Arne Hentschel vom Norderstedter THW ist nach zwei Monaten aus dem Lager Za'atari zurückgekehrt.

Norderstedt/Za'atari. Arne Hentschel wird die Frauen vor dem Lazarett nie vergessen. Sie warten auf einen Rollstuhl oder Prothesen, nachdem ihnen auf der Flucht von Syrien nach Jordanien in die Beine geschossen wurde. Der THW-Helfer Hentschel hat bei seiner Arbeit im jordanischen Flüchtlingslager Za'atari viele grausame Schicksale kennengelernt. Die Frauen mit den zerschossenen Beinen gehören zu den schlimmsten Episoden.

An der Grenze liegen nachts, wenn die Familien kommen, Heckenschützen auf der Lauer und schießen gezielt auf die Frauen. Die Logik der Schützen, die vermutlich zum Assad-Regime gehören: Sind die Frauen verletzt, muss der Mann sich in Za'atari um die Kinder kümmern und kann nicht zum Kämpfen nach Syrien zurückkehren.

Neuneinhalb Wochen hat der 46-Jährige aus Nahe in Za'atari im Auftrag des Technischen Hilfswerks gearbeitet. Der Personalfachmann hat Arbeiter für den Betrieb des Camps gesucht und rekrutiert. Er hat geprüft, ob die Tagelöhner für den Bau von Häusern und Toiletten qualifiziert sind und hat sich nebenbei ins jordanische Arbeitsrecht eingearbeitet, das auch in einem Flüchtlingscamp mit mehr als 100.000 Menschen gültig ist. In seiner Freizeit hat Hentschel außerdem ein Online-Tagebuch für die Leser des Hamburger Abendblatts geführt. Sieben Folgen hat er geschrieben, die im Internet unter www.abendblatt.de/jordanien nachzulesen sind.

Jetzt ist Arne Hentschel zurück und spricht von einer verrückten Welt.Za'atari legt in einer der wasserärmsten Gegenden der Welt, die Temperaturen erreichen bis zu 50 Grad. In Norderstedt sind seine THW-Kameraden gerade vom Hochwassereinsatz an der Elbe zurückgekehrt. "Größer könnte der Kontrast nicht sein", sagt Hentschel.

Einerseits ist er froh, endlich wieder in der Heimat bei seiner Lebensgefährtin zu sein und seine Kinder nicht nur per Skype, sondern hautnah sehen zu können. Andererseits weiß er, dass in Za'atari noch unendlich viel zu tun ist.

3000 bis 4000 Menschen treffen täglich im Lager ein, das vom UN-Flüchtlingshilfswerk mit der Unterstützung von Organisationen wie dem THW betrieben wird. Der Abschied fiel Hentschel leichter als er sah, dass sein Nachfolger seinen Job ebenso beherrscht wie er selbst.

Sorgen um sein Leben habe er sich kaum machen müssen, sagt Hentschel. Dennoch habe er sich in manchen Situationen unsicher gefühlt. Zum Beispiel, als 20 Kampfjets über die Zeltstadt in der Wüste donnerten und niemand wusste, ob der Krieg aus dem nahen Syrien jetzt nach Jordanien übergeschwappt war. Oder als Hentschel mit seinem Wagen in eine aufgeheizte Demonstration mitten im Lager geriet. Ernsthaft in Bedrängnis geriet er jedoch nie. Hentschel: "Die Menschen sehen in uns die Helfer." Von Jordanien aus habe er seiner Lebensgefährtin nie über diese Momente berichtet. "Sie sollte sich nicht zu große Sorgen machen", sagt der THW-Helfer. "Sie sagt heute, das war in Ordnung so."

Die Sorgen, die Schicksale, die Gefühle - darüber hat Hentschel in Jordanien viel mit seinen Kollegen gesprochen. Über die beschossenen Frauen oder die Mütter, die gesund angekommen sind und nichts aus Syrien von ihren Männern hören. Die Männer und ihre Familien waren morgens mit Bussen im Lager eingetroffen, abends fuhren die Väter mit denselben Bussen zurück in den Krieg.

Hentschel wird auch den syrischen Wasserbauingenieur nicht vergessen, der bis zur Wiedervereinigung in der DDR lebte und dann in seine Heimat zurückkehrte. "Heute betrachtet er diese Entscheidung als größten Fehler seines Lebens", sagt Hentschel, der den Mann in Za'atari kennengelernt hat.

Wie kommt man mit diesen Erlebnissen klar? "Man muss darüber reden", sagt Hentschel. "Außerdem hilft der Gedanke, dass man diesen Menschen durch die Arbeit im Lager helfen kann."

Mit einem klaren Ja antwortet Hentschel auf die Frage, ob er wieder nach Jordanien reisen würde - als Tourist oder als Helfer des THW, das auch im neuen jordanischen Flüchtlingslager mitarbeitet und versucht, die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen.

In dem neuen Lager ist Hentschels Kollege Ralf Bohmbach vom Norderstedter THW im Einsatz. Der 39-Jährige ist Experte für Wasseraufbereitung und Entsalzung. In der Aufbauphase des neuen Camps gehört Bohnsack zu den Planern der Infrastruktur.