mit dem lettischen Lebensgefühl eine ganze Menge Jazz drin, und der Kontrabass ist nun mal auch das prädestinierte Instrument für Jazz. Das kommt bunt und melancholisch, nachdenklich und narrativ. Und entwickelt sich zum Volkslied, zu einem zarten Rhythmus auf vier Saiten, zu der Upatnieks die Melodie - pfeift. Wie ein Wanderer, der ein deftiges Gewitter überstanden hat und sich jetzt fröhlich pfeifend des Weges trollt.

Beste Kammermusik bieten Upatnieks und Eglina mit Glières Intermezzo und Tarantella, Opus 9, und Francks Sonate A-Dur, für Kontrabass von Upatnieks bearbeitet. Auch jetzt sind die Musiker ein kongeniales Paar. Den vierten Satz der Sonate gestalten sie als Liebes-Duett, als leichten, wunderbaren Flirt, um dann dem begeisterten Publikum mit Bottesinis La Sonnambula zu danken. Der Kontrabassist zeigt noch einmal seine behende Virtuosität und die Pianistin ihr komödiantisches Spiel. Tosender Applaus!