Früher hasste er das Laufen, heute macht er es jeden Tag: Andreas Burgmayer über seine Premiere unter Läufern am Stadtparksee

Das Wetter ist natürlich eine Frechheit. Ich ziehe blank an der geöffneten Heckklappe meines Wagens, mitten auf dem Parkplatz vor dem Stadtpark, der Wind peitscht mir den Regen ins Gesicht. Ich streife die kurze Baumwoll-Sporthose über, das Baumwoll-T-Shirt, meine SC-Freiburg-Bekenner-Basecap, schlüpfe in die Laufschuhe und merke: Für den ersten Dauerlauf deines Lebens bist du in etwa so unangemessen gekleidet wie ein Clown im Hawaii-Hemd auf einer Beerdigung. "Schön ist anders, das Wetter meine ich", sagt eine Dame, die in einer atmungsaktiven und wasserdichten Laufjacke, mit eng anliegender Laufhose und in an Raumschiffe erinnernden Laufschuhen an mir vorbeikommt.

Egal jetzt. Ich zieh das durch. Nur die Harten laufen bei so einem Dreckswetter durch den Garten. Ich bin hart. Wenn mir vor sechs Monaten einer gesagt hätte, ich würde unter öffentlicher Anteilnahme zweimal um einen Stadtparksee laufen - ausgeschlossen. Niemand hätte so etwas vor sechs Monaten prognostiziert. Laufen und Burgmayer gehen nicht zusammen, seit 1969, also seit es Burgmayer gibt. Aber im Februar lief ich einfach los, so wie Forrest Gump in dem Buch von Winston Groom. Nach der Arbeit nicht in die U-Bahn, sondern vier Kilometer durch die Gegend. Einfach so. Ohne viel Bohei und Ansage, nur weil ich abnehmen wollte und frische Luft brauchte. Was soll ich sagen: Es läuft. Ich mache das jetzt jeden Tag.

Mit der Startnummer auf der Brust stehe ich im Pulk der Läufer, die alle ganz furchtbar fit aussehen. Die scheinen schon vor dem Start auf Endorphin zu sein. Ich spüre, wie der Regen mir egal wird. Der Startschuss fällt. Es geht raus auf die Runde um den See. Normalerweise praktiziere ich eine Mischung aus Power-Spazierengehen und Intervall-Joggen. Der Gelenke wegen. Meine täglich abnehmende Plauze darf nicht auf meine Knie durchschlagen. Doch hier gehen alle in einem Mördertempo an. Und ich ziehe moderat mit. Trotzdem überholen mich etwa Dreiviertel des Starterfeldes. Menschen, die nur aus Muskeln und Sehnen zu bestehen scheinen, Kinder, Greise und Typen, die ebenso übergewichtig sind wie ich. Mit der Beharrlichkeit einer Nähmaschine bewältige ich die ersten Kilometer in der immergleichen Geschwindigkeit. Kurz vor Ende der ersten Runde überholt mich ein Muskeln-Sehnen-Typ wie ein D-Zug. Der Sieger des Tages. Ich mache weiter auf Nähmaschine.

Eine Frau mittleren Alters überhole ich plötzlich. Die fühlt sich offenbar in ihrer Ehre gekränkt, weil sie nicht von so einer schlecht gefüllten Teewurst wie mir abgehängt werden will. Sie sprintet an mir vorbei. 20 Meter später habe ich sie wieder eingeholt. So geht das noch dreimal. Dann gibt sie auf. Die Nähmaschine kommt nach 33 Minuten ins Ziel.

Ich hätte nicht gedacht, dass man sich in einer regenassen Unterhose so wohl fühlen kann.