Nach Differenzen mit der Partei tritt Günther Nicolai zurück. Eine verjüngte Doppelspitze steht bereits in den Startlöchern.

Norderstedt. Mehr als eine knappe E-Mail war es Günther Nicolai nicht wert, um am Mittwoch nach knapp vier Jahren als Chef der CDU-Fraktion in der Norderstedter Stadtvertretung den Bettel hinzuwerfen: "Mit Datum vom Mittwoch, 12. 12. 2012, trete ich, Günther Nicolai, als Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion der Stadt Norderstedt, aufgrund unterschiedlicher Auffassungen innerhalb der Fraktion, mit sofortiger Wirkung von diesem Amt zurück." Ein politischer Paukenschlag.

"Ich bin ein ruhiger Bürger dieser Stadt und freue mich jetzt auf den Weihnachtsmann", sagt Nicolai im Gespräch mit dem Abendblatt. "Mehr ist zu meinem Rücktritt nicht zu sagen." Mit seinem Sarkasmus kann Nicolai nur schwer verbergen, wie sehr es in ihm brodelt. Einer wie er geht nicht einfach so. Der ehemalige Schulleiter, dem nicht wenige nachsagen, er habe seine Fraktion wie eine Grundschulklasse mit ebenso harter wie autoritärer Hand geführt, hat sich offenbar mit seiner Fraktion überworfen. Am Montag hat es eine Fraktionssitzung der CDU gegeben, auf der es "mächtig im Karton gerauscht hat", wie Nicolais Stellvertreter Friedhelm Voß sagt. "Aber da ging es um persönliche Differenzen, nicht um Inhaltliches. Ich kann mich an kein Sachthema erinnern, das derart kontrovers bei uns diskutiert worden wäre, dass Nicolai einen Grund zum Rücktritt gehabt hätte", sagt Voß. Es habe "gemenschelt" in der Sitzung. "Kasperletheater, so würde ich es nennen. Ein Fraktionskollege nannte es Kindergarten", sagt Voß.

Nicolai geht mitten im Wahlkampf - ein Rücktritt zur Unzeit

Der plötzliche Rücktritt des Stadtvertreter-Urgesteins Nicolai an der Fraktionsspitze überrascht alle in der Partei. Und er kommt zur Unzeit. Die Kommunalwahlen stehen an. "Und wir haben noch nicht mal eine Liste und ein Wahlprogramm", sagt Arne Michael Berg, der als CDU-Stadtvertreter ebenso große Erfahrung hat. "Wir müssen jetzt nach vorne schauen und schnell den Neuanfang hinbekommen. Ich mit meiner Erfahrung werde mich da natürlich voll reinknien."

Doch ob bei der Neuausrichtung der Fraktion die politische Erfahrung eine große Rolle spielen wird, ist fraglich. "Wir haben ein Altersproblem in der CDU. Wir müssen uns verjüngen", sagt Voß. In seiner Firma sei er mit 54 Jahren ein "alter Sack", in der Stadtvertretung hingegen "ein junger Wilder". Die Zeiten der "Beamten und Schulmeister" in den Fraktionen müsse endlich zu Ende gehen, sagt Voß: "Wir brauchen keinen autoritären Führungsstil mehr, wir brauchen Team-Arbeit."

Ein Doppelspitze nach Art der Grünen könnte Voß sich gut vorstellen, gemeinsam mit Petra Müller-Schönemann, der zweiten Stellvertreterin im Fraktionsvorsitz. "Günther Nicolai hat endlich erkannt, dass sich die CDU neu präsentieren muss und hat den Weg frei gemacht", sagt die Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses. Sie könne sich die Doppelspitze mit Friedhelm Voß gut vorstellen. "Ich habe ein gutes Standing in der Fraktion. Als Ausschussvorsitzende weiß ich, wie ich auf die Menschen wirke. Und das klappt ganz gut." Die Verjüngung der Fraktion hält sie für unerlässlich. "Jungen Leuten kann man Kommunalpolitik sonst gar nicht mehr vermitteln." Außerdem müsse die Politik heute viel mehr auf die Menschen zugehen - viel mehr, als es die CDU in der jüngeren Vergangenheit getan habe.

Neuwahlen sind bei der CDU frühestens am 8. Januar möglich

Doch bevor neue Strukturen bei den Christdemokraten geschaffen werden können, wird es wohl noch bis nach Weihnachten dauern. "Jetzt werden wir uns erst einmal zurückziehen und unsere Wunden lecken", sagt Friedhelm Voß. "Die Telefondrähte werden glühen in den nächsten Tagen". Nach der Geschäftsordnung der Fraktion führen Voß und Müller-Schönemann die Fraktion bis zur Neuwahl. Die muss mindestens zwei Wochen vorher angekündigt werden. "Am 8 Januar haben wir unsere erste Sitzung im neuen Jahr. Da wäre eine Neuwahl dann frühestens möglich", sagt Voß. Danach müsse sich die Partei ganz intensiv auf den Wahlkampf und die Kommunalwahl vorbereiten. Die Liste der Kandidaten und das Wahlprogramm wollen die Norderstedter Christdemokraten am Dienstag, 15. Februar, verabschieden.

Spätestens dann wird auch die Frage beantwortet, ob sich Günther Nicolai nach mehreren Jahrzehnten in der Stadtpolitik vielleicht sogar ganz aus der Stadtvertretung zurückzieht. Friedhelm Voß: "Ob er kandidieren wird oder nicht - das muss er jetzt ganz mit sich allein ausmachen."