Steenbock und die Wählergemeinschaft Oering sind das jüngste Beispiel für eine erfolgreiche bürgerliche Alternative. Ihr Erfolg steht exemplarisch für viele Orte im Kreis.

Kreis Segeberg. Unverbraucht. Müsste die Attraktivität von Wählergemeinschaften wie der WGO in Oering mit einem Schlagwort beschrieben werden, wäre dieses Attribut wohl das prägnanteste. Keinesfalls hatte beispielsweise Thomas Steenbock jemals das Bedürfnis, "Parteisoldat" zu werden, also sich ab der Jugend einer der etablierten Parteien zuzuwenden. Er habe zwar generell Interesse an Kommunalpolitik gehabt, doch eben nicht auf Parteibasis. "Das war nicht unser Ansinnen. Das Ganze muss von freien Bürgern unabhängig auf kleinster Ebene, nämlich der Gemeinde im Dorf, geschehen."

Was auf kleinster Ebene anfing, hat allerdings drei Monate nach Gründung (11. Februar) ein gänzlich unerwartetes Ausmaß angenommen. Es genügten ein paar Wochen, um im Dorf eine weit um sich greifende Wechselstimmung zu entfachen, die sich am Wahltag am 26. Mai verblüffend deutlich manifestierte: Die junge WGO erhielt 55,3 Prozent der Stimmen und erlangte sämtliche sieben Direktmandate. Spitzenkandidat Steenbock stand bereits wenige Stunden nach der Auszählung als kommender Bürgermeister fest. Die CDU hatte hingegen ihre absolute Mehrheit verloren. Dieser Umschwung war selbst auf Landesebene beispiellos.

Es stellt sich die Frage: Wie konnte es dazu kommen? Anlass, sich engagieren zu wollen, können durchaus Probleme vor der Haustür sein. In Gesprächen mit Nachbarn fanden sich so auch in Oering binnen kurzer Zeit Mitstreiter, die ihre persönliche Verärgerung kollektiv zum Ausdruck bringen wollten. In diesem Fall war es die geplante Sanierung der Straße Heidrade inklusive Anliegerbeiträge. Das wurde seitens der Gemeinde mangelhaft kommuniziert, die Menschen waren sauer, fanden aber kein Gehör. Der Nährboden war damit gegeben. Jede weitere Unzufriedenheit, jede Detailfrage wurde zum Futter für die WGO. "Es sind in der Vergangenheit einige Dinge nicht gut gelaufen in Sachen Informationspolitik. Der letzten Gemeindevertretung fehlte es an Transparenz", sagt Thomas Steenbock vorsichtig.

Was folgte, war Basisdemokratie. "Es ging relativ schnell. Man hatte schon vor dem Februar über die Gründung einer Wählergemeinschaft gesprochen, ich selbst habe auch erst Anfang 2013 davon etwas mitbekommen", sagt Steenbock. 26 Oeringer waren bei der konstituierenden Versammlung der WGO dabei, mittlerweile engagieren sich knapp 50 Bürger. "Das Ziel ist, die Politik in Oering mitzugestalten. Die Erwartungshaltung war aber nicht so groß, wie das Ergebnis nun ausgefallen ist. Persönlich hatte ich mit drei bis vier Sitzen gerechnet", so Steenbock. Damit hatte er die Wechselstimmung allerdings unterschätzt. "Oering war reif für einen Wechsel. Es war deutlich spürbar, dass in der Vergangenheit etwas gefehlt hat. Und es hat gewirkt, dass wir auf die Jugend zugegangen sind."

Dass Thomas Steenbock sogar Listenposition eins bekam und seine Wahl zum Bürgermeister somit eine logische Konsequenz war, hatte indes eher einen pragmatischen Grundgedanken. "Mit meinem Beruf ist das Amt sicher besser vereinbar als bei anderen Arbeitgebern", so Steenbock, der Geschäftsführer des Kreisfeuerwehrverbandes Stormarn ist. Als gelernter Verwaltungsfachangestellter ist der 40-Jährige mit den kommunalen Abläufen zudem vertraut - er arbeitete bereits in der Tangstedter Gemeindeverwaltung sowie im Amt Itzstedt.

Steenbock und die WGO sind das jüngste Beispiel für eine erfolgreiche bürgerliche Alternative zum Establishment. Dazu passt, dass die WGO im Frühjahr Tipps bekommen hatte von einer der ältesten Wählergemeinschaften im Kreis Segeberg. Der Bürgerverein Alveslohe existiert bereits seit 1965, Bürgermeister Peter Kroll geht in seine dritte Amtszeit und hat 260 Mitglieder sowie die Mehrheit der Einwohner hinter sich. "Bei uns in Alveslohe ist die Wählergemeinschaft damals aus Frust über die anderen Parteien entstanden. Ich sehe mich als politisch unabhängige Person", sagt er. Thomas Steenbock sieht den BVA als Vorbild.

Es zeichnet sich ab, dass auch die WGO Nachahmer finden wird. Im Kreis hat insbesondere die Diskussion um Windkraftanlagen viele neue Vereinigungen entstehen lassen. Am extremsten ist dies in Groß Niendorf zu beobachten, wo gleich vier Gemeinschaften um die Gunst der Wähler ringen: die Aktuelle Wählergemeinschaft (AWGN), die Allgemeine Kommunal Politische Vereinigung (AKPV), die Absolut unabhängige Wählergemeinschaft (GNUW) sowie die Wählergemeinschaft Lebenswertes Groß Niendorf. Letztere steht ebenso exemplarisch dafür, wie schnell sich eine neue politische Kraft etablieren kann: Die LGN gibt es seit Anfang 2013, sie holte auf Anhieb 26,6 Prozent und punktete mit ihrem Versprechen, einen Bürgerentscheid gegen einen Windpark anzustrengen.