In Norderstedt auf jeden Fall nicht auf die “Nette Toilette“. Das bundesweit erfolgreiche Konzept ist in der Stadt gescheitert.

Norderstedt. Jeder kennt das Problem, zum Beispiel beim Einkaufen oder während des Spaziergangs. Plötzlich muss man mal - und kann nicht. Weil die Toilette fehlt. Wer schon mal in dieser Bredouille steckte, wird es nicht gerne hören, dass das bundesweit in mehr als 120 Städten funktionierende Konzept der öffentlichen "Netten Toilette" in Norderstedt gerade gescheitert ist. Die Politik hat die Idee im Stadtentwicklungsausschuss mangels ausreichender Teilnahme von Gastronomen und wegen zu hohen Verwaltungsaufwandes auf Empfehlung der Stadtverwaltung begraben.

Die Idee ist effektiv und nahe liegend: In jeder Stadt gibt es unzählige Toiletten - und zwar in den im gesamtem Stadtgebiet verteilten Restaurants, Lokalen, Kneipen oder Imbissen. Warum sollte die Allgemeinheit sie nicht nutzen? Die "Nette Toilette" überwindet die Schwellenangst, die der Bürger hat, wenn er in einem Lokal fragen soll, ob er mal eben aufs Klo darf. Das City-Management der baden-württembergischen Stadt Aalen entwickelte 2001 mit lokalen Akteuren und einer Werbeagentur die wegweisende Zusammenarbeit. Gastronomen erklären sich bereit, ihre Toiletten für alle Bürger zu öffnen, sie kennzeichnen dies mit einem Aufkleber an der Tür, und die Stadt beteiligt sich dafür monatlich an den Reinigungskosten der Toilette. Die Stadt Aalen hatte beim Start der Aktion drei öffentliche Toiletten, die im Jahr 40 000 Euro kosteten. Heute hat sie 27 "Nette Toiletten" und die Kosten dafür liegen bei 17 000 Euro.

Norderstedts öffentliche Toiletten kosten 50 000 Euro jährlich

"Auch Norderstedt hat ein großes Interesse daran, das Netz öffentlicher Toiletten in der Stadt auszuweiten", sagt Norderstedts Verwaltungssprecher Hauke Borchardt. Derzeit gibt es in der Stadt nur fünf öffentliche Toiletten, je eine an den Omnibusbahnhöfen Glashütte, Garstedt und Mitte sowie am Harksheider Markt und auf dem Parkplatz am Schmuggelstieg. 50 000 Euro an Kosten fallen jährlich für den Betrieb an, sagt Borchardt. Aus Sicht der Stadt mache die auf Antrag der Grün Alternativen Liste Norderstedts (GALiN) geforderte Einführung des Konzeptes "Nette Toilette" in Norderstedt keinen Sinn. Etwa 100 Gaststätten, Restaurants, Cafés und andere Einrichtungen seien angeschrieben worden, mit der Bitte um Stellungnahme. Nur acht davon meldeten sich und würden eine "Nette Toilette" eröffnen. Darunter nur sechs Betriebe, die aus Sicht der Stadt im "strategisch innerstädtischen Bereich" liegen, der für die "Nette Toilette" Sinn mache.

Was in 127 Städten im Land geht, wird in Norderstedt als unrentabel gesehen

Der Stadt Norderstedt ist das zu wenig. Es sei unrentabel, für die sechs Betriebe in den Verwaltungsaufwand und die Vermarktung des Konzeptes zu investieren. Norderstedt müsse für die Standardnutzungsrechte der "Netten Toilette" 1500 Euro bezahlen, dazu die Kosten für das Logo, Aufkleber und Flyer bezahlen. "Dann müssen natürlich noch die Vertragsgespräche mit den Gastronomen über den monatlichen Zuschuss zu den Toilettenreinigungskosten geführt werden", sagt Borchardt.

127 Städte in Deutschland kamen bislang zu einem anderen Ergebnis. Sie haben das Konzept eingeführt. Schleswig-Holstein ist im Vergleich zu Bundesländern im Süden ein Entwicklungsland. Nur in Lübeck, Bad Segeberg und Kaltenkirchen existieren "Nette Toiletten". In Lübeck und in Bad Segeberg öffneten jeweils zwölf Betriebe, Gastronomen oder Behörden ihre Toiletten für die Allgemeinheit. In Kaltenkirchen haben vier Gastronomen und die Mitarbeiter des Rathauses eine "Nette Toilette" geöffnet. "Wir sind zufrieden", sagt Kurt Barkowsky, Chef des Cafés Cappuccino und stellvertretender Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes. "Die Bürger nehmen den Service gut an."

Barkowsky und seine Kollegen haben einen Vertrag mit der Stadt über die sanitäre Dienstleistung abgeschlossen und erhalten aus dem Kaltenkirchener Haushalt monatlich 25 Euro für die WC-Reinigung und den erhöhten Wasserverbrauch. Für die anderen Gäste sei der Besuch der Toilettengänger nicht störend, hat Barkowsky festgestellt. Probleme mit einer wachsenden Verschmutzung der WCs sind im Café Cappuccino ausgeblieben: "Mit den Benutzern der ,Netten Toilette' gibt es keine Probleme, die wir nicht auch mit normalen Gästen haben."

Für die Bürger ist die Sache klar: Her mit der "Netten Toilette"!

Vor der Eröffnung der "Netten Toiletten" waren Besucher der Innenstadt auf ein öffentliches WC in einem Container auf einem Parkplatz vor dem Rathaus angewiesen. Wegen Vandalismus und Verschmutzung war die Toilette nicht immer benutzbar. Die "Nette Toilette" bewertet Barkowsky auch als Werbung für den eigenen Betrieb. "Ich kann jedem Gastronomen empfehlen, sich daran zu beteiligen", sagt er.

Wer die Norderstedter auf der Straße fragt, was sie von der Idee halten, bekommt ein klares Meinungsbild. "Das halte ich für eine gute Sache", sagt Hella Waldeck, 75, Rentnerin, die eine "Nette Toilette" im Stadtgebiet vermisst. Marianne Lehnert, 61 Jahre, Rentnerin: "In Norderstedt gibt es viel zu wenig öffentliche Toiletten. Oftmals erntet man in Restaurants böse Blicke, wenn das Kind mal auf Toilette muss."

Gerhard Dittmann, 78, Rentner, erzählt, dass seine Frau neulich in einem Restaurant nicht einmal die Toilette benutzen durfte, als sie dort etwas getrunken hatten. "Wir hätten etwas essen sollen, um die Toilette benutzen zu dürfen! Eine Frechheit!"