Ermittlungen gegen Torsten Thormählen stehen vor dem Abschluss. Staatsanwaltschaft verwahrt sich gegen politischen Druck.

Henstedt-Ulzburg/Kiel. Vor genau einem Jahr wurde die Welt in Henstedt-Ulzburg auf den Kopf gestellt: "Razzia beim Bürgermeister" lautete am 9. Februar 2012 die Schlagzeile auf der Norddeutschlandseite des Hamburger Abendblatts. Kurze Zeit später wurde Bürgermeister Torsten Thormählen bei vollen Dienstbezügen von seiner Arbeit freigestellt - und ist es bis heute geblieben. "Vor März ist mit einem Ergebnis unserer Untersuchungen nicht zu rechnen", sagt Oberstaatsanwalt Manfred Schulze-Ziffer, Leiter der Korruptionsabteilung. Torsten Thormählen steht unter Verdacht, in seiner früheren Eigenschaft als Vorstand der Kommunalbetriebe Ellerau Geld veruntreut zu haben.

Mit dieser Aussage nimmt die Staatsanwaltschaft Henstedt-Ulzburgs Politikern die Hoffnung auf einen schnelleren Abschluss des Verfahrens. Immer wieder hatte zum Beispiel Bürgervorsteher Carsten Schäfer versucht, eine Beschleunigung des Verfahrens zu erreichen - zuletzt durch eine Unterschriftensammlung während des Neujahrsempfanges.

Staatsanwaltschaft sagt, dass die Dauer der Untersuchung normal sei

Die Unterschriftenliste indessen hat bei der Staatsanwaltschaft keinen Eindruck hinterlassen, schon gar keine Beschleunigung des Verfahrens bewirkt. "Es ist gut, wenn die Menschen sich einsetzen, aber sie kennen den Sachverhalt nicht", sagt der Oberstaatsanwalt, der zusammen mit der Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft, Birgit Heß, Stellung zum "Fall Thormählen" nimmt, ohne allerdings konkrete Ergebnisse über den Stand und die bisherigen Erkenntnisse aus den Untersuchungen preiszugeben. Er und seine Kollegen fühlten sich deshalb nicht unter Druck gesetzt. Ohnehin sei die Dauer der Untersuchungen nicht unnormal. Eher im Gegenteil: Viele Untersuchungen zögen sich bedeutend länger hin. Warum das so ist, erklären Manfred Schulze-Ziffer und Birgit Heß anhand der Personalsituation und der Arbeitsbelastung in der Korruptionsabteilung der Staatsanwaltschaft.

Theoretisch beschäftigen sich laut Stellenplan 8,5 Staatsanwälte mit Korruptionsfällen (Bestechung und Bestechlichkeit). Jeder Staatsanwalt bearbeitet pro Jahr etwa 30 bis 40 Fälle, von denen viele wegen großer Komplexität langwierig sind und sich zum Teil über Jahre hinziehen. Das Landeskriminalamt stellt 22 Sachbearbeiter, davon zehn Wirtschaftskriminalisten, eine Fachkraft für Rechnungsprüfungswesen und drei Buchhaltungsfachkräfte.

Schlechte Erreichbarkeit von Zeugen, Akteneinsicht der Rechtsanwälte, die ebenfalls mehrere Fälle gleichzeitig bearbeiten und mit Stellungnahmen auf sich warten lassen, das Warten auf richterliche Durchsuchungsbeschlüsse und schließlich das aufwendige Auswerten von Daten sorgen für Verzögerungen. "Die Spezialisten der Kriminalpolizei müssen sich jedes Mal in ein anderes Gebiet einarbeiten, weil zum Beispiel jede Verwaltung anders organisiert ist", sagt Manfred Schulze-Ziffer. "Sie müssen Tausende von Daten sichten und sortieren." Weil eine Staatsanwältin in Mutterschutz gegangen ist, habe sich im Zuge des Verfahrens ein neuer Dezernent einarbeiten müssen "Der Übergang ist aber reibungslos gelaufen und hatte keinen Einfluss auf die Dauer des Verfahrens, zumal der Sachbereichsleiter bei der Polizei nicht gewechselt hat."

Im Jahre 2011 wurde von der Staatsanwaltschaft in 235 Korruptionsfällen ermittelt. Die Zahlen für 2012 sind noch nicht ausgewertet. Aus dem "Lagebericht Korruption" geht auch hervor, dass die meisten Fälle nicht zur Anklage kommen. So wurden im vorletzten Jahr 149 Fälle "mangels genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage" eingestellt. 36 Fälle wurden wegen Geringfügigkeit eingestellt, 14 Fälle nach Erfüllung von Auflagen. In 33 Fällen gab es einen Strafbefehlsantrag, in vier Fällen wurde Anklage beim Amtsgericht erhoben, in elf Fällen kam es zu einer Strafkammeranklage.

Wie es im Falle des Henstedt-Ulzburger Bürgermeisters sein wird, sagt die Kieler Staatsanwaltschaft nicht. Manfred Schulze-Ziffer und Birgit Heß räumen aber ein Vorurteil aus: "Von der Länge des Verfahrens kann nicht auf die Schuld oder Unschuld des Bürgermeisters geschlossen werden." Diese Meinung nämlich hatte sich in Henstedt-Ulzburg in den vergangenen Wochen und Monaten verfestigt: Lange Untersuchungsdauer - also finden "die in Kiel" nichts.

Thormählen ist über den aktuellen Stand des Verfahrens jederzeit im Bilde

Das in den letzten Wochen in der Großgemeinde hartnäckig gestreute Gerücht, der Bürgermeister werde zu unrecht beschuldigt und bald wieder seinen Platz im Rathaus einnehmen, wird nicht aus den Amtsstuben der Staatsanwaltschaft am Kieler Schützenwall genährt. Darauf weisen Oberstaatsanwalt Schulze-Ziffer und Staatsanwältin Heß eindrücklich hin. "Wir müssen die Menschen schützen und sind sehr zurückhaltend mit Informationen."

Allerdings könnten die Gerüchte aus einer anderen Quelle kommen: Über die Rechtsbeistände, die Akteneinsicht bekommen, sind die Beschuldigten jederzeit auf dem aktuellen Verfahrensstand. Denkbar also wäre, dass Torsten Thormählen selbst mit dem einen oder anderen Henstedt-Ulzburger über den Stand des Verfahrens gesprochen hat. Diese Möglichkeit bleibt unbestätigt: Trotz vieler Versuche ist Torsten Thormählen, der mit seiner Familie in Ellerau wohnt, telefonisch nicht erreichbar.