22 Männer und Frauen aus neun Nationen lernen in einem speziellen Kursus neue Wörter und alles, was sie für eine Bewerbung brauchen.

Norderstedt. Sie stammt aus Albanien, ihre Familie ist halb griechisch, halb albanisch. BWL hat sie studiert, zwei Semester lang. Ediola Kole erzählt von ihrem Leben, fließend und auf Deutsch. Das hat sie gerade in einem Kursus der Volkshochschule (VHS) Norderstedt verbessert. Die 29-Jährige hat die Sprachprüfung bestanden, B2 plus attestiert ihr das Zertifikat. "Das heißt unter anderem, dass sie sich in einem Bewerbungsgespräch behaupten kann", sagt Cornelia Ascher, Leiterin des Projektes, das zwei Ziele verfolgt: Die Teilnehmer lernen Deutsch und dazu noch das, was sie für einen erfolgreichen Einstieg oder Wiedereinstieg in einen Beruf brauchen.

Praxis Deutsch und Berufseinstieg heißt der Kombi-Kursus, in dem die Teilnehmer sechs Monate lang intensiv Grammatik und Wortschatz trainieren, ihr Sprachverständnis schulen und ihre Fähigkeit, sich schriftlich auszudrücken, verbessern. Gerade die ist gefordert, wenn Bewerbungen geschrieben werden müssen. Dabei hilft Sozialpädagogin Carolin Pump, die die erwachsenen Schüler außerhalb des Sprachunterrichts betreut.

"Während dieser sechs Monate müssen wir es gemeinsam schaffen, alle Unterlagen für eine Bewerbung zusammenzutragen und zu aktualisieren", sagt die Betreuerin. Schulabschlüsse, die die Frauen und Männer in Afghanistan, Russland oder Venezuela erworben, müssen hier geprüft und anerkannt werden. Das hat die Landesregierung an ein externes Unternehmen vergeben. Bundesbildungsministerin Schavan und andere fordern seit langem mehr Tempo und Erleichterungen. In Deutschland fehlen Fachkräfte, qualifizierte Migranten können helfen, die Lücke zu schließen.

Der VHS-Kursus zielt genau in diese Richtung, und auch die 16 Frauen und neun Männer, die täglich von 8.30 bis 13.30 Uhr mit Lehrer Sasa Jankovic ihr Sprachniveau heben, wollen in ihrer neuen Heimat arbeiten. Eduardo Guilarte zum Beispiel. Der Venezolaner ist seit sieben Jahren in Deutschland. Der 34-Jährige, ausgebildeter Informatiker in seinem Heimatland, wollte eigentlich Französisch studieren. Doch in Frankreich lernte er seine spätere Frau kennen, eine Deutsche, der er in ihre Heimat folgte.

In Hamburg hat er erst für die Stadtreinigung gearbeitet, dann Kanäle gereinigt, ehe er arbeitslos wurde. Nun hat der Vater eines Sohnes nicht nur die Sprachprüfung bestanden, sondern auch noch das Recht auf einen Bildungsgutschein erworben. Der berechtigt ihn, sich zum Pflegeassistenten oder Altenpfleger umschulen zu lassen. Ein Praktikum hat Guilarte schon absolviert, bei den "Fleißigen Bienchen" in Norderstedt in den Alltag eines Pflegedienstes hineingeschnuppert. Und was ist mit der Informatik? "Mein Abschluss wird hier nicht anerkannt. Und ich bin zehn Jahre raus, in dieser Branche eine Ewigkeit", sagt der Südamerikaner. EDV-Techniker, das könnte er sich vorstellen. Aber jetzt konzentriert er sich erst mal auf die Pflege, will Zuhause besprechen, welchen der beiden beruflichen Wege er gehen wird.

Tatjana Heckmann nimmt Ende des Jahres ihre Arbeit in einer Kita auf

Schon einen Schritt weiter ist Tatjana Heckmann. Die Russin ist studierte Architektin und Erzieherin. Ihr Architektur-Studium wurde hier anerkannt, aber: "Ich bin schon zu lange nicht mehr im Beruf tätig", sagt die 35-Jährige, die verheiratet ist und zwei Kinder hat. Deswegen hat sie die Alternative gewählt. Ende des Jahres nimmt sie ihre Arbeit als sozialpädagogische Assistentin in einer Norderstedter Kita auf. Dahin möchte auch Ramzia Esatullah. Sie ist ihrem Mann, der vor dem Krieg in Afghanistan geflüchtet ist, nach Deutschland gefolgt. "Hier haben meine Kinder gute Chancen auf eine gute Ausbildung", sagt die 27-Jährige, die in Afghanistan als Lehrerin an einer Grundschule gearbeitet hat.

Zusammen mit Jobcoach Carolin Pump feilt die Mutter zweier Töchter gerade an ihrer Bewerbung. Ab Februar kann sie sich auf eine Stelle in einer Kita bewerben. "Die Chancen stehen nicht schlecht, Erzieherinnen fehlen überall", sagt Projektleiterin Cornelia Ascher, vor allem solche mit Migrationshintergrund. Ediola Kole sucht einen Ausbildungsplatz in einer Bank oder bei einem Steuerberater. "Da kann ich mein Wissen aus dem BWL-Studium einbringen", sagt die 29-Jährige, die seit sechs Jahren in Norderstedt lebt. Ein bisschen vermisse sie ihre Heimat schon, die Familie, die in Südeuropa traditionell eine viel größere Rolle spielt als hier.

Das bestätigt Eduardo Guilarte, sich dennoch in seiner neuen Heimat sehr wohl fühlt, deutsche Freunde genauso hat wie lateinamerikanische. "Es gibt viele Misch-Ehen", sagt der Fußballfan, der sich bei einem wesentlichen Identifikationsmerkmal noch nicht entschieden hat oder sich bewusst diplomatisch gibt: Er sieht sich sowohl Spiele des HSV als auch des FC St. Pauli an. Bestens angekommen ist er im grauen norddeutschen Wetter. Im weißen T-Shirt mit kurzen Ärmeln posiert der Mann, der die meisten Jahre seines Lebens bei Dauertemperaturen von 28 bis 32 Grad verbracht hat, auf der Treppe vor der Schultür fürs Gruppenfoto.

Wer die Sprache beherrscht, kann schneller Kontakte knüpfen

Tatjana Heckmann kann auf ihre Kultur jederzeit zugreifen. Sie arbeitet als Lehrerin in einem russischen Verein. "Da haben wir gerade mit mehr als 100 Kindern das russische Weihnachtsfest gefeiert", sagt Tatjana Heckmann, die seit zehn Jahren hier lebt, viele deutsche Freunde gefunden hat und sich gut integriert fühlt. Die fehlen Ediola Kole noch, aber sie ist zuversichtlich: "Am Anfang konnte ich kein Wort Deutsch. Und die Sprache ist das wichtigste Mittel, um in einem anderen Land aufgenommen zu werden", sagt sie - in einem Deutsch, mit dem sie schnell Kontakte knüpfen wird.