Mit einer Gegenstimme wurde Kathrin Oehme für weitere fünf Jahre in ihrem repräsentativen Amt bestätigt. Bei der konstituierenden Sitzung der 11. Stadtvertretung kämpften die Parteien um die Macht in den Ausschüssen.

Norderstedt. Furchtbar aufgeregt war Kathrin Oehme, 72, die amtierende Stadtpräsidentin Norderstedts, als sie am Dienstagabend zur konstituierenden Sitzung der Stadtvertretung der 11. Wahlperiode den Plenarsaal des Rathauses betrat. Parteifreundin Ruth Weidler (CDU) umarmte und beschwichtigte: "Ach komm, Mädchen, alles wird gut!" Falls Oehme an ihrer Wiederwahl im formell höchsten Amt der Stadt gezweifelt hatte, so waren diese Zweifel unbegründet. Mit einer Gegenstimme wurde sie für weitere fünf Jahre in ihrem repräsentativen Amt bestätigt.

Die Gegenstimme kam übrigens von Miro Berbig, dem Fraktionschef der Linken. "Ich wurde nicht von meinen Wählern in die Stadtvertretung geschickt, um eine CDU-Frau zur Stadtpräsidentin zu küren. Eine rein ideologische Entscheidung." Einstimmig verpflichteten die Stadtvertreter Sybille Hahn (SPD) zu Oehmes Stellvertreterin, Doris Vorpahl (CDU) zur zweiten Stellvertreterin.

Den Stadtvertretern wird eingebläut, Disziplin und Würde zu wahren

Mit dem ihr eigenen Pathos versprach Oehme feierlich, "sich mit all der mir zur Verfügung stehenden Kraft für das Wohl der Bürger in dieser Stadt einzusetzen". An die Stadtvertreter appellierte sie, sich in der politischen Auseinandersetzung stets würdig zu verhalten. "Waren Sie Disziplin und Verantwortungsbewusstsein, um das von den Bürgern in Sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen."

Die 46 Stadtvertreter - 19 von der CDU, 14 von der SPD, sechs von Bündnis90/Die Grünen, drei von Wir in Norderstedt (WIN) und je zwei von der FDP und der Fraktion Die Linke - lauschten andächtig. Bekamen sich aber trotzdem umgehend in die Haare, als es bei der Abstimmung über die Besetzung der Fachausschüsse bei der Linken und der WIN zu einem Versehen kam und die beiden Fraktionen eine Wiederholung der Auszählung verlangten. Ex-CDU-Fraktionschef Günther Nicolai blaffte aus der hintersten Reihe der CDU-Fraktion: "Das Verfahren lief völlig korrekt. Nur weil hier einige Abgeordnete die Abstimmung verpennen, muss sie nicht wiederholt werden." Da schoss der innerparteilich kaltgestellte Nicolai ganz bewusst und lehrmeisterlich gegen die Neulinge von der WIN, die keinen Hehl aus ihrer Unkenntnis über die Regularien der Stadtvertretung machten. WIN-Chef Reimer Rathje verwahrte sich aber resolut dagegen, verpennt zu sein. Und die Abstimmung wurde wiederholt.

Dass die Machtverhältnisse sich in der Stadtvertretung jetzt nicht mehr lapidar in einen Bürgerblock aus CDU und FDP und einen Links-Block aus SPD, Grünen und Linken teilen lassen, dafür haben die Wähler mit dem Einzug der WIN und dem Eindampfen der FDP- und Links-Fraktion gesorgt. Wollen die stärksten Fraktionen von CDU und SPD künftig Mehrheiten haben in Norderstedt, müssen sie künftig immer mehr als nur eine Partei mit ins Boot holen, um sicherzugehen. Damit sich dieses Machtverhältnis auch in den Fachausschüssen widerspiegelt, wo die entscheidenden Weichen für die Projekte der Stadt gestellt werden, beantragten SPD, Grüne, FDP, die Linken und die WIN, dass die Ausschüsse immer mindestens 14 Sitze haben sollen. Bei den bisherigen 13 Sitzen wäre es bei der Besetzung zu einem Losverfahren um Plätze gekommen, und es bestand die Möglichkeit, dass nicht alle Fraktionen in jedem Ausschuss vertreten sind, andere dafür überproportional. Bei 14 Sitzen komme es immer zu folgender Sitzverteilung: Fünf für die CDU, vier für die SPD, zwei für die Grünen und je einen Sitz für WIN, FDP und Die Linke.

Das Geschachere um Ausschusssitze beeinflusst die Mehrheiten

Was Klaus-Peter Schroeder (FDP) stellvertretend für die beantragenden Fraktionen als kommunalrechtlich zulässiges Verfahren bezeichnete, dass die Mitarbeit aller Fraktionen gewährleistet, ist aus Sicht des CDU-Fraktionschefs Gert Leiteritz nur eine Finte des linken Lagers. "Sie wollen doch nur die Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen entscheidend verändern." Leiteritz denkt in der alten Block-Logik und rechnet die WIN und die FDP zum Bürgerlichen Lager. Mit sieben Stimmen hätte man nach seiner Rechnung bei 13 Sitzen immer eine Mehrheit, bei 14 Sitzen ein lähmendes Patt. Die CDU beantragte deshalb eine Aufstockung auf 15 Sitze, wobei der 15. Sitz dann wieder der CDU zufiele.

Als dieser Antrag abgelehnt und die Ausweitung der Ausschusssitze auf 14 mit den Stimmen von SPD, Grünen, WIN, FDP und den Linken beschlossen wurde, kündigte Leiteritz sofort Widerstand an. "Frau Stadtpräsidentin, wir werden gegen diesen Beschluss bei der Kommunalaufsicht einsprechen, vielleicht sogar vor dem Verwaltungsgericht klagen." Die Aussichten auf Erfolg für diesen Einspruch scheinen gering. Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote berichtete, dass er sich in der Sache bereits bei der Kommunalaufsicht rückversichert habe. Dort habe man mit der Ausweitung auf 14 Plätze keinerlei Probleme.