Immer mehr Krippenkinder werden in evangelischen Kindergärten betreut. Erzieherinnen stellt das vor neue Herausforderungen.

Norderstedt. Glocke und Kerze kennen die Kleinsten in der Kindertagesstätte Vicelin. Glocke und Kerze sind auf zwei Kärtchen abgebildet - sie kommen immer wieder im Alltag der Krippenkinder vor. Und wenn die Kinder zum monatlichen Gottesdienst in die Kirche direkt nebenan im Vicelinhaus gehen, dann kommen die echten Glocken und Kerzen zum Einsatz. Ein Kind hat die Karte mit der Glocke, es darf läuten. Ein anderes die mit der Kerze, es darf unter Anleitung eine anzünden.

"Wir haben feste Rituale und Abläufe", sagt Martina Einhäuser, die die Kindertagesstätte leitet, und ergänzt: "Wir haben den Gottesdienst umgestellt." Früher hätten sie mit den Kleinsten das gleiche gemacht, was die Großen auch machen, aber seit das Bewusstsein für die Unterschiede zwischen den "normalen" Kindergartenkindern ab drei Jahren und den "Krippies", den jüngeren Kindern, wächst, hat sich der religionspädagogische Ansatz angepasst.

Der Gottesdienst für die Kleinsten dauert etwa 20 bis 30 Minuten

Derzeit findet der Gottesdienst für die Kleinsten einmal im Monat statt, erzählt Pastor Michael Schirmer, der mit den derzeit 15 Krippenkindern und den Erzieherinnen die etwa 20 bis 30 Minuten langen Feiern gestaltet. Die kleinen Kinder erleben die Geschichten dabei ganz anders als die Großen, erklärt Einhäuser, deswegen komme es darauf an, dass die Geschichten mit allen Sinnen wahrgenommen werden können.

So gibt es jedes Mal vor dem Gottesdienst ein Tuch in der Mitte, das beispielsweise wie vor Weihnachten die Krippenfiguren verdeckt. Das erzeugt Spannung. Nach Beginn des Gottesdienstes wird das Tuch gelüftet und die Kinder können anschauen und anfassen, was drunter liegt. "Es gab einen Run auf die Hirten und Schafe", erinnert sich Pastor Schirmer. Einige von ihnen konnten die Tiere benennen: Schaf und Hund kannten sie, Maria und das Jesuskind noch weniger.

Bei den Sinneswahrnehmungen durch Tasten und Fühlen bleibt es nicht. Es werden auch Geschichten erzählt. Kurze, versteht sich und immer mit einem wachen Blick. "Man muss in der Aktion offen bleiben", sagt Einhäuser. Wenn die Kinder nicht mehr auf die Geschichte hören, muss sie beendet werden. Damit den Kindern das Ende der Feier in der Kirche klar wird, kommt dann das Tuch wieder zum Einsatz. "Ich spreche immer auch das Vaterunser", sagt Michael Schirmer. Zwar könnten die Kleinsten das noch nicht selbst mitmachen, aber es werde für sie zur Gewohnheit; und da viele der Rituale später auch bei den Elementarkindern ab drei Jahren fortgeführt werden, sind am Ende der Kindergartenzeit der Gottesdienst und die Kirche für die Kinder vertraut.

Ein Tischgebet beim Essen gehört selbstverständlich zum Alltag

Dass die Kinder eine evangelische Kindertagesstätte besuchen, merken sie jedoch nicht nur im Gottesdienst. Auch ein Tischgebet beim Essen gehöre selbstverständlich zum Alltag dazu, erläutert Einhäuser. Dazu kommen die Lieder, die nicht nur im Gottesdienst, sondern auch in den Sitzkreisen in der Gruppe gesungen werden - auch mit Begleitung von Pastor Schirmer: "Die Kinder finden die Gitarre interessant, das ist ein gutes Mittel, um mit ihnen in Kontakt zu treten."

Nicht nur in Vicelin bringt der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz neue Anforderungen für die Kindertagestätten mit sich. Auch in den anderen Einrichtungen des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein in Norderstedt steht der Ausbau der Betreuung für Mädchen und Jungen unter drei Jahre derzeit im Mittelpunkt. Auf der einen Seite wird ausgebaut (siehe Kasten unten). "Dabei gab es gar keine Diskussionen über den Sinn von Krippenplätzen, die Kirchen geben ihre Grundstücke gerne dafür frei. Wir hatten das anders erwartet", sagt Uwe Büth, Leiter des Kindertagesstättenwerkes des Kirchenkreises.

Neue Plätze bedeuten auf der anderen Seite aber auch neue Erzieher und Erzieherinnen, was laut Büth nicht immer einfach ist. So werden mit einer Plakataktion männliche Erzieher gesucht, für die es vor allem zwei Hürden gibt: Das Vorurteil, nur Homosexuelle würden Erzieher, und der Missbrauchsverdacht. Hierbei müssten die Träger der Kindergärten mithelfen, Vorurteile abzubauen und gleichzeitig den Mitarbeitern Perspektiven bieten, sagt Uwe Büth.

Der Kirchenkreis fördere die Weiterbildung, etwa ein begleitendes Studium an der Evangelischen Hochschule Rauhes Haus. Es müsse auch an der Gehaltsschraube gedreht werden, so Büth. Das aber liege nicht in der Hand der Kirchen, denn das Gehalt werde zu 100 Prozent von der öffentlichen Hand refinanziert.

Der Bedarf an Krippenplätzen und damit auch an Erziehern sei groß. "Derzeit könnten wir jeden Krippenplatz dreimal besetzen", sagt Büth.