Der Norderstedter Journalist Matthias Steiner organisiert Erlebnisreisen für Jugendliche auf der “Thor Heyerdahl“.

Norderstedt/Kiel . "Wir befinden uns heute am Donnerstag, den 22.11.2012 um 18.00 Uhr Bordzeit (UTC - 1 h) auf der Position 22°04,6 N und 020°03,0 W. Wir laufen unter Segeln bei NE 5 Kurs 205° und 6,8 kn. Bei leichter Bewölkung sind die Luft- und Wassertemperatur bei 22,5 °C." Logbuch-Eintragungen wie diese über lauen Wind und Sommertemperaturen wird der Norderstedter Matthias Steiner in den kommenden Monaten immer wieder lesen. Aufmerksam beobachtet er per Internet die Ereignisse an Bord des Dreimast-Topsegelschoners "Thor Heyerdahl", der mit 30 Schülern, Lehrern und einer Stammbesatzung erfahrener Seeleute auf dem Atlantik umherschippert. Die Kanarischen Inseln haben sie hinter sich gelassen, jetzt beginnt die Atlantiküberquerung.

"Die gehen auf die Fahrt ins Leben", sagt Steiner über das ungewöhnliche Projekt, ein halbes Schuljahr aufs Meer zu verlagern inklusive Unterricht, Arbeit an Deck und Seekrankheit. Den 52-Jährigen aus dem Stadtteil Glashütte und seine markante Stimme kennen viele NDR-Hörer als Chef des Sportprogramms von 90,3. Privat gehört seine Liebe dem Meer und den Segeln.

Die Abkürzung KUS steht für "Klassenzimmer unter Segeln"

Im vergangenen Jahr hat Steiner Kap Hoorn umsegelt. Demnächst reist er zu den sturmumtosten Lofoten. Und zwischendurch kümmert er sich ehrenamtlich als Gesellschafter einer gemeinnützigen GmbH um die "Thor Heyerdahl" und ihre Törns über die Weltmeere. Wenn dann noch Zeit bleibt, greift er während der Werftzeiten des Schiffes zu Pinsel, Schraubenzieher und Hammer und pflegt den immerhin schon 75 Jahre alten Dreimaster, der früher als Frachtmotorsegler bis nach Südafrika und in der Karibik unterwegs war.

Das Schiff mit dem Heimathafen Kiel kennt Steiner genau. Ende der 80er-Jahre gehörte er zur Stammbesatzung und segelte um die ganze Welt. Mit einem Seufzer sagt er: "Dafür habe ich jetzt nicht mehr die Zeit."

Mindestens 14 Jahre alt müssen die Schüler sein, die mitreisen wollen. Im Sommer reisen sie klassenweise mit Lehrern nach Großbritannien oder Norwegen und dürfen an Bord nur englisch sprechen. Im Winter steht das Projekt mit dem charmanten Namen KUS auf dem Programm. Die Abkürzung steht für "Klassenzimmer unter Segeln" und wird begleitet von der Universität Erlangen-Nürnberg. Ein halbes Jahr sind die Schüler auf See, legen 13 000 Seemeilen zurück und sollen im besten Fall die Arbeit auf dem Schiff selbstständig erledigen, ohne dass die Besatzung eingreifen muss. Auch ihren Kapitän, der das Sagen hat, wählen sie selbst. Unter Deck findet klassischer Schulunterricht statt, sodass die Zeit auf See als Schulzeit anerkannt wird.

Die Stammbesatzung profitiert von dem Prinzip "Hand gegen Koje"

"Wir können uns vor Anfragen nicht retten", sagt Steiner, räumt allerdings ein, dass der Preis pro Teilnehmer hoch ist, obwohl es sich um einen Selbstkostenpreis handelt. 2690 Euro pro Monat kostet der Trip. Teilweise können die Kosten durch Stipendien gedeckt werden. Wer mitreisen will, muss vorher bei Testreisen auf kleinen Booten zeigen, dass sein Sozialverhalten bordtauglich ist und dass das Heimweh nicht übermächtig wird.

Die Stammbesatzung fährt ehrenamtlich mit und profitiert von dem Prinzip "Hand gegen Koje". Die Arbeit wird mit Unterkunft, Verpflegung und einer aufregenden Reise "bezahlt".

"Unser Ziel ist es, die Kinder zur Selbstständigkeit zu erziehen", sagt Steiner. Außerdem lernen sie, was Verantwortung bedeutet. Steiner: "In dem System Schiff lernt man, dass jedes Handeln Konsequenzen hat." Fährt die Besatzung einen falschen Kurs, muss sie ihn später korrigieren. Die Stammbesatzung achtet darauf, dass an Bord stets die Sicherheit gewährleistet bleibt.

Auf seine eigene Sicherheit wird Steiner achten müssen, wenn er im Dezember mit seinem Freund Arved Fuchs in den Nordatlantik segelt. Den Expeditionsspezialisten und seine Crew erwarten Stürme, Seegang und Kälte. "Ich freue mich darauf", sagt Steiner.